Nach der Übernahme durch Jack Tramiel ließ man das Geschäft mit den Heimkonsolen arg schleifen. Dann unternahm man einen letzten Versuch, zu den Big Playern Nintendo und SEGA aufzuschließen. Man sandte den Jaguar, eine revolutionäre 64-Bit Wundermaschine, auf die Jagd. Wie jeder Retro-Gaming Interessierte weiß, war das Unternehmen nicht von Erfolg gekrönt. Die Internet-Gerüchteküche brodelte. Thesen, warum Atari mit dem Jaguar baden ging, machten über die Jahre die Runde und halten sich heute noch wacker. Wir werfen einige der populären Thesen in den Raum und überprüfen, ob diese der Wahrheit entsprechen.
"Der Jaguar war nicht 64bit!"
Ein weiteres Phänomen, welches beim „bitwar“ gerne zitiert wird, ist der Vergleich mit dem Nintendo 64. Eine Gegenüberstellung liegt nahe, beide Geräte warben damit, 64-Bit Konsolen zu sein. Viele User vergleichen gerne die Optik durchschnittlicher Jaguar Spiele mit N64 Grafiken. 64-Bit = 64-Bit? Nein, sicherlich nicht. Betrachten wir die Releasedaten: Der Jaguar erschien im November 1993, das N64 feierte im Sommer 1996 Premiere. Das sind 2,5 Jahre Unterschied. Wer den Technikfortschritt dieser Zeit – auch der heutigen – kennt, der weiß, dass 2,5 Jahre Welten sind. Ungeachtet des 64-Bit Werbeslogans muss sich der Jaguar mit Plattformen des Jahres 1993 messen lassen. Und die wären: 3DO, CD32 und die 16-Bit Maschinen. Selbst das 32x erschien erst über 1 Jahr später und fällt aus dem Vergleich aus.
Fazit: Der Jaguar ist sehr wohl ein 64-Bit System, jedoch ein 1993er 64-Bit System. Eine Gegenüberstellung mit dem Nintendo64 verbietet sich allein aus Datumsgründen.
"Der Controller ist schlecht!"
Der Controller des Jaguar hat seine Eigenarten und wurde bereits bei der Erstvorstellung kritisch betrachtet. Das numerische Keypad wirkt wie ein Fremdkörper, der spöttisch gemeinte Vergleich mit einem Telefon wurde zum Selbstläufer. Witzigerweise ist dieser Vergleich nicht weit weg von der Realität: Denn Atari plante ein Voice-Modem, mit dessen Hilfe Spieler aus aller Welt gegeneinander antreten konnten. Um das Wählen zu ermöglichen, baute man von Beginn an das Keypad ein.
Das Modem erblickte nie das Licht der Welt. Und das numerische Keypad, welches wie die Wiederauferstehung eines 80er Jahre Trends anmutet (Atari 5200, Colecovision, Intellivision), wurde zum Stolperstein in der öffentlichen Wahrnehmung. Tragischerweise - denn das Keypad bietet einige Vorteile. Durch beigelegte Overlays konnten in vielen Spielen Shortcuts zu wichtigen Funktionen geschaffen werden, während auf anderen Plattformen abenteuerliche Buttonkombinationen herhalten mussten. So lassen sich bei Doom alle Waffen separat anwählen und PC-Umsetzungen wie Syndicate oder Theme Park profitierten ebenfalls vom Keypad.
Interessanterweise ist der größte Kritikpunkt nicht der wirkliche Schwachpunkt, sondern ein anderer: Atari verpasste dem Controller bloß 3 normale Buttons, die wie beim Mega Drive angeordnet waren. Doch im Jahre 1993 reichte das nicht mehr aus. Insbesondere Schultertasten wurden durch das SNES schon 3 Jahre zuvor Standard. Bei Atari verpennte man den Trend. Zwar reagierte man 1995 mit dem Pro Controller (stattliche 6 Buttons + 2 Schultertasten), doch war der Zug bereits abgefahren. Vele Spiele, die von den 6-Buttons hätten profitieren können, mussten bis dato mit drei dürftigen Knöpfen auskommen. Zuallerletzt wirkten Steuerkreuz und Buttons des Standardkontrollers etwas schwergängig, was das Spielgefühl bei Beat 'em ups oder Rennspielen schmälerte.
Fazit: Ja, der Controller war ein Problem. Jedoch nicht das oft bemängelte Keypad, sondern fehlende Hauptbuttons und ein starres Steuerkreuz. Das in allen Belangen verbesserte Pro-Pad kam viel zu spät, um das Ruder noch herumzureißen.
"Es gab zu wenig und zu schlechtes Marketing"
Ein häufig genannter Kritikpunkt. Entgegen der Annahme, dass Atari keinerlei Werbung machte, existieren doch einige Werbematerialien (insbesondere TV-Werbespots), die in den USA regelmäßig ausgestrahlt wurden. Diese gelten als amateurhaft und schlecht, doch Werbung wie z. B. zu Doom oder Alien vs. Predator unterschied sich nicht von anderen Werbespots dieser Zeit. Für damalige Verhältnisse wirkten sie cool und zeigten, was der Jaguar kann. Das Problem fehlender Werbung war ein europäisches Phänomen. Nicht nur fehlten hier TV Spots, auch Printwerbung wurde fehlgeplant. Oft wurde in Fachmagazinen – insbesondere Atari Magazinen – geworben, deren Leserschaft schon bestens über den Jaguar informiert war. Doch warum scheiterte man in den USA? Dazu gibt der nächste Punkt Aufschluss...
Fazit: In den USA war die Werbung ausreichend und flächendeckend. In Europa hingegen plagten Fehlbuchungen von Anzeigen und das Fehlen von TV Spots die Coverage.