King of Fighters 95 im Test

GameBoy

Noch bevor der hauseigene Neo Geo Pocket erschien, wollte SNK einen ihrer wichtigsten Titel auf eine Handkonsole portieren. Als dominantes System in diesem Segment fiel die Wahl, trotz schwacher Hardware, auf Nintendos Gameboy. Dabei standen Entwickler Gaibrain und Publisher Takara vor der Aufgabe, ein Spiel mit einer Modulgröße von 250 Mbit auf 4 Mbit herunterzuschrumpfen.

 

1Die in den frühen Neunzigern überaus beliebten Kampfspiele, auf dem nicht minder populären Gameboy umzusetzen, lag für die meisten Entwickler auf der Hand. Dessen eher schwächliche 8-Bit Technik machte es den Programmierern jedoch nicht gerade einfach, eine angemessene Version, der zumeist für kräftige 16 Bit Arcade Platinen entwickelten Originale, zu schaffen. Große Sprites mit vielen Animationsphasen sowie vielfältiger Angriffspalette und akkurater Kollisionsabfrage zu verbinden, war kaum möglich.
 
2Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenztiteln entschied sich Takara dafür, einen der Eckpfeiler zu vernachlässigen und dafür andere stark auszubauen. In diesem Fall finden extrem kleine und minimalistische Sprites Verwendung. Trotz deren winziger Größe von 30 bis 35 Pixeln (mehr als dreimal so groß sind sie auf dem Neo Geo und rund doppelt so groß können sie auf der Gameboy-Konkurrenz wie Mortal Kombat oder Primal Rage werden), ist es erstaunlich gut möglich, ihre Vorbilder wiederzuerkennen, obwohl sie kaum mehr als ein Fünftel der Bildschirmhöhe einnehmen. Als Ausgleich ist die Auswahl der Kämpfer, für Gameboy Verhältnisse, extrem groß. Mit ganzen 18 Charakteren (drei davon sind geheime Bosse) darf geprügelt werden. Konkurrenten wie Street Fighter II (9), Mortal Kombat 1 (8), 2 (11), 3 (10) und 4 (10), Killer Instinct (9) oder Primal Rage (6) können in diesem Punkt nicht mithalten.
 
3Genauso wenig, wie beim Thema Move-Vielfalt. Nicht nur, dass der Hyper Jump, der Ausweichschritt und der Konterschlag des Neo Geo Originals übernommen wurden, jeder einzelne Kämpfer verfügt außerdem über eine ziemlich große Anzahl an Special Moves. Besonders spektakulär ist, dass es sogar die Desperation Moves genannten Super Specials des Neo Geo-Vorbilds mit aufs Modul geschafft haben. Ein Spielelement, welches sich selbst bei Kampfspielen auf den wesentlich stärkeren 16 Bit Systemen von Nintendo und Sega eher selten wiederfindet. Nicht ausgenommen sind tatsächlich auch die Power Leiste, der Max Mode und die "Meter Management"-Elemente "Taunt" und "Charge".
 
4Gameplay:
Ebenfalls nicht selbstverständlich ist die hohe Spielgeschwindigkeit, welche der des Originals sehr nah kommt. Etwas Besonderes ist ebenso, ein gut funktionierendes Combosystem vorfinden zu können. KoF-typische Special- und Super-Cancel sind genauso möglich, wie sie Angriffskette aus Normals verschiedener Stärken. Diese werden übrigens über die Dauer unterschieden, mit der der jeweilige Knopf (A für Tritte und B für Schläge) gedrückt wird. Dieses System ist zwar nicht das präziseste, ermöglicht aber dennoch ein großes und intuitives Angriffs-Repertoire.

Am unteren Bildschirmrand befindet sich die Power Leiste, welche sich während des Kampfes allmählich lädt. Schneller geht der Vorgang vonstatten, wenn A, B und das Steuerkreuz nach unten gleichzeitig gedrückt werden (Charge). Ist die Leiste vollends gefüllt worden, aktiviert sich der Max-Mode, in welchem ihr Zugriff auf den Super Move habt. Das ist übrigens auch ohne Max-Mode der Fall, wenn euer Kämpfer höchstens noch ein Viertel seiner Lebenspunkte übrig hat. Sind beide Bedingungen erfüllt, so kann sogar ein besonders mächtiger Max Super Move ausgeführt werden, welcher den Verlauf des Kampfes noch einmal komplett drehen kann.
 
5Zwar stehen nicht alle Kämpfer des Neo Geo Vorbilds, bei der Charakterauswahl zur Verfügung, dennoch ist die Anzahl für Gameboy-Verhältnisse und deren stattliches Angriffs-Repertoire, enorm groß. Auch hat man sämtliche Neuzugänge zum Vorgänger auf dem Neo Geo, also Iori, Eiji, Billy, Saisyu und Rugal, mit untergebracht. Am interessantesten ist jedoch der exklusive Gaststar dieser Version. Nakoruru aus der äußerst beliebten, ebenfalls von SNK entwickelten, Kampfspielreihe Samurai Shodown, kann zusammen mit ihrem Greifvogel Mamahaha gewählt werden. Dass ein Charakter dieser Reihe in einem KoF spielbar ist, sollte für ganze 20 Jahre, bis zur Veröffentlichung von KoF XIV im Jahr 2016, ein Alleinstellungsmerkmal dieser Version bleiben. Sie ist dank ihrer aufwändigen Animationen und ihrem Kampfstil im Verband mit dem tierischen Begleiter, ein Highlight des Spiels.
 
6Audiovisuell kann KoF 95 nicht gerade überzeugen. Die winzigen Sprites stehen im Vergleich zur Konkurrenz in einem ganz schlechten Licht. Sowohl die ebenfalls handgezeichneten Figuren aus Street Fighter II, als auch die gerenderten aus beispielsweise Primal Rage oder Mortal Kombat 2 und 3, sehen wesentlich detaillierter aus. Auch macht es deren Größe einfacher die richtigen Entfernungen für Nahkampfangriffe abzuschätzen. Besonders schlecht sieht es auch bei den Hintergründen aus. Nicht nur, dass diese ziemlich arm an Details sind, drei der kläglichen fünf Schauplätze wurden außerdem nicht einmal denen des Originals nachempfunden. Statt den tollen Kulissen des Neo Geo KoFs, gibt es nur zwei generische Stadien und eine Art Hangar. Lediglich Rugals Hauptquartier wurde ganz passabel umgesetzt. Mit etwas Fantasie lässt sich auch die Straße vor der Spielhalle erkennen. Gegen das, in dieser Hinsicht, als Klassenprimus anzusehende Samurai Shodown, mit seinen 15 detaillierten, dem originalgetreuen Hintergründen, kann KoF 95 keineswegs glänzen. All diese Punkte fielen dem schnellen und komplexen Gameplay und der großen Charakterauswahl zum Opfer.
 
Bei den Musikstücken gab man sich etwas mehr Mühe und orientierte sich stärker am Original. Dabei sind vor allem Rugals Themen sehr gut gelungen. Da es nur drei reguläre Arenen gibt, wird man jedoch auch häufig dieselben Melodien hören müssen. Dass eben diese dann auch noch etwas langsamer sind, trügt den Gesamteindruck ein wenig.
 
7Auf dem Gameboy leider nicht unüblich, ist die Armut an verschiedenen Spielmodi. Außer dem klassischen Arcade Modus gegen die CPU, gibt es ausschließlich den obligatorischen Zweispielermodus. Beides kann aber immerhin als Team- (drei gegen drei) oder Einzelkampf gespielt werden. Manche der Konkurrenten zeigten sich in dieser Disziplin etwas spendabler. Beispielsweise bietet SF II einen Survival- und Killer Instinct einen Trainingsmodus. Gerade Letzteres wäre ob der vielen Combomöglichkeiten sehr sinnvoll gewesen. Zumindest lassen sich sämtliche Musikstücke im Optionsmenü abspielen. Auch sind die Schwierigkeitsgrade vorbildlich abgestimmt.
 
Ein paar Boni hat man beim Gebrauch des Super Gameboy mit beigefügt. So gibt es einen extra Rahmen mit Kyo, Iori, Terry und Ryo sowie ein dezent angepasstes Farbschema, was den optischen Eindruck aber kaum verbessert aber die Übersicht verbessert. Außerdem kann am SNES natürlich sofort zu zweit gespielt werden ohne, dass man ein weiteres Modul benötigt.

8Zwei Jahre später präsentierte Takara den Nachfolger auf Basis von KoF 96, mit dem Namen KoF: Heat of Battle. Es entstand auf derselben Grundlage, besaß jedoch noch mehr Kämpfer (20 an der Zahl, allerdings sind drei von ihnen Spriteklone und sind eher als Alternativversionen, denn als vollwertig eigenständige Charaktere anzusehen), einen besseren Soundtrack, bot mehr und detailreichere Hintergründe (7), welche sogar denen des Originals nachempfunden waren und dessen flexibleres und aggressiveres Gameplay. Sich heute noch für KoF 95 zu entscheiden, lässt sich eigentlich nur durch das fast komplett unterschiedliche Kämpferfeld begründen. Abgesehen von Kyo, Iori, Terry, Ryo, Mai und Athena wurden alle Charaktere ausgetauscht. Wer also am liebsten mit Benimaru, Yuri, Joe, Kim, Ralf, Heidern, Kensou, Eiji, Billy, Rugal oder Saisyu spielt, sollte KoF 95 gegenüber seinem Nachfolger den Vorzug geben. Ganz zu schweigen von der fast komplett exklusiven Nakoruru.
 
9Generell schlägt sich KoF 95 jedoch hervorragend gegen die Konkurrenz auf dieser Konsole. In Sachen Größe und Detailreichtum der Sprites haben zwar fast alle Spiele, die nicht auch von Takara veröffentlicht wurden, mehr zu bieten, jedoch sieht es bereits bei den Animationen ganz anders aus. Nicht, dass sich KoF hier mit Primal Rage oder Mortal Kombat II messen könnte, jedoch wirkt das ruckelige SF II wesentlich weniger flüssig. Außerdem haben Primal Rage und MK I stattdessen einige Probleme mit der Kollisionsabfrage bzw. der Spielgeschwindigkeit. Eigentlich hält nur MK II einem allgemeinen Vergleich stand. Denn sehr gut funktioniert nur hier die Kombination aus großen Sprites mit vielen Animationsphasen, flüssigem Spielablauf und sauberer Kollisionsabfrage. Dafür gibt es dort allerdings nur zwei Hintergründe, welche auch nicht gerade hübsch sind, neun Kämpfer (wobei ganze fünf auf nur zwei unterschiedlichen Sprites basieren) mit eher kleinem Special Move Repertoire, eine geringere Spielgeschwindigkeit und ein sehr rudimentäres Gameplay ohne echte Combos, Super Moves, Meter Management, zusätzlichen Sprüngen oder Defensivaktionen über das normale Blocken hinaus.

 

 

Andreas meint:

Andreas

Auf dem klassischen Gameboy gibt es leider kein einziges Kampfspiel, welches in jeder Disziplin überzeugen kann. Große Sprites vermag nur Mortal Kombat II mit guter Spielbarkeit zu verbinden. Ist jedoch ansonsten sehr schlicht. Andere Titel schwächeln bei kritischen Punkten wie der Kollisionsabfrage oder dem Spielfluss.
 
Takaras Philosophie weist abseits dieses Titels, die vielleicht beste Verteilung der Prioritäten auf. Über die kleinen Sprites erkauft man sich ein konkurrenzlos tiefes Gameplay und großes Kämpferfeld. Das Fehlen alternativer Spielmodi und die geringe Anzahl der eh im besten Falle durchschnittlichen Hintergründe macht sich dennoch negativ bemerkbar. Wem MK II zu langsam ist, oder sich ein tieferes Gameplay wünscht, greift am besten zu KoF 95 oder zu dessen Nachfolger. Wer dort außerdem mehr Favoriten im Kader vorfindet, sollte sich wegen einiger anderer Verbesserung jedoch eher für KoF: Heat of Battle entscheiden.

Positiv

  • Mit 18 Charakteren, sehr umfangreiches Kämpferfeld
  • Beinahe unübertroffen komplexes Gameplay im Club der 8-Bit Fighter
  • Durch Nakoruru; Crossover mit der Samurai Shodown Reihe

Negativ

  • Nur funktionale Grafik mit kleinen Sprites und 5 schwachen Hintergründen
  • Keine weiteren Spielmodi, somit auch kein Training
Userwertung
8.3 1 Stimmen
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Forum
  • von khaos:

    Das ist ja schrecklich gesielt -.- Es sieht auch so aus, als wäre die Kollisionsabrage sehr dürftig (wie auch bei vielen SNES Hacks, die ansonsten vom Thema recht cool sind). Würde stattdessen eine originale Umsetzung der Real Bout Reihe vorschlagen Ansonsten Danke für euer Lob ...

  • von suicider:

    Danke auch von meiner Seite. Finde die SNK-Ports für Game Boy Verhältnisse auch nicht schlecht. Fun Fact am Rande: Wer Interesse daran hat, sollte mal nach diversen China Hacks Ausschau halten. Gibt sogar Mark of the Wolves für Game Boy Color ...

  • von Azazel:

    Klasse Test. Werde mal die Augen nach dem Spiel offen halten.

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King of Fighters 95 Daten
Genre 2D Beat ‘em Up
Spieleranzahl 2
Regionalcode regionfree
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 1996-04-26
Vermarkter Takara
Wertung 8.3
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