Und so vergingen die Jahre und ich war Zeitzeuge, wie der einst gefeierte Name zu einer Lachnummer der Branche wurde. Turok: Evolution war dann der krönende Abschluss von Acclaim, bevor die Firma pleiteging. Nach dem Wegfallen von Acclaim wanderte die Lizenz zu Touchstone und somit zu den Entwicklern von Propaganda Games, die damit ihr Erstlingswerk veröffentlichen. Und ich sage nur kurz: Trotz der Macken gefällt mir das Spiel!
Zuerst eine kurze Info am Rande: Ich mag den Dschungel und ich mag den Weltraum. Und was ein Zufall – Turok spielt in der Zukunft, wo Raumschiffe und Sternenzerstörer so normal sind wie heute bei uns Handys. Nach einem flinken Weltraumtrip landet der Indianer der Zukunft mit ein paar Kollegen auf einem Dschungelplaneten. Naja, landen würde ich das nicht nennen - eigentlich wurden die Jungs mit einer Rakete runtergeholt. Aber egal, ob ihr brennend auf der Oberfläche aufkommt und dabei eine dicke Narbe in die Planetenkruste kratzt oder einfach den roten Teppich ausrollt: Hauptsache der Held überlebt!
Aber das Wolfsrudel kam dieser Idee zuvor und hat die Hälfte der Besatzung bei ihrem Raketenangriff ins Gutenachtland geschickt. Der Rest der Marines ist nach der unweichen Landung nicht mehr davon überzeugt, den Bösewicht zu stellen. Vielmehr wollen sie alle flott ein neues Raumschiff finden und so schnell wie möglich aus dem Dschungel der Hölle flüchten.
Eines zuerst: Turok ist ein Ego-Shooter der bekannten Art. Oft allein oder mit Hilfe von gestrandeten Teamkollegen seid ihr unterwegs, um die Gegend zu erkunden, Zielobjekte zu erfüllen oder einfach zu überleben. Letzteres ist äußerst schwierig, weil neben perfekt ausgebildeten Superterroristen noch ein ganzer Dinosaurierzoo auf euch wartet, von dem alle wild darauf sind, frisches Fleisch zu mampfen. Also Waffen immer auf Schulterhöhe halten und gut umschauen, denn die Dinos sitzen im Dschungel gerne im meterhohen Gras auf der Lauer. Die meiste Zeit ballert ihr mit Standardwummen wie Maschinegewehr, Schrottflinte, Flammenwerfer, Minigun oder Raketenwerfer durch die Gegend, die bei anderen Konkurrenzprodukten um einiges besser ausgefallen sind. Einziger Lichtblick ist der Bogen mit seinen explosiven Tek-Pfeilen!
Nett ist zwar, dass ihr einige Waffen beidhändig gebrauchen könnt, aber wirklich neu ist das Feature nicht. Die Überwumme für Dinos und feindliche Soldaten ist erstaunlicherweise kein Munitionsfresser, sondern ein einfaches Messer. Sobald sich die Fleischfresser oder gegnerische Marines nähern, erscheint ein Icon auf dem Screen, woraufhin ihr reagieren müsst. Dann heißt es zurücklehnen und opulente Stealthkills bewundern! Werdet ihr von einem Raptor zu Boden geworfen, kommt ein Minispiel zum Einsatz, bei dem ihr wild vorgegebene Buttons drücken müsst. Was zwar alles ganz cool aussieht, aber das Balancing total über den Haufen wirft! Obwohl ihr euch in einer Dschungellandschaft bewegt, ist die Bewegungsfreiheit recht eingeschränkt. Meist folgt ihr immer nur einem Weg, der ab und zu eine Verzweigung bietet. Trotz dieses Mankos ist das Terrain relativ abwechslungsreich. Klassische Bosskämpfe gibt es leider nicht zu verzeichnen. Gelegentlich kommt ein dicker Vertreter der Gattung Feind (T-Rex, Spider-Tank) auf den Plan, wobei die Atmosphäre dann auch gleich nach oben schießt.
Fast jede Waffe verfügt über einen sekundären Feuermodus, dieser muss aber erst gefunden werden. Das Optionsmenü, wo ihr die Steuerung zuweist, zeigt dieses Feature nicht an. Am unteren Rand steht nur eine kleine Randnotiz, dass die Shift-Taste in Kombination mit gewissen Mausknöpfen einen anderen Feuermodus abfeuert. Ist das bei der Maschinepistole noch recht einfach, werdet ihr mit der Snipergun schnell durcheinanderkommen und euch dadurch selbst eine Kugel verpassen.
Die Kämpfe, entweder mit menschlichen oder tierischen Gegnern, sind zweischneidig: Auf der einen Seite bestechen die Feuergefechte gegen Söldner durch ihre Normalität, während die Dinokämpfe oft packend sind. Das kommt durch die Bewegungsmerkmale! Während Kanes Wolfsrudel wie Deppen in der Umgebung rumstehen, umzingeln euch Raptoren und greifen von allen Seiten an. Unter der grafischen Haube von Turok arbeitet die Unreal Engine 3, die Kenner sofort bemerken. Somit sehen alle Levelpassagen prinzipiell gut aus, Grafikgranaten wie Gears of War oder Unreal Tournament 3 werden dabei aber nicht überholt. Auch hier sind die Dinos wieder die Stars im Spiel, denn so liebevoll modelliert und animierte Kreaturen werdet ihr nirgends finden. Die Dschungellandschaft ist äußerst detailverliebt, denn von im Wind wiegendem Gras bis über die dichte Vegetation bekommt das Auge etwas geboten. Was im Allgemeinen schwächelt, ist die Texturqualität der Areale. Der Sound ist im englischen Original durch fantastische Sprecher synchronisiert, während die deutsche Sprachausgabe wiedermal die zweite Geige spielt.
Im Multiplayersektor verbucht Turok wenig Neues! Neben (Team)-Deathmatch, CTF und Coop-Misionen gibt es nichts Neuartiges zu berichten. Vielmehr ist der Mehrspielermodus durchweg schlechter als der Einzelspielermodus. Das liegt leider am Waffenbalancing (ich sage nur »Messer«) und dem Kartendesign, was einfach zu groß geraten ist. Somit verbringt ihr Minuten, bis ihr Mal einen Feind findet und meistens beißt ihr selbst schon ins Gras, weil der Gegner von hinten angeschlichen kommt und euch mittels Steathkill über die Klinge springen lässt. Dann ist die Qualität der Server unter dem Durchschnitt, wodurch es oft zu Verbindungsproblemen und Lags kommt. Zu guter Letzt gibt es keine freie Serverwahl, denn eine Suchfunktion sucht nach einem offenen Spiel und wirft euch sofort ins Geschehen, obwohl ihr vielleicht einen anderen Server bevorzugt.
Natürlich habe ich mir mehr von Turok erhofft, aber trotzdem wurde ich nicht wirklich enttäuscht. Der Titel ist grundsolide mit ordentlicher Technik, schön texturierten Sauriern und auch die Story kommt nicht zu kurz. Wären nicht all die kleinen Designpatzer wie Speicherproblem, Mehrspielermodus und sekundärer Feuermodus vorhanden, wäre sicher mehr drin gewesen. Dennoch kann ich die teilweise schlechten Wertungen anderer Redakteure nicht verstehen.