

Die Geschichte von Dragon Quest IX versetzt den Spieler in die Rolle eines Schutzengels, die im Spiel als die Himmlichen bezeichnet werden. Unter den wachsamen Augen des Ausbilders Aquila liegt es an unserem namenlosen Helden, für das Wohl des Dorfes Engelsfälle zu sorgen. Die Bewohner des verschlafenen Nests wollen beschützt und unterstützt werden. So ist sich der junge, für Menschen unsichtbare Engel nicht zu schade verlorene Gegenstände zu suchen oder auch den Stall eines Farmers von Pferdemist zu befreien. Der Dank sind Gebete, symbolisiert durch so genanntes Benefizit. Dieses bieten die Himmlichen regelmäßig dem Weltenbaum Yggdrasil dar damit er Gottesfrüchte tragen und die Himmlichen so in das Reich des Allmächtigen bringen kann.
Als euer Held das Benefizit dargebieten möchte, taucht ein geheimnisvoller, fliegender Zug auf. Augenblicklich verdunkelt sich der Himmel und eine böse Macht erschüttert das schwebende Reich der Himmlichen. Unglücklicherweise stürzt unser Held in die Tiefe und verliert dabei auch noch seine kleinen Engelsschwingen und den Heiligenschein. Die Geschichte geht weiter, als der im wahrsten Sinne des Wortes gefallene Engel sich langsam mit dem Leben als Mensch in Engelsfäle eingerichtet hat. Anstatt ein ruhiges Leben führen zu können, wird er bald in ein Abenteuer verwickelt, das ihn zum genannten Zug des unglückseligen Tages und in das Abenteuer seines Lebens führt. Soviel zur grundlegenden Handlung. Nun zum Spiel an sich und dem was sich verändert hat (oder eben auch nicht).


Auffällig ist erst einmal die für DS-Verhältnisse hervorragende 3D-Grafik. Zwar weit vom Detailgrad des Vorgängers entfernt, lässt Dragon Quest IX hier doch die allermeisten anderen Spiele für das System locker hinter sich. Wichtige Charaktere sind als leicht deformierte Polygoncharaktere im Cel-Shading-Stil dargestellt. Dabei sieht das ganze noch eine Spur besser aus als beim ähnlich gearteten Dragon Quest Monsters: Joker. Nebencharaktere wie zum Beispiel die obligatorischen Stadtbewohner werden, wohl um Framerate-Einbrüche zu verhindern, aber leider als äußerst spärlich animierte Sprites dargestellt.
Die Kamera, die das Geschehen in einer leicht abgeflachten Draufsicht präsentiert, lässt sich an den meisten Orten drehen, allerdings nicht um 360°. Die Orte selber sind denen der Remakes von Dragon Quest IV und Dragon Quest V nicht unähnlich: schön bunt und verspielt, allerdings deutlich detaillierter. Eine 2D-Weltkarte gibt es diesmal nicht mehr. Anstelle dessen bewegt man sich auch auf der Oberwelt durch 3D-Landschaften. Diese hat keinen -in anderen Spielen bekannten- stark verkleinerten Maßstab, ist aber hardwarebedingt nicht allzu riesig. Final Fantasy XII-Spielern wird die in kleinere, getrennte Abschnitte unterteilte Welt bekannt vorkommen.


Dem Haupthelden der Geschichte trappeln auch bis zu drei Gefährten jederzeit hinterher. Desweiteren sind Wald und Wiesen belebt von zahllosen umherstreunenden Monstern, und das ist auch eine der wesentlichsten Neuerungen, die die meisten westlichen Zocker erfreuen dürfte: Zufallskämpfe sind passé. Jedes streunende Monster repräsentiert mitunter eine ganze Gruppe von Gegnern. Wer eines berührt, bekommt es vielleicht mit nur einem oder aber auch mit fünf der garstigen Gesellen zu tun. Doch abgesehen von der Art, wie ein Kampf ausgelöst wird, hat sich nicht viel geändert. Immer noch wird in einen speziellen Kampfbildschirm umgeblendet und das rundenbasierte Kampfsystem gleicht dem sämtlicher Vorgänger. Da werden brav über altbekannte Menüs Kommandos gegeben und danach zugeschaut, wie sich Monster und Helden gegenseitig die Birne weichklopfen. Sah man in allen Teilen bis auf den Vorgänger nur die Monster, ist nun auch die eigene Truppe in Aktion zu sehen. Dabei bleiben die Recken auch nicht in Reih und Glied stehen, sondern bewegen sich quer über den Kampfschauplatz um ihre Hiebe zu platzieren. Das bringt keine spielerische Veränderung mit sich, aber unterstützt einfach die Spannung. Neu ist lediglich, dass für mehrere hintereinander gelandete Treffer ein Combo-Zähler eingebaut wurde, der den Schaden des folgenden Angriffes leicht anhebt. Und trotz der vielen Animationen ist das Kampfgeschehen immernoch recht flott, wenn auch nicht ganz so sehr wie früher. Von Yuji Horii angekündigt, stellt sich Dragon Quest IX auch tatsächlich als stilistischer Nachfolger des in Japan extrem populären dritten Teils dar. Wie auch damals bietet der aktuelle Seriensprößling keine vorgegebenen Charaktere. Vom Haupthelden am Anfang bis hin zu den in einer Taverne rekrutierbaren Partymitgliedern darf Jedermann selbst erstellt werden. Diese Einstellungsmöglichkeiten erinnern an ein (eingeschränktes) MMORPG. Körpergröße, Gesicht, Haare, Charakterklasse, all das ist dem Spieler überlassen. Allerdings wären hier mehr Optionen noch besser gewesen. Und da man sowieso schon das Aussehen selbst bestimmt, wurde auch gleich ein in JRPGs nahezu unbekanntes Feature eingebaut: sichtbare Ausrüstung. Es ist eines dieser unerklärlichen Phänomene, das in den fernöstlichen Vertretern der Rollenspielzunft fast nie ein Unterschied zu sehen ist. Ob man nun ein billiges Hemd trägt oder aber eine extrem teure Rüstung aus Drachenschuppen. Sicher auch in Hinsicht auf westliche Spieler geht hier Dragon Quest IX den richtigen Weg und macht jede Waffe und jede Rüstung am Charakter sichtbar. Und natürlich bringt das Spaß! Wer rennt nicht gerne mit einem selbst gestylten Helden durch monsterverseuchte Dungeons?
Leider bringt dieses System auch einen großen Nachteil: die selbsterstellen Charaktere, egal ob Haupt- oder Nebencharakter sind total seelenlos. Kann man beim Hauptcharakter noch ein Auge zudrücken und argumentieren, dass er ein gefallener Himmlicher ist und den gegebenen Umständen auf den Grund gehen will, gestaltet sich die Persönlichkeit der Nebencharaktere wie ein leerer Karton. Diese kommen nämlich ohne Hintergrundgeschichte oder persönliche Motivation daher und so ist es nicht verwunderlich, dass man sich absolut nicht um die eignene Partymitglieder schert. Das hätte man doch besser lösen können, denn so fehlt ein großer Aspekt japanischer Rollenspiele: die individuellen Persönlichkeiten der Charaktere.


Ebenfalls in Teil 3 eingeführt, feiert auch das Jobsystem sein Comeback. Sechs Klassen stehen anfangs zur Verfügung; später kann man in einem bestimmten Tempel dann Jobs beliebig wechseln. Doch wer bessere Professionen als die aus dem Standardrepertoire sein Eigen machen will, der muß sich beweisen: Für jeden der fortgeschrittenen Berufe muß eine besonders schwere Quest gelöst werden. Und noch dazu ist der Charakterlevel Berufsabhängig! Wechselt ein Level 16-Barde in die Krieger-Klasse, wird wieder bei Level 1 begonnen. Darin dürfte auch ein Teil des von Yuji Horii angesprochenen hohen Schwierigkeitsgrades liegen. Wirkt das Spiel anfangs noch perfekt ausbalanciert, muß sich später ranhalten, wer tiefer in die Welt von Dragon Quest IX eintauchen möchte! Unabhängig vom Job kann man auch nach dem Level-up Fertigkeitspunkte verteilen. Wie in Teil 8 werden so der Umgang mit den Waffengattungen sowie Statuswerte zusätzlich verbessert. Und diese Verbesserungen bleiben auch nach dem Jobwechsel erhalten.
Generell ist Dragon Quest IX mehr ein Spiel mit einer offenen Welt als eines, bei dem man an einem roten Faden die Story entlangeführt wird. Über 200 Quests wollen erledigt werden. Ein Grund dafür ist der Multiplayer-Modus, bis zu vier Spieler können sich zusammentun um gemeinsam schwierige Aufgaben zu lösen. Ist man selbst zu schwach, kann man also jederzeit seinen besser trainierten Kumpel um Hilfe gegen einen scheinbar unbesiegbaren Boss bitten. Wäre alles storygebunden wäre so etwas schwer umsetzbar gewesen. Zwei Nachteile hat der Mehrspielerspaß allerdings: WiFi wird nicht unterstützt! Nur lokal und im Multikarten-Spiel kann man mit Freunden Quests annehmen. Wen das WiFi-Zeichen auf der Packung irritiert: Online lassen sich bei Square-Enix neue Items und sonstige Inhalte aufs Modul holen. Beispielsweise kann man so seltene Zutaten für den aus dem Vorgänger bekannten Alchemiekessel bekommen.
Waren also die Befürchtungen der Traditionalisten berechtigt? Jein.
Dragon Quest IX bietet viel Neues. Aber das ist nicht unbedingt schlecht. Das Spiel ist als Handheld-Spiel konzipiert worden, und diese hervorragende Gelegenheit wurde genutzt um die etwas antiquiert wirkende Reihe endlich von der ein oder anderen Mottenkugel zu befreien. Zufallskämpfe sind kein Verlust, Monster spawnen ständig nach, Grinding-Süchtigen wird genug Möglichkeit ihrer Kampfeslust zu fröhnen geboten. Einzig die Charaktergenerierung trägt zu einem leichten Beigeschmack bei, da sie keine spezifischien Charaktergeschichten erlaubt. Der Mehrspielermodus ist wahrlich gelungen und für viele vielleicht der Kaufgrund schlechthin, da sie dann gemeinsam in der Welt von Dragon Quest Abenteuer erleben könne. Doch auch Solisten kommen voll und ganz auf ihre Kosten. Der leichtere Einstieg ins Spiel mag Puristen verärgern, insbesondere das jeder Ort inklusive Dungeons eine von Anfang an aufgedeckte Karte hat. Aber wer bereit ist tiefer einzusteigen wird seine Herausforderung finden.


Vieles ist ja auch beim alten geblieben. Das Trio aus Yuji Horii, Akira Toriyama und Koichi Sugyjama hat einmal mehr seine unverwechselbare Handschrift hinterlassen. Es sieht aus und klingt genau, wie man es von Dragon Quest erwartet. Wieder haben einem die Einwohner jedes Städchens ihre Probleme zu berichten, die gelöst werden wollen. Wieder sind die Monster teilweise fast zu witzig, um sie zu schlagen. Und wie immer gibt es in Dungeons kein Speicherpunkte. Gespeichert, wiederbelebt oder die zum Levelaufstieg verbleibenden EXP eingesehen wird in der Kirche. Wenn man besiegt wird, wacht man auch dort mit halbiertem Goldbestand wieder auf. Auch Töpfe und Fässer können zertrümmert, oder Schränke und Bücherregale durchsucht werden. Es ist im Herzen einfach Dragon Quest, und es hat den Charme, der die Marke seit so vielen Jahren ausmacht. Ein weitere Kritikpunkt ist, das Square-Enix sich mit der eher dubiosen Begründung von Speichermangel dazu entschieden hat, nur einen Spielstand einzubauen. Wer also neu starten will, muß alles Erreichte löschen oder sich ein neues Exemplar kaufen.
Dragon Quest IX macht mächtig Laune! Dafür sorgen einfach die riesige Spielwelt und das unverwechselbare Gameplay, das die Dragon Quest-Reihe so auszeichnet. Auch in Sachen Präsentation steht der Titel anderen großen RPGs in Nichts nach und zeigt, wozu der DS noch alles im Stande ist. Doch leider kommt das Spiel nicht ganz perfekt weg. Dafür sorgt vorallem die Tasache, dass man sich die Charaktere selbst erstellen kann. Fällt es bei Hauptprotagonisten noch nicht ganz so schwer ins Gewicht, merkt man es an den Nebencharakteren deutlich. Diese kommen einem wie seelenlose Puppen vor. Individuelle Persönlichkeit oder zumindest wählbare Hintergrundgeschichten zu jedem Charakter wären schön gewesen. Auch der fehlende Online Modus gibt Anlass zum Abzug in der Wertung. Wer über die Mankel hinweg sehen kann, wird aber trotzdem ein wunderbares Rollenspiel finden, das sowohl im Single- als auch im (lokalen) Multiplayer überzeugt.