Neben den selten zuvor so glattgebügelten und massenmarktorientierten AAA-Titeln von Sony, Activision und Ubisoft wirkten in jener Konsolengeneration Spiele wie Nier, Deadly Premonition und Dark/Demons Souls wie strahlende Sterne in tiefster Nacht... Oder anders herum, je nach Geschmack. Jedenfalls verkaufte sich Nier nur an wenige Leute, die ihm den bekannt hohen Status bescherten, selbst wenn es damals nur mittelmäßige Bewertungen erhielt. Dies besiegelte auch gleich das Schicksal von Studio Cavia, das anschließend von Sony geschlossen wurden.
Nachdem Automata ab 2017 für die PS4, Xbox One und den PC erschien, wird nun auch Nintendos Switch mit einer Portierung beehrt. Da es sich auf diesen Konsolen technisch ordentlich aber nicht herausragend präsentierte, schien die Idee einer Fassung, für die im Vergleich schwächere Switch, als nicht allzu kühn. Wie von vielen Multiplattformtiteln gewohnt, wurde allerdings die Bildrate von 60 auf 30 Hz und die Auflösung von 1080p auf 900p reduziert. Das ist gut zu verkraften, zumal die 60 Hz der Urfassung häufig eher zwischen 45 und 55 Hz herumpendelten, auf der Switch aber sehr stabil sind. Ruckler treten nur selten auf. Ansonsten ist das Bild scharf, die Weitsicht hoch (auch wenn weit entferne Objekte sich später aufbauen als auf der PS4) und sind Effekte wie Licht und Glanz präsent. Außerdem werden Schatten etwas grober aufgelöst und manche Textur gibt sich schwammiger. Nur falls man einen direkten Vergleich zieht, fallen all diese Punkte auf. An der glaubwürdigen Mimik der Hauptcharaktere ändert sich natürlich nichts.
So viel zum technischen Vergleich mit den Urversionen. Einen Inhaltlichen kann man leider nicht ziehen, da es trotz der großen zeitlichen Spanne zwischen den Fassungen keine zusätzlichen Gebiete, Aufgaben oder Waffen für die Switch-Spieler gibt. Lediglich ein DLC steht bereit, welcher zum einen schon in den »Become as Gods»-Veröffentlichung für die box One enthalten war und zum anderen kaum mehr als kosmetische Details für die Charaktere bereithält. Ein aktuell Switch-exklusiver DLC mit weiteren Kostümen und Bonusgegenständen lässt sich ebenfalls kostenlos herunterladen. Außerdem sind bspw. Ausweichschritte per Bewegungssteuerung (Schütteln der Switch) möglich, was ich selbst wegen des unpräziseren Timings allerdings ausgeschaltet hatte.
Für Hack and Slay-Fans ist das neue Kampfsystem, sicher eine schöne Dreingabe aber für Rollenspieler möglicherweise ein Tick zu viel. Immerhin könnt ihr euch mit günstigen beziehungsweise leicht zu findenden Gegenständen für 15 bis 30 Sekunden Boni auf eure Angriffskraft oder Widerstandsfähigkeit geben. Lang ist das nicht und so überging ich selbst häufig diese Möglichkeit und kämpfte lieber gleich drauf los, um vermeintlich Zeit zu sparen. Neben diesen kurzfristigen Stärkungen lässt sich der Androidenkörper von 2B (so der Name eurer Protagonistin) mit dauerhaften Chips ausrüsten, die verschiedenste Boni freischalten. Zusätzlich zu typischen Angriffs- und Verteidigungsverbesserungen stehen außerdem Comboresistenz, Zeitlupeneffekte oder automatisches Heilen auf dem Programm.
Zusätzlich wird der Schwierigkeitsgrad etwas durch die Massen an Heilgegenständen untergraben, die ihr findet, kostengünstig kaufen könnt und während des Kampfes schnell einnehmen könnt. Da finanzielle Investitionen selten nötig sind, könnt ihr mit 50 Heilgegenständen nahezu jeden Gegner bezwingen.
Das Kämpfen galt im Vorgänger für manchen Spieler, trotz einiger Waffen und Fähigkeiten, als zu arm an Variation. Daher entschied man sich, längere Combos und fließenden Verbindungen aus leichten und harten Schlägen einzubringen, die schick aussehen, Spaß machen und euch zum Experimentieren einladen. Statt Angriffe abzuwehren, weicht ihr in Automata lieber aus und aktiviert somit im richtigen Moment einen Konterzustand, in dem ihr kurz unverwundbar werdet und zum Gegenschlag übergehen könnt. Die Zeitspanne für einen solchen Konter ist recht lang ausgelegt. Hämmert ihr einfach die Ausweichtaste im Gegnergetümmel, ist die Chance größer, erfolgreich auszuweichen, als dass ihr getroffen werdet, was gerade zu Beginn genau dazu verlockt. Doch auch mit vielen Stärkungseffekten, verbesserten Waffen und gut sitzenden Hieben fühlt ihr euch, wegen der vorbildlichen Ausdauer der metallenen Störenfriede, selten besonders kräftig. So können die vielen Auseinandersetzungen schon mal an eurem Nervenkostüm kratzen.
Neben der Hauptgeschichte könnt ihr euch mit altbekannten Sammelaufgaben beschäftigen, die aber einen deutlich kleineren Teil ausmachen, als im ersten Nier. Dies war ebenfalls einer der schwächeren Punkte und wurden hier erfolgreich abgemildert. Auch wenn ihr bei den meisten dieser Aufgaben interessante Geschichten zu hören bekommt, sind sie zumeist genretypisch aufgebaut.
Die Spielwelt ist recht offen aber nicht so weitläufig wie bei echten Open World-Titeln, was man durchaus auch als Vorteil ansehen kann. Die meisten Gegenden sind sehr hübsch gestaltet und liebevoll aufgebaut. Vorbildlich inszenierte Lichtstimmungen, morbider Charme und Industrieromantik geben sich die Klinke in die Hand. Selten habt ihr das Gefühl, durch eine uninteressante, zu leere Welt zu laufen. Das freie Erkunden ist zwar vielerorts möglich allerdings häufig nicht sehr sinnvoll. Oft laden euch Quests ein, in die Welt zu ziehen, was mit Gegenständen, Geld, Erfahrung und vor allem spannenden Geschichten belohnt wird. Brecht ihr »grundlos« in entfernte Winkel auf, ist dies meistens nicht der Fall und später trottet ihr ein zweites oder drittes Mal die Wege ab, nachdem ihr von einem Auftraggeber gebeten werdet.
Die Musik ist wieder einmal ein Glanzstück von Yoko Taros Spiele-Makrokosmos. Mit zauberhaftem Gesang und verträumten Melodien wird Melancholie in allen erdenklichen Facetten dargeboten und trägt wie nichts anderes zum künstlerischen Charme des Spiels bei. Kaum noch muss in diesem hervorragenden audiovisuellen Gesamtbild erwähnt werden, das ebenfalls die japanischen und englischen Sprecher sowie die besonders in den Kämpfen präsenten Soundeffekte von hoher Qualität sind.
Neben der stimmungsvollen Musik sind die weiterführenden »Enden« das Herzstück des zweiten, wie des ersten Nier. Nach gut und gerne 20 Stunden läuft das erste Mal ein Abspann über den Bildschirm. Weiterspielen ist für alle Pflicht, die bis dahin auch nur ein bisschen Spaß hatten und zumindest einen gewissen Zugang zur Geschichte und den Charakteren erhalten haben. Ab hier wird in mehreren Etappen die Handlung weitergesponnen. Wer hier nur von Spielzeitstreckung und Beschäftigungstherapie ausgeht, verpasst tatsächlich einen Großteil der gesamten Spielerfahrung. Zumal hier nicht nur die Story im Zentrum steht, sondern auch das Gameplay stark erweitert wird.
Ein bisschen gefühlsduselig kann es einem manchmal aber durchaus werden. Einen gewissen Hang zum Drama sollte der Spieler besser mitbringen. Außerdem hat sich nicht jeder Handlungsstrang und jeder Charakter gleich gut in das Gesamtwerk eingefügt. Das mag einmal mehr Geschmackssache sein, aber das fokussiertere erste Nier wirkte für mich einfach stimmiger.
Der Switch-Port von Nier Automata ist ein Erfolg auf ganzer Ebene. Nicht nur wurde mit vertretbaren technischen Einbußen ein sehr überzeugendes Gesamtbild geschaffen, das auf die tragbare Konsole passt wie eine Exklusiventwicklung, sondern auch, weil das zweite Nier nichts von seinem Reiz seit 2017 verloren hat. Wer Freude an klassischen Rollenspielen mit viel Fokus auf Echtzeitkämpfen mit ausgefallener und mitreißender Geschichte hat, kommt an Automata eigentlich nicht vorbei. Bei der Musik, dem Charakter- und Welt-Design, der Inszenierung sowie der Langzeitmotivation ist es immer noch ganz stark aufgestellt. Wie bereits bei Drakengard und dem ersten Nier bleibt auch Automata mit seinen teils bitteren Wendungen noch lange im Gedächtnis. Dem gegenüber muss aber gesagt werden, dass weder das Kampfsystem noch das Missionsdesign an der Speerspitze des Genres angesiedelt sind und sich manches Spielelement nicht allzu durchdacht anfühlt.
Anhänger des Erstlings werden, trotz des neuen Entwicklers, mit vielen spielerischen, wie geschichtlichen Parallelen abgeholt und erhalten einen würdigen Nachfolger des Ausnahmetitels. Möglicherweise werden manche von ihnen, unter anderem wegen des Gesamtbildes der Handlung, der erinnerungswürdigeren Charaktere oder der märchenhaften Schauplätze, den Vorgänger als Überlegen ansehen, erfreuen sich aber dennoch an vielen Modernisierungen. Beispielsweise den eindringlichen Mimiken, dem weniger ermüdenden Quest-Design, dem variantenreicheren Kampfsystem, einigen besser geschriebenen Dialogen und natürlich der hübscheren Welt.