WonderSwan im Westen - Vergebene Handheld Revolution? im Test

WonderSwan

Handheldmarkt im Dornröschenschlaf. Zwischen 1990 und 2000 dominierte Nintendo mit dem GameBoy alles und jeden, die Konkurrenz (SEGA, Atari, .. ) holte sich reihenweise blutige Nasen. Gegen Ende des Jahrzehnts wagten SNK und Bandai die Attacke auf den Riesen, doch dem Angriff ging nach kurzer Zeit die Puste aus. War es ein Fehler von Bandai, ihren Handheld WonderSwan nicht außerhalb Japans zu veröffentlichen? Hätte ein Release im Westen eine breitere Hardwarebasis schaffen können, die dem Handheld seine Nische gesichert hätte?

wonderswan_tokyogameshowNiemand Geringeres als Gunpei Yokoi werkelte mit seiner Firma Koto für Bandai am neuen Handheld, bevor ein tragischer Autounfall Yokoi aus dem Leben riss. Er erlebte die Markteinführung des WonderSwan am 4. März 1999 nicht mehr. Mit einem Kampfpreis von nur 6800 Yen (ca. 50 Euro) gelang es Bandai nach unterschiedlichen Angaben 8-10% des japanischen Handheld-Markts zu erobern. Schon damals stand eine Veröffentlichung im Westen im Raum. Spätestens als Squaresoft ankündigte, seine Final Fantasy Remakes exklusiv für den WonderSwan zu veröffentlichen, entwickelten auch Europäer & Amerikaner Interesse am Handheld. Es tauchten wiederkehrende Gerüchte über einen bevorstehenden US-Release auf. Insbesondere ein Name wurde genannt: der des Spielzeugkonzerns Mattel, Inc.

Seit der Veröffentlichung der Intellivision Konsole war Mattel immer wieder im Videospielbereich engagiert. Ende 80er bis Mitte der 1990er Jahre koordinierte Mattel die Distribution von Nintendo Produkten in Kanada (bis 1990), Großbritannien (bis 1990), Australien (bis 1994). Der Firma besaß also nicht nur Erfahrung, sondern auch ein exzellentes Vertriebsnetz, dessen Außendienstmitarbeiter in vielen Kaufhäusern und Spielwarenläden der USA & Europa zu Hause waren. Am 21. Juli 1999 gab Bandai eine Pressemitteilung heraus, in der eine abgeschlossene „global business alliance and an investment alliance“ mit Mattel gefeiert wurde. WonderSwan Besitzer im Westen jubelten - das konnte doch nur den Vertrieb des WonderSwan im Westen bedeuten, oder?

Offenbar nicht. Obwohl sehnlich erwartet, erfolgte niemals eine Ankündigung. Gerüchten zufolge gab es Probleme mit der Veröffentlichung der Anime Spiele im Westen. Serien wie One Piece, Mobile Suit Gundam, Naruto, InuYasha oder Detektiv Conan bildeten aber gefühlte 80% des WonderSwan Line-up. Während sich in Japan die Lizenzen der Spiele in den Händen zweier Firmen (Shopro und Shonen Jump) befanden, sollen die Nutzungsrechte in den USA sehr weit verstreut gewesen sein. Ein ähnliches Problem, wie es Nintendo mit Jump Ultimate Stars für Nintendo DS hatte. Mattel hätte zum Release demnach nur wenige, unbekannte Spiele wie Wonder Stadium oder Densha de Go auf den Markt werfen können. Leider wollten weder die PR-Abteilung von Bandai noch von Mattel eine Anfrage zur Lizenzproblematik kommentieren. (Oder erinnern sich schlicht nicht mehr, was WonderSwan war ...)

Wonderswan_ColorAus meiner Sicht als Videospieler ist der nie erfolgte Release im Westen äußerst bedauernswert. Anime und Manga Fans hätten hier ihren Handheld bekommen und eine loyale Fanbase begründet. Ungewöhnliche Spielkonzepte wie Engacho! oder Rhyme Rider Kerorican und Umsetzungen von Erfolgsserien wie Rockman (Mega Man) oder Makaimura (Ghost 'n Goblins) hätten Videospielfreaks zum Kauf animiert.

Hinzu kam die Offenheit des Handhelds für Hobbyprogrammierer: Bandai unterstützte offen Homebrew Entwicklungen für den Handheld und veranstaltete einmal jährlich sogar den so genannten WonderWitch Contest, bei dem die besten Eigenentwicklungen prämiert wurden. Einige dieser Spiele wurden später sogar offiziell veröffentlicht, wie das bekannte Judgement Silversword oder Dicing Knight. Sogar ein Famicom Emulator existiert. Dazu gab es technische Spielereien wie den WonderBorg, einen programmierbaren Mini-Roboter im Käfer-Look.

Und dann war da die günstige Marktsituation: Das allgemeine Interesse am GameBoy Color war gering und der GameBoy Advance sollte erst 2001 auf den Markt kommen. Man hätte das Gerät in der Zwischenzeit als hippe Alternative zum Nintendo Einheitsbrei anbieten können. Quasi als offene Plattform. Um dann schließlich in einer weiteren Generation den Frontalangriff auf Nintendo zu wagen. Eine ähnliche Strategie, wie sie beispielsweise Microsoft mit der Xbox und Xbox360 anwandte. Ebenso wie Redmond verfügte auch der Spielzeugkonzern Bandai über die notwendigen finanzielle Reserven - allerdings mit einer risikoscheuen Führung. Die wartete ab und stampfte 2003 das Projekt WonderSwan komplett ein, nachdem die Unterlegenheit gegenüber dem GameBoy Advance immer deutlicher wurde. Die Chance zur Frontalattacke war da - doch man zögerte. Der Rest ist Geschichte. Der WonderSwan - die Handheld Revolution, die niemals stattfand.

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Forum
  • von ONOX2:

    Alles Lügen, Blödsinn, geqirllter Mist....Das würde ich am liebsten sagen, aber ich weis es ja auch besser. Nach dem Desaster mit dem Pippin hat Bandai wohl Angst im Videospielgeschäft was zu wagen. Nach allem was ich weis ware es zwei Faktoren die den WOnderswan komplett gekippt haben. Der...

  • von Goldeneye:

    Für uns ist es natürlich schade, klar konnte der Gameboy Color noch einmal einen Riesenabsatz kurz vor Ende feiern (Pokémon Chrystal), dennoch ist es schade dass, wie der Auto des Artikels angemerkt hat, scheinbar keine Risikobereitschaft in den entsprechenden Etagen gewesen ist. Wäre sicherlich...

  • von atari_afternoon:

    Ich mag dem WS optisch sehr und bin seit vielen Monaten am Überlegen. Letztlich ist mir der NGPC aber viel lieber und "vertrauter" aus den bekannten Gründen...billiger (im Vergleich zum WS Crystal), muss nicht aus JPN importiert werden, es gibt genug NICHTjapanische Spiele. Trotzdem,...

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