Phantasy Star im Test

Master System
Liebe Leserinnen und Leser. Heute steht wieder einmal ein ganz besonderes Schmankerl auf meinem Testprogramm und ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass alle Rollenspielfans bei meinem heutigen Testkandidaten unweigerlich mit der Zunge schnalzen werden. Keine andere Rollenspielserie war dermaßen langlebig und erfolgreich auf SEGA´s Konsolen unterwegs wie diese. Die Rede ist natürlich von SEGA´s berühmter ScienceFiction-Saga "Phantasy Star". Heute steht der erste Teil des Epos für das SEGA Master System auf dem Prüfstand. Prototyp oder Hit, das ist hier die Frage. Und ich kann euch sagen, ich bin mindestens so gespannt wie ihr.
Also flugs die Cartridge in mein Master System eingeworfen und ein neues Spiel gestartet. Wie es sich für ein ordentliches Rollenspiel gehört, wird man direkt mit einer kleinen Sequenz begrüßt, die in die Hintergrundgeschichte des Spieleuniversums einführt. Man will ja schließlich wissen, woran man ist.



In netten Bilder, unterstützt von englischem Text, erfahrt ihr, dass ihr ein Mädel mit dem Namen Alis verkörpert. Euer Bruder Nero wurde von den Schergen des bösen Königs Lassic tödlich verwundet. Im Sterben nimmt er euch das Versprechen ab, König Lassic aufzuhalten und bittet euch, einen Mann namens Odin zu suchen, der euch bei eurer Aufgabe helfen soll. Als brave Schwester schwört man natürlich bei allen Barbie-Puppen, dass man den bösen König einen Kopf kürzer machen wird und findet sich daraufhin prompt in der Stadt Camineet auf dem Planeten Palma wieder.

Wer die Serie bisher noch nicht kannte, könnte jetzt nach dieser Beschreibung auf die Idee kommen, ein klassisches Phantasy-Rollenspiel vor sich zu haben. Die üblichen Zutaten (böser König, zu rächender Bruder etc.) sind zugegebenermaßen ja auch vorhanden. Bei einer rein oberflächlichen Betrachtung des Spieles fällt aber sofort auf, dass die Menschen in etwas wohnen, das wie leicht deformierte bunte Plastikeier aussieht, die Polizisten wie eine Mischung aus Robocop und Stormtrooper daher kommen und direkt gegenüber der Raumhafen nebst Waffengeschäft mit den besten Laserschwertern zu finden ist. Richtig kombiniert Watson, wir befinden uns logischerweise in der Zukunft.



Mit dieser Science-Fiction Ausrichtung ist es dann auch nur folgerichtig, dass sich die Geschichte des Spieles zwischen den Sternen abspielt. Genauer gesagt warten drei Planeten des Algol-Systems darauf, von euch erforscht zu werden. Jeder Planet besitzt dabei seine eigene charakteristische Oberflächenstruktur. Palma, euer Startplanet, sieht ein wenig aus wie ein planetenweites Kalifornien. Überall weite weiße Strände, saftiges grün und lauschiges Meer, man wartet quasi schon fast darauf, dass gleich der Gouvernator um die nächste Ecke biegt und wieder einen seiner berühmten Einzeiler ablässt. Auf dem zweiten Planeten Motavia dürfte man dagegen schon glücklich sein, überhaupt etwas grünliches zu finden. Hier ist nämlich nix als Wüste angesagt. Der dritte und letzte Planet mit dem Namen Dezoris schließlich, besitzt wieder Wasser im Überfluss. Allerdings lediglich im eisförmigen Aggregatzustand. Ob eine Eiswüste jetzt wesentlich angenehmer ist als eine Sandwüste muss jeder für sich selbst entscheiden.

Bevor die anderen Planeten wirklich interessant für uns werden, steht jedoch auf Palma zunächst noch jede Menge Arbeit an. Punkt eins ist, wie in in jedem Rollenspiel, logischerweise das Aufleveln und Geld verdienen. Und wie in jedem Rollenspiel muss man um Erfahrungspunkte und Geld zu ergattern, ordentlich böse Monster schnetzeln. Also dann mal schnell aus der sicheren Stadt hinaus und ab in die grünen Wiesen und Wälder von Palma auf Monsterjagd. Ihr steuert Alis dabei in einer 2D-Draufsicht durch die Spielewelt. Eure Weggefährten laufen übrigens, sobald ihr sie gefunden habt, brav im Gänsemarsch hinter Alis her.



Auf Knopfdruck könnt ihr jederzeit ein Menü einblenden, in dem ihr den Status eurer Gruppenmitglieder sowie die Ausrüstung verwalten könnt. Weiterhin können Zauber benutzt werden, die keinen Gegner als Ziel haben (z.B Heilen oder der Transportzauber) und ihr könnt das Spiel jederzeit speichern. Schließlich kann mittels der Suchfunktion eure Umgebung genauer ins Auge genommen werden, was vor allen Dingen bei einem bestimmten Quest von Bedeutung sein wird.



Wenn man nun so gemütlich durch die grüne Welt von Palma schlendert, wird man sehr schnell mit den ersten Zufallskämpfen konfrontiert werden, denen man übrigens wegen mangelnder Vorwarnung nicht aus dem Weg gehen kann. Vielmehr wechselt das Spiel irgendwann plötzlich einfach in den Kampfbildschirm (bevorzugt dann, wenn man ohnehin kaum noch HP besitzt) und schon hat man den Salat. Allen, die meinen Miracle Warriors Test gelesen haben, dürfte das folgende nun zumindest rudimentär bekannt vorkommen. Das Kampfsystem von Phantasy Star stellt nämlich unverkennbar eine direkte Weiterentwicklung des alten Miracle Warriors Systems dar.

In der Bildschirmmitte ist folglich, wie auch schon im geistigen Vorgänger, der Gegner in Großansicht zu bewundern. Im Gegensatz zu Miracle Warriors wurden die bösen Viecher allerdings mit, für das Master System superben, Angriffsanimationen versehen. Warum aber ein gewisser Gegnertypus angreifen muss, indem er sich geräuschvoll in eure Richtung übergibt, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Entweder waren die Programmierer da ziemlich auf LSD oder hatten grade mal wieder eine kindliche Phase.



Egal, zurück zum Kampfbildschirm. Auf der linken Seite desselben befindet sich ein Menü mit den verschiedenen Aktionsmöglichkeiten eurer Partymitglieder. So könnt ihr angreifen, zaubern, einen Gegenstand benutzen, mit den Monstern sprechen oder versuchen, weg zu rennen. Leider könnt ihr immer noch nicht die Reihenfolge der handelnden Partymitglieder bestimmen. Vielmehr wird eure Party von vorne nach hinten in der immer gleichen Reihenfolge durchgearbeitet und ihr könnt jedem eurer Recken eine Aktion zuweisen.

Rechts oben befindet sich ein Kästchen mit den HP-Werten eurer Widersacher. Falls ihr auf mehrere Gegner der selben Art stoßen solltet, sind dementsprechend dort mehrere HP-Werte vorzufinden. Ein weiteres Manko, das leider aus Miracle Warriors übernommen wurde, ist die Tatsache, dass man nicht zuweisen kann, welches Monster nun Ziel eurer Angriffe werden soll. So kann es sein, dass ein Monster bis zuletzt mit einem mickrigen Lebenspunkt überlebt und die ganze Zeit über vollen Schaden austeilt, nur weil sich der Zufallsgenerator mal wieder dafür entschieden hat, lieber alle anderen Monster und am besten die mit maximaler HP-Stärke zu attackieren.



Verhindern kann man dieses Dilemma nur, indem man Odin mit einer Fernkampfwaffe ausrüstet (das einzige Partymitglied, das diese Waffen benutzen kann), die allen Gegnern Schaden zufügt. Allerdings ist dieser Schaden wesentlich geringer, als der, den Odin mit einer Nahkampfwaffe verursachen würde. Hier muss also sorgfältig abgewogen werden, wann welche Waffe am sinnvollsten ist. (Waffen können wohlgemerkt während das Kampfes nicht gewechselt werden)

Im Gegensatz zu Miracle Warriors ist übrigens endlich etwas Strategie in die Kämpfe gebracht worden. Durch jede Menge Zaubersprüche, die jeweils ab dem Erreichen eines bestimmten Levels freigeschaltet werden, sind die Eingriffsmöglichkeiten in die Kämpfe doch erheblich erweitert worden. Mittels Stärkungszauber kann man andere Partymitglieder zu noch stärkeren Angriffen verhelfen, mit Lähmungszaubern kann man Gegner fesseln oder ihrer Magie berauben, Heilungszauber stellen HP-Punkte wieder her und Angriffszauber entfesseln verheerende Elementarangriffe. Es ist sogar möglich, verstorbene Partymitglieder wieder zu erwecken (ein solch mächtiger Zauber wird natürlich erst sehr spät im Spiel verfügbar). Das Magiesystem ist in Verbindung mit der unterschiedlichen Wirkung von Nah- und Fernkampfwaffen also ein ganz klarer Fortschritt im Vergleich zu Miracle Warriors.



Wenn ich schon gerade von Waffen spreche... Von denen gibt es, genauso wie von Schildern und Rüstungen, übrigens mehr als reichlich. Ob Laserschwert, Laconia Axt, Gas Schilder, Nadelpistolen..für Abwechslung ist gesorgt. Die wirklich starken Waffen muss man jedoch meistens besonders schweren Bossgegnern in den Dungeons des Spieles entreißen.



Und hier kommen wir auch schon zu einem der unbestrittenen Glanzlichtern des Spieles. Sobald man einen solchen Dungeon betritt, schaltet das Spiel von der üblichen 2D-Ansicht in eine spektakuläre 3D-Ansicht um.. und ich kann nur sagen, die Qualität von dem, was dort auf dem Master System geboten wurde, dürfte zumindest in der 8-Bit Ära einzigartig gewesen sein. Selbst heute sehen die riesigen, verwinkelten Dungeons noch richtig gut aus. Man steuert das Geschehen nun aus einer Ego-Ansicht und bahnt sich den Weg durch Falltüren, Fallen und Monsternzu seinem Ziel. Wer hier einfach drauf los rennt ist übrigens verloren. Die Dungeons sehen nämlich überall völlig gleich aus und bieten keinerlei Orientierungspunkte, eine Automap oder ähnlichen modernen Schnickschnack sucht man ebenfalls vergebens. Es bleibt also nur der klassische Weg, sich mit Block und Bleistift gemütlich eine Karte zu zeichnen. Das hat aber auch auch seinen Reiz, wie ich finde. Die Kämpfe spielen sich nebenbei bemerkt wieder nach dem selben Schema wie in der Oberwelt ab.

Bevor man einen Dungeon betritt, sollte man übrigens noch beim Gebrauchtwarenhändler und im Lebensmittelladen vorbeischauen und einige nützliche Dinge erstehen. Ein Flashlight bringt z.B. Licht in ansonsten stockdunklen Labyrinthen und ohne genug Burger und Cola, die eure Lebensenergie wieder auffüllen, werdet ihr auch nicht wirklich weit kommen. Da sieht man mal wieder: Fast Food rult!



Wenn ihr dann irgendwann einmal in der Story gut vorangekommen seid und schon einiges an Entdeckungen gemacht habt, werden euch immer mehr Regionen begegnen, die unheimlich interessant aussehen, meistens mit einem unheimlich verlockenden Dungeon versehen sind und zum größten Ärger aller Spieler einfach nicht zu Fuß zu erreichen sind. Mal versperrt ein Lavasee den Weg, mal ist ein Giftgasfeld da, wo es absolut nicht hingehört, oder gigantische Ameisenlöwen versperren in Horden den Weg. Sowas macht den gemeinen Rollenspieler natürlich wahnsinnig und man gibt keine Ruhe, bis man doch irgendwie an den Ort des Begehrens kommt.

Um solche Naturhindernisse zu überwinden, muss man sich auf die Suche nach den verschiedenen speziellen Fahrzeugen machen, die das Spiel für euch bereit hält und die euch in verschiedenem Terrain weiterhelfen. Mit einem Hovercraft kann so z.B. das Meer auf Palma befahren oder heiße Lavafelder überquert werden. Mit einem Bohrfahrzeug kann man sich auf Dezoris durch massives Eis bohren und mit einem Landrover kann man entspannt über ganze Hundertschaften von Ameisenlöwen drüberheizen.

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Dass diese Fahrzeuge essentiell für den Spielverlauf sind ist genauso klar, wie die Tatsache, dass sie nicht so einfach zu finden sind. Später im Spiel werdet ihr übrigens sogar ein eigenes Raumschiff nebst Robo-Pilot euer Eigen nennen und so nicht mehr auf die öffentlichen Verkehrsraumschiffe angewiesen sein. Hier ist also in Sachen Abwechslung in die Vollen gegangen worden. Auch die übrigen Quests sind äußerst abwechslungsreich und meistens auch durchweg gut zu lösen. Nur selten wird etwas nervige Herumprobiererei nötig sein, um weiter zu kommen. Im Vergleich mit anderen Rollenspielen seiner Zeit bietet Phantasy Star wirklich eine außergewöhnlich atmosphärische und auch ziemlich dichte Handlung, die sogar einige erstaunliche Wendungen beinhaltet. An dieser Stelle dafür nochmal ein dickes Lob! Sowas war damals absolut nicht selbstverständlich.



Jetzt aber noch schnell zu etwas sehr Entscheidendem, das bisher doch etwas vernachlässigt wurde: nämlich den Partymitgliedern. Alles in allem werden euch noch 3 weitere Recken bei eurer Aufgabe unterstützen. Wenn man sie kurz durchgeht, wäre da zunächst natürlich Myau, ein katzenartiges Etwas, dass sowohl magisch als auch kämpferisch ganz gut dabei ist. Gefolgt wird Myau von Odin, einem mächtigen Krieger, der aber magisch so begabt ist wie ein Klappspaten. Den Abschluss bildet schließlich Noah, ein mächtiger Zauberer und somit körperlich ein echtes Handtuch. Diese Mitstreiter warten aber natürlich nicht einfach so in der Pampa darauf, von dem erstbesten Helden (oder in diesem Fall Heldin) aufgegabelt zu werden, sondern es ist stellenweise ziemlich knifflig, die Guten aufzustöbern - an dieser Stelle soll aber nicht zu viel verraten werden.

Jeder Charakter verfügt, wie es in einem Rollenspiel zu sein hat, über Level, die durch Erfahrungspunkte gesteigert werden. Im Unterschied zu vielen anderen Rollenspielen sind in Phantasy Star aber auch die magischen Fähigkeiten an bestimmte Levelgrenzen gekoppelt. So könnt ihr neue Zaubersprüche nicht kaufen oder finden, sondern der Charakter erlernt sie automatisch, sobald er eine bestimmte Levelgrenze überschritten hat. Weiterhin kann jeder Charakter individuell mit den zahlreichen Waffen, Schilden und Rüstungen ausgerüstet werden, die euch auf eurer Reise begegnen. Allerdings sind viele Waffen und Rüstungen speziell nur von einem Charakter nutzbar, was die Vielfalt dann doch wieder einschränkt.



Was die technische Seite anbelangt, wurde in Phantasy Star aufgefahren was irgendendwie machbar war. Grafisch besticht Phantasy Star, wie ich oben bereits angedeutet habe, durch tolle Animationen der Gegner, für die damalige Zeit phänomenale 3D-Graphik und schön gezeichnete Oberflächenkarten. Auch der Soundtrack weis, trotz dem beim SEGA Master System bekannten Hang zur Piepsigkeit, voll zu überzeugen. Gerade der Dungeon Soundtrack ist ein wahrer Ohrwurm, den man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Als ob das nicht schon genug wäre, wurde dem Spiel auch noch ein Batteriespeicher mit 5 Speicherplätzen spendiert. Technisch betrachtet ist Phantasy Star ganz klar eines der besten Module, die je für das Master System veröffentlicht wurden.

Andreas meint:

Andreas

Phantasy Star ist ein tolles Rollenspiel, das selbst heute noch viel Spaß macht. Die interessante Geschichte, eine super Präsentation und die Vielfalt an zu findenden Gegenständen sorgen für eine hohe Langzeitmotivation und führen dazu, dass man immer wieder gerne in das Algol-System zurückkehrt. Wer klassische Rollenspiele mag, wird auch Phantasy Star mögen!

Positiv

  • Fantastische Grafik
  • Abwechslungsreiche Spielwelt
  • Viel zu entdecken

Negativ

  • Kampfsystem immer noch zu unflexibel
Userwertung
8.53333 3 Stimmen
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Phantasy Star Daten
Genre -
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 Hz
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 1987
Vermarkter SEGA
Wertung 8.7
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