Final Fantasy XII im Test

PlayStation2
Seit nunmehr 6 Jahren entwickelt, schlägt Final Fantasy XII endlich auch im hiesigen Breitengrad ein. Dabei markiert Part 12 der erfolgreichsten Rollenspiel-Reihe aller Zeiten einen deutlichen Zenit: Der Final Fantasy-Urvater Hironobu Sakaguchi hat seinem Brötchengeber ebenso den Rücken gekehrt wie Soundtrack-Koryphäe Nobuo Uematsu. Stattdessen durften sich die Macher von Final Fantasy Tactics und Vagrant Story am neuen Aushängeschild versuchen - und bauten FF12 radikal um!
Widmen wir uns der Storyline der zwölften finalen Fantasie. Der Kontinent Ivalice wird von tiefer Unruhe erschüttert, zwei große Imperien konkurrieren um die Vorherrschaft. Während sich Rozzaria für einen bewaffneten Konflikt rüstet, verleibt sich Arcadia kleinere Nachbarn ein um seinen Einfluß stetig auszuweiten. So gerät das friedfertige Königreich Dalmasca zwischen die Fronten, doch tapfer formieren sich die Einwohner um das Invasionsheer zurückzuschlagen. Tapfer und ehrenvoll werfen sich die dalmascischen Soldaten in die Schlacht, die bereits vor Ausbruch aussichtslos ist. Letztlich werden die Verteidigungslinien aufgrieben, der Monarch des einst so idyllischen Reiches von seinen Getreuen ermordet und die Prinzessin - als letzte legitime Erbin - in den Selbstmord getrieben. Zwei Jahre später findet sich der Spieler als Tagelöhner Vaan in der besetzten Hauptstadt Rabanastre wieder. Der blonde Vollweise träumt davon Ivalice eines fernen Tages als Luftpirat unsicher zu machen, doch zu diesem Zweck will erstmal ausreichend Kapital akkumuliert werden! Zum Glück hat man ja ein vor Schätzen berstendes Schloß direkt vor der Nase...

Die Hintergrundmär unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht grundlegend von den Geschichten früherer Final Fantasys. Während die Vorgänger stets in einer eigenen Steam Punk geschwängerten Welt spielten, bedient sich XII bei Final Fantasy Tactics Advance und spielt wie das Gameboy-Strategical im fiktiven Ivalice, die unterschiedlichen Rassen und einige Protagonisten dürften Kennern demnach bekannt vorkommen. Des Weiteren ist das Szenario überraschend düster und melancholisch ausgefallen, die sonst obligatorische Romantik fehlt komplett, stattdessen wird der Spieler in eine Spirale von Gewalt, Gegengewalt, Vergeltung und Gewissen gezogen. Auch dreht sich die Story nicht mehr um einen typischen Helden, dessen Psyche im Laufe des Abenteuers én detail zerlegt und analysiert wird. Stattdessen ist jedes Mitglied eurer sechs Gefährten umfassenden Party mehr oder weniger gleichberechtigt, jeder hat seine persönlichen Begweggründe und Motivatoren, auf die das RPG grob eingeht. Und hier liegt auch das Problem begraben: Zwar wirken alle virtuellen Alter Egos glaubhaft und realistisch, eine wirkliche Identifikationsfigur ist jedoch nicht dabei. Alle werden viel zu oberflächlich behandelt, jeder Protagonist scheint substituierbar. Machten Cloud & Co. während ihrer Odyssee zig Metamorphosen durch, so ist Charakterentwicklung für FF12 ein Fremdwort. Letztlich geizt auch die übrige Geschichte mit spannenden Wendungen und Überraschungen, vieles ist für erfahrene Rollenspieler einfach vorhersehbar. So tangiert auch der Schwerpunkt des Spiels weg vom Fortschreiten der Rahmenhandlung hin zum Gameplay, nicht die rudimentäre Story ist es, die euch quer über den Kontinent treibt, sondern die Hatz nach Equipment, optionalen Bossfights und Geheimnissen.

Denn was die zwölfte Episode an storytechnischen Finessen eingebüßt hat, macht sie durch ein innovatives Spielsystem wieder wett. Veteranen kennen das Kampfsystem bereits aus Final Fantasy XI, den meisten Square-Enix-Enthusiasten, die zuvor lediglich FFX (2) gezockt und somit das Online-Experiment übersprungen haben, dürfte sich jedoch eine vollkommen neue Spielerfahrung erschließen. Anstatt wie bei früheren FFs auf mehr oder weniger vordefinierten Pfaden zu wandeln, erschließt sich Euch jetzt eine weitläufige frei erkundbare Welt. Verbrannte Steppen, abgelegene Gebirgspfade und dichte Dschungel wollen erkundschaftet werden, jedes Szenario beeindruckt mit einem individuellen Look & Feel, sowie Eyecandy wie unterschiedlichen Wettereffekten. Zudem bietet jede Flora auch eine eigene Fauna, sprich Gegner: Eure Widersacher stapfen jederzeit sichtbar durch die Tundra, Zufallskämpfe gehören endgültig der Vergangenheit an. Sobald ein Unhold anvisiert ist, lässt sich durch einen beherzten Druck auf die X-Taste jederzeit das wohlbekannte Kampfmenü öffnen, das typische Funktionen umfasst: Angriff, zahllose Magien, Techniken und Items wollen klug gewählt werden. Das Spielgeschehen hält, sobald ihr in den Auswahlmenüs stöbert, an, mit dem rechten Stick lässt sich jederzeit die Perspektive eurem Gusto anpassen. Demnach bietet auch FF12 kein Echtzeit-Gemetzel sondern das klassische Active Time Battle-System im neuen Gewand.


Für die nötige Würze sorgen jedoch erst sogenannte Gambits, die das Erbe der aus FF11 bekannten Macros antreten. Hierrunter versteht man Bausteine, die sich zu verschiedenen Befehlsketten kombinieren lassen. Die Summe aller aktivierten Gambits bestimmt so das automatische Handeln eurer Party. Durchleuchten wir das Gambit-System anhand einiger Beispiele: "Einen Gegner -----> Angriff" sorgt dafür, dass mit roher Waffengewalt auf den nächst besten Widersacher losgegangen wird, während "Gefährte mit TP 70% -----> Vigra" eine Frischzellenkur für erschöpfte Abenteurer bietet. Demnach wollen offensive wie deffensive Gambits klug miteinander kombiniert werden, im späteren Kapiteln erschließt sich dem Spieler dank immer neuer Gambits eine ungeheure taktische Tiefe. So sorgt "Gegner mit höchsten max. TP -----> Öl" für eine schmierige Öldusche auf besonders harte Unholde, die schließlich mit "Gegner im Zustand Öl -----> Feuga" deftig übergebrüht werden. Erfahrene Strategen organisieren ihre drei Heroen umfassende Party letztlich nach dem bewährten FF11-Prinzip: Der "Tank" ist mit besten Rüstungen ausgestattet und zieht gegnerische Attacken auf sich, während der "Healer" die Trefferpunkte der Truppe umsorgt und der "Damage Dealer", evtl. durch "Sich selbst -----> Berserk" in Rage versetzt, auf die Gegnerschaft eindrischt. So schnell und genial das neue Kampfsystem auch ausgefallen ist - Frei von Unstimmigkeiten ist es nicht. Die optional ausführbaren Limitbreaks sorgen zwar für leckeren Grafikzauber, sind jedoch im späteren Spielverlauf nahezu wirkungslos. Das gleiche Schicksal trifft die zahlreichen Esper, die auf Wunsch beschworen und zur Hilfe gerufen werden können, jedoch keinen Ersatz für einen fähig trainierten Damage Dealer bilden. Somit verpuffen beide Aspekte im Nirvana der Spielbalance - Schade!

Auch ein Abklatsch des berühmt berüchtigten Sphäro-Bretts findet sich im Zwölfer wieder: Wer g'schmackige Magien zaubern oder mächtige Rüstungen anlegen möchte, muss sie nicht nur im Handel für entsprechend Gil erstehen, sondern auch die passende Lizenz erwerben, die wiederum eine bestimmte Menge License Points veranschlagt. Letztere werden zusätzlich zu den altbekannten Erfahrungspunkten am Ende jedes Fights verteilt. Notorische Gil-Sammler schauen allerdings in die Röhre. Für gewonnene Auseinandersetzungen erhaltet ihr lediglich verschiedene Schätze, die erst im nächsten Bazar gegen handfeste Währung eingetauscht werden können. Wer bestimmte Kombinationen von seltenen Schätzen verhökert, schaltet zudem besondere Accessoires und Waffen frei, die anschließend im Shop erstanden werden können. Die ewige Jagd nach seltenem Kleinod macht einen Großteil der Motivation des zwölften FFs aus, überhaupt gibt es fernab des eher mageren Handlungsstranges viel zu entdecken: Gewässer laden zum Fischen ein, gigantische Städte bergen zahllose Sidequests und passionierte Monsterjäger wildern in den Weiten der Prärien nach besonders harten Kombattanten (MOBs), für deren Erlegung wertvolle Items winken.


Auch die Präsentation weiß zu gefallen. Grafisch fordert FF XII auch den letzten Transistor der sieben Jahre alten Emotion Engine, somit zeigt die PS2 an ihrem Lebensabend nochmals was unter dem unauffälligen schwarzen Plastik steckt. Während die Hauptcharaktere dem selben hohen Niveau des (Offline-)Vorgängers FF X entsprechen, wirken die NPCs nun deutlich detaillierter und bilden zusammen mit euren virtuellen Alter Egos ein harmonisches Ganzes. Dabei hat Square-Enix den Polygoncount Vaans im Vergleich zu Tidus & Co. sogar reduziert um wertvollen Arbeitspeicher zu sparen! Memory der für die üppigen Texturen gebraucht wird: Sowohl das Fussvolk, als auch die eindrucksvollen Architekturen sind mit abwechslungreichen, farbenfrohen Wandtapeten überzogen. Jede Stadt punktet mit einer eigenen glaubhaften Kultur, die sich vor allem durch Look und Design ausdrückt,,, Rabanastre wirkt mit seinen verwinkelten Gassen und Wehrmauern wie eine mittelalterliche Festungsstadt, während Arcadia als krasser Counterpart gigantische Hochhäuser und Schwebegleiter bietet. Zwischen den Metropolen erwarten euch düstere Dungeons und eine perfekt simulierte Wildnis, die mit Abwechslung und einem genial animierten Monster-LineUp punktet, trotz gigantischer Weitsicht und Weitläufigkeit bleibt die Framerate hierbei stets konstant. Abgerundet wird der Augenschmaus mit Square-typischen Bombast-Rendersequenzen und imposantem Effektfeuerwerk. Letztlich leidet die auf 50Hz geeichte PAL-Version unter klitzekleinen PAL-Balken und flimmert dezent stärker als die US-Variante.

Wirklich enttäuschend fällt hingegen die akustische Untermalung aus. Zwar wirken die einzelnen Symphonien atmosphärisch und passen zum jeweiligen Setting, den Melodien mangelt es jedoch schlicht an Nobuo Uematsus Genialität. Der Großmeister hat zwar in Zusammenarbeit mit Angela Aki das Main-Theme "Kiss Me Good Bye", welches an "Eyes On Me" erinnert, beigesteuert, an frühere Ohrwürmer kann er damit jedoch nicht anknüpfen. Im Gegensatz zum überragend synchronisierten Kingdom Hearts 2 bietet Final Fantasy XII unverständlicherweise keine deutsche Sprachausgabe, dafür harmonisieren die professionellen angelsächsischen Sprecher perfekt mit den virtuellen Akteuren. Die eingedeutschten Texte sind zudem durchwachsen ausgefallen und nicht frei von Rechtschreibfehlern und inhaltlichen Ungereimtheiten. Sowohl die teutonischen, als auch die amerikanischen Übersetzer haben sich jeweils am japanischen Original orientiert, was zwangsläufig zu verschiedenen Interpretationen führt,,, Oftmals sprechen die Protagonisten etwas Anderes, als die Untertitel preisgeben.

Kai meint:

Kai

Kurz und schmerzlos: Final Fantasy XII ist kein Final Fantasy. Square Enix Rollenspiel-Saga lebt von einer intelligenten, mit Wendungen angereicherten Geschichte, von komplexen Charakteren, die dem Spieler ans Herz wachsen und einem famosen Soundtrack, der sich auf Jahre ins Gedächtnis brennt. Mit keinem dieser Säulen ist der zwölfte Ableger gesegnet, er spielt sich anders, fühlt sich anders an... Das aktuelle FF zieht seine Motivation aus dem packenden schnellen Gameplay, aus den zahllosen Nebenmissionen, der Sammelleidenschaft, den gigantischen Arealen, die erkundet werden wollen,,, Alles grob umsponnen von einem düsteren Hintergrund. Wer sich damit arrangieren kann, erlebt eines der besten und innovativsten Rollenspiele der letzten Jahre.

Positiv

  • Geniales Kampfsystem
  • Äußerst umfangreich und non-linear

Negativ

  • Maue Storyline
  • Schwächster Soundtrack der Reihe
Userwertung
9.1 3 Stimmen
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Forum
  • von Patricia:

    Trophies sind für mich das unwichtigste Feature überhaupt. Der Reiz daran geht komplett an mir vorbei....

  • von Cormac:

    Und vor allem ohne Trophies ...

  • von Phill XVII:

    Igitt PS2. Ohne das Beschleunigungs Feature hätte ich nach nen paar Stunden auch keine Lust mehr gehabt.

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Final Fantasy XII Daten
Genre -
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 23. Februar 2007
Vermarkter KochMedia
Wertung 9
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