

Wer Resident Evil 2 damals gespielt hat, kennt den Hauptcharakter des vierten Teils - Leon S. Kennedy - bereits. An seinem ersten Tag als Polizist beim Raccoon Police Department ging so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Sechs Jahre später begleiten wir den Spezialagent nun nach Europa. Die Tochter des amerikanischen Präsidenten wurde entführt und soll sich laut den neuesten Informationen in der Region befinden, in die sich der kühle Blondschopf nun begibt. Begleitet von zwei Polizisten wird Leon in die Nähe eines Dorfes gebracht, wo sich schon nach wenigen Minuten Spielzeit herausstellt, dass mit den Bewohnern irgend etwas nicht stimmt - und es ist nicht nur die Sammlung von abgetrennten Köpfen unter der Treppe des ersten Bewohners, die euch zu dieser Schlussfolgerung kommen lässt.

Dass dieser Titel mit den bisherigen Abenteuern der Resident Evil Reihe nicht mehr viel gemeinsam hat, merkt ihr bereits in den ersten Spielminuten. Statt in der klassischen 3rd Person Perspektive, seht ihr dem Charakter nun direkt über die rechte Schulter und seid so erschreckend nah am Geschehen dran. Eigentlich fragt man sich, wieso vorher niemand auf die Idee gekommen ist, ein Spiel in dieser perspektivischen Form zu machen - die psychische Anspannung die dadurch geschaffen wird, zeugt davon, wie gut es funktioniert.
Durch das Widescreen-Format wird euer Sichtfeld eingeschränkt (ich hätte nie gedacht, dass ich das einem Spiel mal gutschreiben würde) und die cineastische Darstellung in ihrer Wirkung verstärkt. Zückt Leon via R-Trigger seine Waffe, zoomt die Kamera noch einmal näher ans Geschehen heran. Via Laserpointer nehmt ihr dann einen Gegner nach dem anderen auseinander - mit der Schrotflinte auch mal gerne mehrere auf einen Schlag. Das schränkt euer Sichtfeld wiederum noch mehr ein, wodurch ihr ständig beängstigt feststellen müsst, dass jederzeit eure Seiten bzw. euer Rücken den Bekloppten wehrlos ausgeliefert sind.

Obwohl sich das Ganze jetzt sehr 'Shooter alike' spielt, kann sich Leon weder mit der Waffe im Anschlag bewegen, noch strafen oder von einer Art 'Lock On' Gebrauch machen. Dadurch wird eine Prise Taktik ins actionreiche Spielgeschehen geworfen - sucht euch zunächst eine vorteilhafte Position und nehmt die Jungs dann aus. Das ist allerdings oftmals leichter gesagt als getan, denn Capcom hat die Hirne der bösen Buben mit KI nur so vollgestopft - wundert euch also nicht, wenn sich mehrere Gegner zusammenschließen, um euch zu umstellen oder wenn sich der mit der Mistgabel bewaffnete Bauer auf einmal bückt, um so außer Reichweite eures Laserpointers zu kommen...
Action wird in Resident Evil 4 demnach ganz groß geschrieben. Im Verlauf des Spiels werdet ihr mehr Widersacher ins Jenseits befördern als in den vorhergegangenen Teilen zusammen - zumindest scheint es aufgrund der pausenlosen Anspannung so. Statt stöhnenden und verfaulten Zombies wollen euch nun scheinbar geistig leicht instabile menschliche Gegner an den Kragen. Die bedienen sich dann auch mal gerne ihrer ganz eigenen Waffen, darunter Mistgabel oder Kettensäge. Ja, richtig gelesen - Kettensäge. Diese ganz besonders durchgeknallten Jungs haltet ihr besser schön mit der ein oder anderen Ladung Schrot auf Abstand, sonst ist Leon ganz schnell einen Kopf kürzer - im wahrsten Sinne des Wortes! Im späteren Verlauf des Spiels trefft ihr natürlich auch noch auf weniger menschliche Widersacher, die euch ausnahmslos ordentlich einheizen.

Genau dafür braucht ihr das aufgestockte Waffenarsenal von Resident Evil 4. Von der normalen Handgun bis zum zerstörerischen Raketenwerfer ist alles dabei. Während ihr diese Waffen bisher immer irgendwo fandet, wurde auch hier das ganze traditionelle System umgeworfen. Im gesamten Verlauf des Spiels findet ihr nämlich Schmuckstücke und andere Kostbarkeiten, die ihr bei einem schaurigen, wandelnden Händler mit britischem Akzent verkaufen könnt, um das erstandene Geld anschließend in eure Lebensretter zu investieren. Geduld zahlt sich hier aus: ein Amulett z.B. ist ohne Juwelen, die ihr im weiteren Verlauf finden könnt, nur einen Bruchteil des später erzielbaren Preises wert. Mit einmal kaufen ist es aber nicht getan, denn jener Händler bietet euch zudem an, verschiedene Fertigkeiten jeder Waffe wie z.B. Nachladezeit, Feuerkraft oder Magazingröße zu verbessern - gegen harte Währung versteht sich. Munition, Geld, diverse Handgranaten und andere alte Überbleibsel der 'Pre Resi4-Ära' wie z.B. die lebensspendenen grünen, gelben und roten Kräuter findet ihr sowohl in Kisten, als auch zwischen den sterblichen Überresten eurer Widersacher. Engpässe, die früher auf der Tagesordnung standen, erlebt ihr in Resident Evil 4 erfreulicherweise weitaus seltener.

Durch den hohen Detailgrad des gesamten Spiels könnt ihr auch bei vermeintlich chaotischen Schießereien noch eine Prise Taktik entdecken. Schießt ihr einem Gegner z.B. gezielt ins Bein, wird dieser physikalisch korrekt der Schwerkraft zum Opfer. Das verschafft euch einige Sekunden Zeit, um zum platzierten Headshot anzusetzen. Oder aber ihr versetzt einen Widersacher durch einen Schuss in den Arm in kurze Trance, rennt daraufhin zu ihm und schickt ihn mit einem kräftigen Roundhouse Kick in die ewigen Jagdgründe. Das nur mal so als kleiner Anreiz über den hohen Detailgrad und die tolle Physik im Spiel, die ihr praktisch durchgehend durch diverse Aktionen bestaunen dürft. Ein weiterer neuer Bestandteil des Gameplay sind die sogenannten 'Quick Time Events', die ihren Namen damals von Shenmue erhielten. Wenn die Dorfbewohner euch z.B. einen rollenden, gigantischen Stein auf die Fersen hetzen, heißt es für euch: A Button drücken bis der Arzt kommt. Diese Elemente treten in den verschiedensten Situationen des Spiels auf, sind meist toll in Szene gesetzt und verschaffen dem Ganzen ein wenig Abwechslung.

Was die Steuerung betrifft, haben die Entwickler fast alles richtig gemacht. Nach einer relativ kurzen Eingewöhnungszeit verteilt ihr Headshots, als ob ihr nie etwas anderes gemacht hättet. Sowohl für Messerangriffe als auch das Nachladen der Waffe gibt es nun einfache Kombinationen, die nervige Abstecher ins Inventar - wie sie in der Ende 2004 veröffentlichten spielbaren Demo noch nötig waren - verschwinden lassen. Mittels C-Stick könnt ihr Leons Blickwinkel geringfügig verändern und die leicht auszuführende 180° Grad Drehung kann euch nicht selten das Leben retten. Eine Strafe-Funktion hätte dem ganzen meiner Meinung nach den perfekten Endschliff verpasst. Euer Inventar kann beim Händler gegen viel Geld vergrößert werden, was einen weiteren großen Kritikpunkt der Vorgänger in Luft auflöst. Via Z-Schultertaste ruft ihr eine detaillierte Karte der Umgebung auf, die euch oftmals weiterhilft.
Grafisch lässt sich Resident Evil 4 kaum zufriedenstellend beschreiben - das muss man einfach selber gesehen haben. Was die Jungs von Capcom da hervorgezaubert haben, ist das grafisch beste, was wir bisher auf dem Cube zu Gesicht bekommen haben. Der hohe Detailgrad der Charaktere, das geniale Design der Spielabschnitte und die beeindruckenden Lichtspielereien werden euer Kinn nicht selten knapp über dem Boden baumeln lassen. Ein wahrgewordener Traum! Auch was den Sound angeht, kann Resident Evil 4 nahtlos begeistern. Wenn ihr angeschlagen durch einen Wald lauft und die Vögel krähen hört, kommt gerade durch den Sound eine dermaßen beklemmende Atmosphäre auf, die seinesgleichen sucht. Solltet ihr kein Wort Spanisch verstehen, gibt das dem Ganzen noch einen furchterregenderen Touch. Sämtliche Soundeffekte, als auch die Sprachausgabe der Charaktere kann demnach vollends überzeugen und beschert dem Titel auch in dieser Sparte die Maximalwertung.
Resident Evil 4 ist definitiv eines der besten Actionspiele der letzten Jahre und ein absoluter Pflichtkauf für alle Gamecube Besitzer! Mit spektakulärer technischer Präsentation und absolut atemberaubenden Gameplay wird der Facelift der angestaubten Serie zum besten Gamecube Titel bisher... wer hier nicht zuschlägt, verpasst einen unglaublichen, ca. 20-stündigen Horrortrip. Mein Tipp: spielt Resident Evil 4 alleine im abgedunkelten Raum mit anständigen Kopfhörern auf den Ohren, um wirklich kompromisslos ins Geschehen hereingezogen zu werden. Aber Achtung - meines Wissens nach haftet Capcom nicht für physische (und vor allem psychische) Schäden, die dadurch erlitten werden ,,,) Eins steht außerdem fest: wenn sich der Rest der Entwickler dieses Jahr nicht heftigst anstrengt, hat Capcom uns bereits jetzt das Spiel des Jahres 2005 beschert.