Nintendo 64: Nebelwerfer oder Wundermaschine? im Test

Nintendo 64

Über kaum eine Konsole wurde so lange spekuliert bzw. kursierten soviele unterschiedliche Gerüchte. Bereits 1993 munkelte man über eine neue Nintendo Konsole, die den Namen »Project Reality« tragen und gemeinsam mit der Firma SiliconGraphics Inc. (bekannt vor allem durch ihre Workstations) entwickelt werden sollte. Nintendo hielt sich jedoch wie immer mit Ankündigungen zurück und verwies auf die nächsten Messen, auf denen technische Neuheiten vorgestellt werden würden. Doch das ließ die Gerüchteküche nur weiterbrodeln und die seltsamsten Spekulationen machten die Runde. Beispielsweise das Nintendos neuestes System komplett ohne Fernseher, dafür aber mit 3D-Brille zu bedienen sei.

Ankündigung und Release

Irgendwann 1994 muss es gewesen sein, als zum ersten Mal der Begriff »Ultra 64« für Nintendo neues Gerät auftauchte. Mit Cruis‘n USA und Killer Instinct tauchten die ersten Spielhallenautomaten auf, die angeblich auf der neuen Hardware basieren sollten. Fans und Fachpresse kamen aus dem Staunen nicht mehr hinaus, Nintendos Aktienkurs schoss an der Tokioter Börse nach oben und man kündigte an, dass BigNs neue Konsolenhoffnung schon im Dezember in den japanischen Geschäften zu finden sein wird.

Wenig später wurde das Gerät dann, noch unter dem Namen Ultra 64, zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Allerdings vorerst nur das Design - Spiele bekam niemand zu sehen. Munter versprach Nintendo weiterhin, die Cruis'N USA und Killer Instinct Automaten würden auf der Hardware des zukünftigen Ultra 64 basieren und auf der Heimkonsole genauso oder sogar noch besser aussehen. Heute kennen wir natürlich die Wahrheit ...

Man vertröstete Gamer und Fachpresse bis in den Dezember, als auf der Shoshinkai '95 erstmals Mario 64 über die Fernsehbildschirme flimmerte. Aufgrund des enormen Andrangs musste die Spielerzeit pro Besucher auf 5 Minuten begrenzt werden. Legendär ist Hiroshi Yamauchi‘s Eröffnungsrede, in der er zum Rundumschlag ausholte - die Konkurrenz würde den Markt mit minderwertiger Software überschwemmen, doch Nintendo werde diesen Fehler mit dem N64 nicht begehen. Da der bisherige Releasetermin nicht eingehalten wurde, fasste man den April als Erscheinungstermin für Japan ins Auge. Den »Rest der Welt« würde man kurze Zeit später ebenfalls beliefern.
 

Doch was wäre Nintendo ohne seine ständigen Terminverschiebungen? Und so wurde auch dieser Termin wieder verschoben, diesmal in den warmen Sommermonat Juni. Für die USA und Europa war immer noch kein genaues Datum herausgegeben worden und viele Fans konnten hierzulande kaum noch warten. Schließlich schielten sie neidisch auf die Besitzer von PSX und Saturn, die Rennspiele in flüssiger 3D Grafik spielten, während sich Nintendofans über den ins Stocken geratenen Spielesupport für das SNES ärgerten.

Änderung brachte erst die E3 im Jahre 1996. Nintendo stellte das Nintendo 64 offiziell in den USA vor und die Euphorie kannte ähnlich wie in Japan keine Grenzen. Mitkonkurrenten Sony und SEGA reagierten sofort und senkten aufgrund des herannahenden Release die Preise von Saturn und Playstation. Offenbar war man sich in den Führungsetagen nicht ganz sicher, ob man sonst Nintendos neuestem Wurf standhalten könne. Europäische Nintendofans warteten weiterhin und nicht wenige wanderten damals zur Konkurrenz ab. Einen Fehler, den man später noch bereuen sollte und im Nachhinein auch offen zugab. Erst am 01. März 1997 kam das N64 in den deutschen Handel, der zuvor eine riesige Vorbestellungsaktion durchführte. Jeder Kunde, der vorher die symbolische Zahl von 64 DM anzahlte, erhielt pünktlich eine Nintendo 64 Konsole.

Ausstattung und Aufbau

Im Vorderteil der Konsole ist die Speichererweiterung, das sogenannte Memory Expansion angebracht. Normalerweise sitzt hier das Jumper Pak mit seinen 4 MB Arbeitsspeicher. Da die Spieleentwicklung schnell die Grenzen dieser 4 MB aufzeigen sollte, zog Big N bald nach und veröffentlichte das Expansion Pak mit 8 MB Speicher, das einfach problemlos gegen das Jumper Pak ausgetauscht werden konnte. Gerade für einige Spiele der späteren Generation (z. B. Perfect DarkDonkey Kong 64Zelda Majoras Mask) war diese Erweiterung unabkömmlich. Aber auch andere Titel, wie etwa Turok 2, unterstützten die Speichererweiterung und boten so eine höhere Auflösung für anhaltenden Spielspaß.
 

Auf der Konsole befindet sich oben ein Spieleschacht, in den die jeweiligen Spielmodule gesteckt werden. Außerdem findet sich auf dieser Oberseite der Konsole auch noch der POWER-Schalter zum Einschalten des Systems und der RESET-Knopf, der praktisch den Nothebel darstellt und euer N64 zum Neustart veranlasst. An der Vorderseite sitzt die bei Betrieb rot aufleuchtende Kontrollleuchte, sowie vier Anschlussbuchsen für 1-4 N64 Controller. Und damit wären wir schon bei einem Vorteil der 64-Bit Kiste angelangt: Während die Konkurrenz nur auf Zweispieleraction ausgelegt war, konnte man am Nintendo64 ohne Probleme bis zu vier Controller anschließen. Bei Multiplayersessions war und ist das N64 also ein unbedingtes Muss!
 

Kommen wir zum vielleicht umstrittensten Punkt - dem N64 Controller. Okay, gleich vorweg - man liebt oder hasst ihn. Ich habe ihn in mein Herz geschlossen und kann fast von inniger Liebe sprechen. Er liegt sehr gut in der Hand und lässt sich vor allem auf bis zu drei verschiedene Arten halten.


Zumeist haltet ihr jedoch mit der Linken das Pad, steuert den Analogstick und drückt den Z-Knopf am hinteren Teil des Pads. Mit der rechten Hand werden die Buttons (A + B) sowohl die vier kleineren C-Knöpfe bedient. Selbstverständlich ist auch ein obligatorischer Startbutton zu finden, mit dem ihr euch auch in heißen Spielsituationen eine Pinkelpause gönnen könnt. Ich bin heute noch vom Controller genauso wie damals begeistert, muss mir aber leider eingestehen das sie nicht die Stabilsten sind. Gerade der Analogstick neigt nach einigen durchzockten Mario Party Nächten recht bald zum Ausleiern ... da hilft nur, sich rechtzeitig mit ausreichend Pads einzudecken oder seine N64 Pads regelmäßig zu reparieren!

Anfangs war die Konsole nur in der grauen Farbe erhältlich. Doch mit der Zeit veröffentliche Nintendo andere Farben und sogar ganz individuelle Konsolen. So war das N64 in roter oder grüner Lackierung zu haben. Besonders schick waren die transparenten Geräte, die einen Blick ins Innere der Wunderkonsole zuließen. Pokemon Fans bekamen sogar eine eigene Nintendo 64 Fassung spendiert. Die Pikachu Edition kam in zwei verschiedenen Farben (oben Blau, unten Gelb) daher. Auf der Oberseite des Systems befand sich das gelbe Lieblingspokemon, dessen linker Fuß als Reset-Knopf diente. Der Start Knopf hatte Pokemon typisch die Form eines Poke-Balls, was vor allem Fans lockte. 

Kein Wunder, waren die Sammelmonster auf dem N64 fleißig vertreten. Ganze vier Spiele fanden den Weg in den Modulschacht. Zwei davon stellen reine Arena Kampfspiele dar. In Pokemon Stadium 1 und 2 konntet ihr eure Lieblingspokemon gegen computergesteuerte oder menschliche Gegenspieler antreten lassen. Mittel Transfer Pak durften sogar Pokemon zwischen den Gameboy Spielen und den N64 Ablegern hin und her getauscht werden. Daneben gab es mit Pokemon Snap eher ein sonderbares Rail-Adventure, wo ihr mit einem Fotoapperat bewaffnet Fotos der Sammelmonster schießen konnten. Last but not least kam mit Pokemon Puzzle League ein nettes Knobbelspiel auf den Markt.

1996 kündigte Nintendo das 64DD an. Das 64 Disc Drive sollte als Zusatzerweiterung für das Nintendo 64 fungieren und so Videospielern und Entwicklern viele neue Möglichkeiten bieten. Angekündigt für März 1997, erschien das 64DD erst im Winter 1999 in Japan, und nur in Japan. Leider wurden nur sehr wenige Einheiten produziert, sodass das Zusatzlaufwerk als Flop abgestempelt wurde und nie über den großen Teich in den Westen kam. 

Obwohl viele neue Projekte geplant waren, wurden nur 9 Spiele für das 64DD veröffentlicht. Mit der Zusatzhardware konnte man aber noch viel mehr machen. So verfügte das Disc Drive über einen Internetzugang und erlaubte es, mit anderen zu chatten. Im März 2001 wurde der Service allerdings abgeschaltet. Die erhältlichen Spiele (darunter Mario Artist, Sim City 64 und das F-Zero X Expansion Kit), sowie das 64DD sind mittlerweile begehrte Sammlerstücke und bringen in diverse Foren und Online Shops eine Menge Geld ein.
 

Technische Eckdaten und Spiele

CPU: R4300i 64-Bit MIPS RISC / 93,7 Mhz
16KByte Instruktions-Cache, 8 KByte Daten-Cache

Farbanzahl: 16,8 Millionen

Standard-Farbmodus: 32.000 Farben (inkl. Hardware Dithering)

Farbtiefe: 32-Bit (inkl. 8-Bit Alpha Channel für Transparenz)

Bildschirmauflösung: 256 x 224 bis 640 x 480

Polygone: (Werte für durchschnittliche Anwendungen)
Mit allen Spezialeffekten: 2.000 Polygone pro Bild bei 60 Bildern pro Sekunde (120.000 Polygone pro Sekunde)
 

Die Spiele des N64 wurden nicht wie bei der Konkurrenz auf CD‘s ausgeliefert, sondern weiterhin auf Modulen. Dies brachte Vor- und Nachteile mit sich. So waren Module in ihrer Produktion teurer als handelsübliche CD‘s. Dadurch kostete jedes neue Game für die Konsole durchschnittlich 40 (im niedrigsten Falle) bis 60 Euro. Einen traurigen Höhepunkt erreichten Spiele von Drittherstellern wie Turok, die dank saftigen Lizenzgebühren bis zu 80 Euro (160,- DM) kosteten! Auch Importfreaks wurden durch die, im Vergleich zur Konkurrenz, horrenden Preise abgeschreckt - mit Leichtigkeit konnte ein Importspiel schonmal an den magischen 99,- Euro kratzen. Vielleicht die größte Schwäche beim N64 Paket. Auf der anderen Seite bekamen Nintendo Gamer nicht die lästigen Nachladezeiten von Playstation & Saturn zu spüren und bei vielen Spielen ließen sich Spielstände auch ohne zusätzliches Controller Pak (Memory Card) abspeichern.

2001 wurde die Software Entwicklung für das N64 eingestellt. Rund 400 Spiele erschienen weltweit, darunter 243 Titel in Europa. Obwohl die Softwarebibliothek nicht riesig ist, kann das N64 sehr viele gute Spiele verzeichnen. Rare mauserte sich als First Party Entwickler zu einer Hitschmiede, deren Spiele wie Conker's Bad Fur DayBanjo-Kazooie oder Killer Instinct GOLD in die Herzen der Fans eingingen. Auch heute noch, ganze 15 Jahre nach Release kann man Nintendos 64-Bit Maschine jedem Videospieler ans Herz legen. Vor allem für gesellige Multiplayer Abende sorgt das N64 auch in der heutigen HD Zeit. 

Userwertung
10 1 Stimmen
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Forum
  • von Retrorunner:

    LarsVegas schrieb: Wirklich erschreckend dass ausgerechnet ein J&R den besten Wellengang und die besten Wassereffekte zu bieten hat auf der PS1 Der einzige PS1 Jetski Racer der teilweise mit Wave Race mithalten konnte...

  • von Flat Eric:

    Die ist auch nicht übel, für PSX-Verhältnisse sogar Spitze. Aber Waverace nutzt es als wesentliches Gameplay-Element. Auch cool: Dieses Blast Corps Level: ...

  • von Omnibot2000:

    Damon Gant schrieb: Bei Wave Race ist die Optik der Wellen zwar grandios, aber nicht das Entscheidende. Dass ist hier einfach die absolut plausible und realistische Physik, die einen die Wellen nahezu fühlen lässt. Dass ist etwas, was bis...

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