Unreal Tournament im Test

PlayStation2
Selten musste man auf die PAL-Version eines PS2-Titels so lange warten wie im Fall von Unreal Tournament. Während die Amis schon seit über sechs Monaten ihren Spaß mit dem blutigen Spektakel hatten, kamen wir erst im April 2001 in den Genuss eines der bekanntesten Ego-Shooter aller Zeiten. Auf dem PC war das Game zwar zu diesem Zeitpunkt bereits ein Oldie, gehörte aber immer noch zur Standardausrüstung bei jeder Netzwerkparty oder durchzockten Nacht im Internet. Ob die Konsolenversion des Multiplayergemetzels auch ohne Modemunterstützung überzeugen kann, erfahrt ihr in diesem Review.

Die PC-Ego-Shooter-Legende erobert die PS2.


Eine richtige Story hat Unreal Tournament nicht. In einer düsteren Zukunft treffen sich moderne Gladiatoren in Kampfarenen und versuchen sich mit Hilfe einer Vielzahl von Waffen das Lebenslicht auszupusten. Erst wenn man in diversen Wettbewerben sein Können unter Beweis gestellt hat, wird man zum Champion des blutigen Wettkampfs gekrönt.

Hinter den neugestalteten und sehr übersichtlichen Menüs verstecken sich altbewährte Modi. Nachdem man aus den knapp zwei Dutzend Kämpfern und Kämpferinnen, von denen die Hälfte erst freigespielt werden muss, seinen Favoriten gewählt hat, kann man seine lange und harte Einzelspieler-Karriere beginnen. Im Deathmatch geht es einzig und allein darum, als erster eine bestimmte Anzahl von Abschüssen zu erreichen, um ins nächste Level vorzudringen. Die anderen Spielvariationen, die teilweise erst freigeschaltet werden müssen, sind etwas gehaltvoller und bieten trotz der Baller-Thematik ausreichend Platz für taktische Überlegungen. Im Capture the Flag-Modus spielt man zusammen mit bis zu drei Bots (computergesteuerte Charaktere) gegen ein gleichgroßes gegnerisches Team. Das Ziel ist es, in das feindliche Lager einzudringen, die Flagge zu stehlen und diese zur eigenen Basis zu befördern. Da man nur punkten kann, wenn auch das eigene übergroße Taschentuch an seinem Mast flattert, kommt es zu herrlich hektischen Verfolgungsjagden.


Mehr als nur hohles Geballer: der Kampf um bestimmte Kontrollpunkte erfordert auch taktisches Geschick.


Der Domination-Modus basiert auf einer ähnlichen Grundidee. Allerdings muss hier versucht werden, stationäre Objekte einzunehmen und zu bewachen. Wenn man es schafft, die Punkte lange genug zu halten, gewinnt man die Runde. Abgerundet wird der Ballerspaß durch den Assault-Modus. Hier schlüpft man abwechselnd mit seinen virtuellen Teamkameraden in die Rolle der Verteidiger oder Angreifer. Meistens geht es darum, wichtige Maschinen zu zerstören oder bestimmte Punkte zu erreichen. Nachdem man alle Aufgaben gemeistert hat, wird getauscht und man muss versuchen, das gegnerische Team an der Erfüllung der Mission zu hindern. Schafft man es, die Feinde länger abzuwehren, als man selbst gebraucht hat, um das Level zu beenden, gewinnt man. Wenn man mit computergesteuerten Verbündeten spielt, kann man diesen auch einige Befehle erteilen, die sie bedingungslos befolgen. Je nachdem, wie groß eine Arena ist, tummeln sich bis zu sieben Bots auf dem Schlachtfeld und machen dem Zocker das Leben schwer. Stellt man einen hohen Schwierigkeitsgrad ein, agieren die Feinde sehr intelligent und zielen sehr viel besser. Sehr selten sieht man einen Bot, der direkt vor einer Wand steht und plötzlich anfängt, seine Magazine zu entleeren oder ähnliche Verhaltensauffälligkeiten zeigt.


Der wichtigste Bestandteil von Unreal Tournament ist eindeutig die Möglichkeit, einige der bereits genannten Modi im Splitscreen mit bis zu drei Freunden zu spielen. Traurigerweise darf man sich hier nicht in allen der über 50 Einzelspieler-Arenen messen, sondern bekommt nur einen Bruchteil vorgesetzt.


Für Abwechslung wurde gesorgt. Die vielen Arenen bieten Ballerfreaks Platz zum Austoben.


Der Trainingsmodus ist nicht nur zur Übung gedacht, sondern ein wichtiger Bestandteil des Spiels. Hier können alle bereits freigeschalteten Levels unter verschiedenen Bedingungen bestritten werden. Sechs sogenannte Mutators stehen zur Verfügung, die teilweise große Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben und sich auch kombinieren lassen. Man kann beispielsweise die Geschwindigkeit um 50% verringern, allen Charakteren Superwaffen in die Hand drücken oder auch die Schwerkraft beeinflussen. Leider lässt Unreal Tournament hier auch einige Schwächen erkennen. Man hätte sich einfach wesentlich mehr Einstellungsmöglichkeiten gewünscht.

Wenn man zu seinem ersten Deathmatch antritt, wird man einen mittelschweren Schock erleiden, Unreal Tournament verfluchen und für unspielbar erklären. Das liegt aber nur daran, dass die voreingestellte Steuerung unglaublich mies ist. Sobald man allerdings die Sensibilität der Analog-Sticks richtig eingestellt und eine andere Belegung gewählt hat, wird schnell klar, das man sich auch ohne Maus und Tastatur problemlos durch die Arenen bewegen kann. Nach einer relativ kurzen Einarbeitungsphase wird auch das Zielen eine Aufgabe, die man gut bewältigen kann. Allein das Schießen auf Gegner, die sich auf einer höheren Ebene positioniert haben, bleibt immer etwas knifflig. Dank der zwei Analog-Sticks des PS2-Controllers lässt sich Unreal Tournament noch ein wenig besser steuern als auf Dreamcast. Wer sich trotz allem nicht mit der Idee anfreunden kann, einen Ego-Shooter mit dem Joypad zu spielen, der darf auch eine USB-Maus samt Keyboard anschließen und das Spiel auf die klassische Art bestreiten.


Ein doppelter Abschuss ist in Ego-Shootern immer ein Grund zur Freude.


Zu den Stärken des Spiels gehören ganz eindeutig die interessanten Waffen und die abwechslungsreichen Arenen. Jedes Vernichtungswerkzeug kann auf zwei verschiedene Arten abgefeuert werden. Normalerweise gibt es einen direkten Schuss und einen, der dem Spieler ein wenig mehr Können abverlangt, dafür aber wesentlich mehr Schaden anrichtet. Leider zeigt sich einmal mehr die Unterlegenheit der PS2-Version, wenn man das allseits beliebte Sniper-Gewehr einsetzen möchte. Benutzt man hier das Zielfernrohr, das es erlaubt, auch Feinde in großer Entfernung mit einem punktgenauen Treffer auszuschalten, muss man feststellen, dass viel zu langsam an den anvisierten Punkt herangezoomt wird. Die schnellen und herrlich gemeinen Aktionen, die man aus der PC-Fassung kennt, sind somit unmöglich. Insgesamt kann die Anzahl und das Design der Waffen aber voll überzeugen . Von der Kettensäge bis zu einer absolut übertriebenen Monsterkanone, die tatsächlich eine Mini-Atombombe abfeuert, wird hier alles geboten, was das Spielerherz begehrt. Durch eine Handvoll Extras wie Rüstungen und neue Energie wird das Angebot an Items abgerundet. Auch die Arenen wissen immer wieder zu überraschen und variieren stark in der Größe, wodurch einige Levels eine spezielle Taktik erforderlich machen. Das “unwirkliche Turnier“ wird so ziemlich überall ausgetragen, wo genügend Platz für ein nettes Gemetzel ist. Sowohl futuristische Raumschiffe als auch altertümliche Burgen darf man hier bestaunen.

Grafisch hinterlässt das Spiel einen gemischten Eindruck. Die Ähnlichkeiten zur Dreamcast-Version sind so deutlich zu erkennen, dass man gar nicht glauben kann, dass die vorliegende Fassung von einem anderen Entwicklerteam programmiert wurde. Erst eine Suche im Netz klärt das Mysterium der Unreal-Zwillinge auf. Zwischen Epic, die für die PS2-Umsetzung verantwortlich waren, und den Dreamcast-Spezialisten von Secret Level hat nämlich ein reger Austausch von Informationen stattgefunden, da beide ohnehin für Infogrames entwickeln. Während das Ergebnis auf Segas Konsole absolut erstaunlich ist, hätte man der PS2-Fassung doch etwas mehr zugetraut. Zwar ist Unreal Tournament alles andere als hässlich, aber dass auch auf der Sony-Hardware wesentlich hübschere Texturen möglich sind, haben bereits viele Titel gezeigt. In den Einzelspieler-Modi gibt es an der Framerate eigentlich nichts auszusetzen. Äußerst flüssig kann man seinen Helden durch die Gänge steuern und nur wenn wirklich viel auf dem Bildschirm passiert kommt es zu kleinen Ruckeleinlagen, die aber kaum auffallen. Allerdings wird das Problem mit zunehmender Anzahl von Zockern deutlich schwerwiegender. Zwar ist das Game auch zu viert noch gut spielbar, aber durch teilweise recht deutliche Einbrüche der Framerate wird der Spielspaß von Zeit zu Zeit etwas getrübt. Die Charaktere sind detailliert und die Animationen sind kaum von denen der PC-Version zu unterscheiden. Auch bei den vielen Explosionen und Waffeneffekten muss man nur kleinere Abstriche in Kauf nehmen. Insgesamt bleibt UT ein optisch ansprechendes Spiel, dass aber kaum für offene Münder sorgen dürfte.


Alle Waffen haben ganz eigene Vor- und Nachteile. Die Bio Rifle wird zwar von Neulingen schnell als Schrott weggeworfen, kann aber in den richtigen Händen extrem gefährlich sein.


Die altbekannte Mischung aus mittelschnellen Techno-Beats und düsteren Melodien passt immer noch perfekt zu einem Spiel wie diesem. Auch die Soundeffekte sorgen für Atmosphäre. Eine besonders drastische Änderung seit dem US-Release des Spiels hat es bei der Sprachausgabe gegeben. Die markigen Sprüche wurden tatsächlich ins Deutsche übersetzt. Jeder der harten Jungs und Mädels hat ein paar Kommentare, die er in bestimmten Spielsituationen zum Besten gibt. Allerdings wurden einige sehr merkwürdige Entscheidungen bei der Übersetzung getroffen. So kommt es schon mal vor, dass die ein oder andere Gegnerin ermutigende Worte findet, nachdem sie die Körperteile unseres Helden über den Fußboden verstreut hat. Die Sprachausgabe ist außerdem sehr dumpf ausgefallen und manchmal nur schwer zu verstehen. So weiß ich bis heute nicht, ob einer der Feinde tatsächlich “Drecksau“ sagt, wenn man ihn aus den Schuhen ballert.


Rot gegen Blau! Eines der klassischen Duelle der Videospiel-Geschichte.


Obwohl Unreal Tournament im direkten Vergleich mit der PC-Version in vielen Bereichen klar den Kürzeren zieht, hat die PS2-Fassung auch einige Vorteile, die einen Kauf rechtfertigen. Vor allem die diversen Multiplayer-Modi können trotz einiger technischer Mängel voll überzeugen. Ohne mehrere PCs zu vernetzen, was eigentlich immer länger dauert als man denkt, kann man durch den Anschluss eines Multitab und genügend Joypads mit minimalem Aufwand gegen drei Freunde antreten. Ein großer Fernseher ist natürlich Pflicht, wenn man die Zocknacht ohne Augenschäden überstehen will. Der Split-Screen-Modus sollte nicht unterschätzt werden, da er den ein oder anderen Netzwerk-Veteranen zum Umdenken zwingt. Wenn man es schafft, trotz des hektischen Spielgeschehens ab und zu einen Blick auf die Bildschirmteile seiner Gegner zu werfen, hat man bei guter Kenntnis der Karten erhebliche Vorteile im Spiel. PC-Zocker werden sich schon häufig über diese Feiglinge geärgert haben, die sich eine gute Position sichern und jeden mit dem Sniper-Gewehr ausschalten. Auf der PS2 sind solche Aktionen nicht mehr so einfach durchzuführen. Außerdem wird das Spiel wesentlich kommunikativer, wenn man nicht vor verschiedenen Monitoren sitzt. Vor allem der Capture-The-Flag-Modus lädt dazu ein, seinen Partner zu Hilfe zu rufen, wenn man von den gegnerischen Spielern unter Beschuss genommen wird.

Mehr als schade ist, dass die PAL-Version nicht über den i.link-Modus verfügt, der es Spielern in den USA ermöglicht, zwei Konsolen zu verkabeln und an mehreren Bildschirmen gegeneinander anzutreten. Bei einem Game, dessen Stärken ganz klar im Multiplayer-Bereich liegen, ist so etwas absolut unverzeihlich und führt zu einer Abwertung. Zwar nutzen wohl die Wenigsten die Netzwerk-Möglichkeiten der PS2, aber zu wissen, dass man es könnte, wäre auch schon ein nettes Feature.


In der Welt von UT riskieren die Kämpfer alles, um das mysteriöse X zu kontrollieren.

Tim meint:

Tim

Während man dank dem indizierten Konkurrenzprodukt inzwischen weiß, dass auch Konsolen-Shooter in technischer Hinsicht wesentlich eindrucksvoller präsentiert werden können, kann man Unreal Tournament die spielerische Qualität nicht absprechen, die den Sprung vom PC fast unbeschadet überstanden hat. Trotz fehlender Story und etwas wenig Optionen macht jeder Modus sehr viel Spaß. Multiplayer-Highlights wie Capture the Flag sind Garanten für viele spannende Stunden vor der PS2 und auch dem Einzelkämpfer bietet das Game eine erstaunlich hohe Langzeitmotivation. Man sollte versuchen, nicht darüber nachzudenken, warum die PAL-Version mehrmals verschoben wurde, nur um uns deutschen Zockern den i.link-Modus zu klauen. Das macht nur depressiv!

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Unreal Tournament Daten
Genre Ego-Shooter
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 20.04.2001
Vermarkter Infogrames
Wertung 8
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neXGam YouTube Channel
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