Pandora's Tower im Test

Nintendo Wii

Man mag über die Wii denken, was man will. Aber Fakt ist, dass Nintendos aktuelle Konsole zum Ende des Lebenszyklus mit ausgesprochen guten J-RPGs versorgt wurde. Mein persönliches Game of the Year 2011, Xenoblade Chronicles, ist wohl das beste Rollenspiel dieser Generation. Sakaguchis The Last Story, erst im Februar diesen Jahres erschienen, ist ebenfalls ein tolles japanisches Rollenspielabenteuer. Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei, daher bringt Nintendo ein weiteres Action-RPG namens Pandora's Tower in den Westen. Obwohl die Bezeichnung RPG schon fast zuviel des Guten ist ...

Was war meine Vorfreude groß! Nachdem ich Xenoblade Chronicles und The Last Story regelrecht verschlang, wartete ich gespannt auf das Testmuster zu Pandora‘s Tower. Als Limited Edition flatterte es endlich zu mir und wanderte auf dem schnellsten Weg in meine Wii. Bevor ich zum Spiel komme, möchte ich einige Worte über den Inhalt der Limited Edition verlieren. Wie die limitierte Ausgabe von The Last Story kommt auch Pandora‘s Tower in einer schicken, wenn auch nicht ganz so dicken Pappbox daher. Hat man sich am sehr schönen Artwork der Box sattgesehen, findet man neben dem eigentlichen Spiel noch folgenden Inhalt: Eine separate Anleitung in sechs Sprachen, ein hochwertiges Artbook und ein Steelcase, welches mit einem weiteren hübschen Artwork glänzt. Bekommt man also reichlich Fanbonus für sein Geld, habe ich persönlich einen Soundrack vermisst. Aber man kann nicht alles haben. ;)

Kommen wir also zum Spiel selbst. Entwickelt wurde das Action-RPG von Ganbarion. Das Studio ist vor allem für die Videospielversoftungen der One Piece Manga und Anime Reihe verantwortlich. Nintendo agierte hier wieder einmal als Publisher, eben so wie schon bei den beiden RPGs zuvor. 
 

Die Geschichte handelt von einem Mädchen namens Helena. In ihrer Stadt feiert sie verkleidet als Ernte-Göttin ein Fest, als plötzlich die Stadtmauern erschüttert werden. Als die Menschen in Panik um ihr Leben laufen, ergreift Aeron, ein Ritter und Freund Helenas, ihre Hand und flüchtet mit ihr aus der Stadt. Die junge Frau wurde auf dem Fest verflucht und verwandelt sich nun immer mehr in eine Bestie. Unterwegs treffen die beiden auf eine reisende Händlerin. Mawda, so der Name der skurillen alten Dame, bietet ihnen ihre Hilfe an. Zu dritt reisen sie zu den dreizehn Türmen. Nur hier kann Helenas Fluch gebrochen werden.

Nahe der Türme, die durch Ketten zusammengehalten werden und über einem riesigen Abgrund schweben, befindet sich ein verlassenes Observatorium. Hier quartieren sich die Flüchtlinge ein und Mawda erklärt Aeron, wie er die junge Frau retten kann. In den Türmen hausen dreizehn Bestienmeister. Nur ihr Fleisch kann Helena von ihrem Fluch befreien. Aeron muss also jeden Turm aufsuchen, sich bis zum Obermotz durchschlagen und ihn in Stücke schneiden. Keine leichte Aufgabe! Vor allem, da dem Ritter nicht viel Zeit bleibt, denn Helenas Verwandlung schreitet unaufhörlich voran ...

Mit diesen Erkenntnissen übernehmt ihr die Rolle von Aeron und rennt zum ersten Turm. Wer nun ein waschechtes Rollenspiel erwartet, wird schwer enttäuscht werden. Pandora‘s Tower ist eher ein Dungeon Crawler, ein Action-Adventure mit RPG-Anleihen. Sucht ihr schon eine epische Story mit unzähligen Wendungen vergeblich, werdet ihr auch keine Städte, wie etwa in The Last Story, finden. Ebenso sind wunderschöne Landschaften im Stile von Xenoblade Chronicles Mangelware. Das ganze Spiel über treibt ihr euch in den Türmen herum. Es gibt keine Weltkarte, sodass euer Entdeckerdrang nur in den Gemäuern gestillt wird. Am ehesten würde ich Pandora‘s Tower mit Castlevania vergleichen. Das Spiel als Action-RPG zu bezeichnen, halte ich für zu überspannt.

Bewaffnet mit Schwert und Kette beginnt euer Abenteuer also im ersten der dreizehn Türme, die alle unterschiedlich gestaltet wurden und schön atmosphärisch daherkommen. Hier liegt der Fokus ganz klar auf den Kämpfen und dem Erforschen der Dungeons, was auch das Lösen diverser Rätsel mit sich bringt. Das wichtige Bestienfleisch bekommt ihr nämlich nicht nur von Endgegnern. In den Türmen werfen sich euch allerlei Monster in den Weg. Besiegt ihr diese, könnt ihr mit eurer Kette das Fleisch von den Monsterknochen reißen und in eurem Inventar verstauen. 
 

Das Kampfsystem läuft in Echtzeit ab. Auf Knopfdruck drescht ihr mit eurem Schwert auf die Gegner ein, blockt oder weicht Angriffen aus und setzt eure Kette geschickt ein, um Widersacher zu fesseln oder durch die Gegend zu schleudern. Obwohl ihr mit Classic Controller spielen könnt, rate ich dringend zur Kombination aus Wiimote und Nunchuk Controller. Grund dafür ist die Kette. Per Wiimote steuert ihr nämlich einen Pointer über den Bildschirm. Dieser dient als Fadenkreuz für eure Waffe. Zielt ihr beispielsweise auf bestimmte Dinge wie Items, könnt ihr diese mit der Kette zu euch holen. Zudem müsst ihr sie einsetzen, um Rätsel zu lösen oder Abgründe zu überbrücken. Per Knopfdruck hangelt ihr so von Vorsprung zu Vorsprung oder zieht Blöcke umher. Monster lassen sich ebenfalls damit bearbeiten. Fliegende Gegner können so anvisiert und aus der Luft gefischt werden. Größere Biester könnt ihr fesseln oder ihnen die Waffe aus der Hand entreißen. Stürmen mehrere Monster auf euch zu, könnt ihr zwei aneinander ketten und so in ihrer Bewegungsfreiheit eingrenzen. Die Einsatzmöglichkeiten sind recht vielfältig, was wirklich zu gefallen weiß. Neben der Kette und eurem Schwert sind weitere Waffen in den Gemäuern versteckt und können bei Mawda im Observatorium verbessert werden.

Überhaupt spielt das Observatorium eine zentrale Rolle in Pandora's Tower. Hier könnt ihr speichern, Items in einer Kiste verstauen (ihr habt nur ein begrenztes Inventar) oder Mawda aufsuchen. Die alte Händlerin verkauft euch wertvolle Items und versorgt euch mit wichtigen Tipps. Zudem könnt ihr, wenn ihr mit ihr sprecht, eure Waffen aufrüsten oder Items herstellen. Das Crafting System ist umfangreich, erreicht aber nicht das Level eines Xenoblade Chronicles.


Die wohl wichtigste Person im Observatorium ist jedoch Helena. Seid ihr nicht in den Türmen unterwegs, solltet ihr mit ihr plaudern oder ihr Geschenke geben, die ihr in den Dungeons findet oder bei Mawda kaufen könnt. All diese Aktionen steigern die emotionale Bindung zwischen den beiden Hauptcharakteren, was Einfluss auf das Spielende hat. Sechs verschiedene Enden bietet Pandora's Tower. Welche ihr nach dem etwa 20 stündigen Abenteuer zu Gesicht bekommt, hängt davon ab, wie ihr mit Helena umgeht. 
 

Aber zurück zu den Türmen! Gleicht der erste Dungeon einem Spaziergang, zieht der Schwierigkeitsgrad ab dem vierten Gemäuer extrem an und kann für Frust sorgen. Tragt ihr dann nicht die richtige Ausrüstung oder gehen euch die Heiltränke aus, seht ihr den Game Over Bildschirm schneller, als euch lieb ist. Glücklicherweise gibt es die sogenannten Meilensteine. Das sind Checkpoints innerhalb der Türme, die euch nicht zum Anfang des Dungeons befördern, wenn ihr vom Ableben Gebrauch machen solltet.

Obwohl das Spiel viel Freiraum für Erkundungstouren in den Gemäuern bietet, bleibt der Forscherdrang auf der Strecke. Das liegt vor allem an der Zeit! Ja, richtig gelesen. In Pandora's Tower  sitzt euch diese ständig im Nacken. Erinnert ihr euch noch an Zelda Majora‘s Mask, wo ihr drei virtuelle Tage Zeit hattet, die Welt zu retten? Hier ist es ähnlich. Eine Anzeige verdeutlicht euch, wann Helena endgültig zur Bestie wird. Läuft der Kreis in der linken unteren Bildschirmecke ab, bricht das Spiel ab und ihr schafft es nicht, den Fluch zu brechen. Wie ihr dem entgegenwirken könnt? Ganz einfach: Eure Liebste braucht Bestienfleisch, um das Voranschreiten des Fluchs zu bremsen. Das von Monstern erhaltene Fleisch müsst ihr also Helena bringen, bevor ihre Zeit abläuft, um diese zu verlängern.

Und genau dieses Zeitfeature ist meiner Ansicht nach der größte Kritikpunkt in Ganbarions Action-Adventure. An einem Beispiel möchte ich es verdeutlichen: Das Tor zum Bestienmeister im zweiten Turm wurde von zwei Ketten geschützt. Diese Ketten konnte ich nur an zwei bestimmten Punkten im Turm zerstören. So suchte ich den Raum mit der ersten Kette und zerstörte diese. Da ich auf dem Weg nach Items gesucht hatte und den Weg nicht auf Anhieb fand, war die Zeitanzeige fast abgelaufen. Also musste ich den ganzen Weg zurück zum Eingang laufen (Stichwort Backtracking!), Helena das Fleisch geben, die Zeit verlängern und wieder zum Dungeon hechten. Von Anfang an musste ich den Raum mit der zweiten Kette finden, diese zerstören und dann zum Boss laufen. Da ich mir aber wieder einmal Zeit beim Erkunden der Räumlichkeiten ließ, ging die Zeit erneut zur Neige. So lief ich wieder den ganzen Weg zurück, gab Helena das Fleisch und sprintete erneut zum Turm. Hier musste ich den Weg zum Bestienmeister absolvieren, um ihm endlich gegenübertreten zu können. Ich bin davon überzeugt, dass man den Turm auch schneller meistern könnte. Da ich aber nicht auf das gründliche Erforschen der Räume verzichten wollte, wiederholte sich das Gerenne in den folgenden Dungeons und sorgte bei mir für Frust. Rennt man nämlich zielstrebig zum Boss, übersieht man schnell wertvolle Items. Hier hätte ich mir eine bessere Lösung gewünscht.

 

Der Zeitdruck, gepaart mit einem hohen Schwierigkeitsgrad und einiger anderer Patzer mindern den Spielspaß schnell. So zum Beispiel die feste Kameraperspektive. Wie in Sonys God of War lässt sich die Kamera nicht manuel drehen, was nicht sonderlich schlimm wäre, wenn der Bildausschnitt alles zeigen würde. So passiert es, dass wichtige Hebel, die nur mit der Kette erreicht werden können, auf diese Weise nur ansatzweise zu sehen sind und sich nur schwer mit der Kette anvisieren lassen. Bei den Kletterpassagen kann es zudem vorkommen, dass ihr ins Nichts fallt, weil ihr nicht seht, was sich unter euch befindet. An der Kamera hätte Ganbarion definitiv noch arbeiten müssen. 

Unübersichtlich wird es ebenfalls, wenn mehrere Monstern auf euch zustürmen. Bewegt ihr euch dann zwischen zwei verschiedenen Bildabschnitten (z. B. wenn ihr Angriffen ausweicht), artet das Kämpfen in reges Chaos aus, da die Kameraeinstellung permanent wechselt und ihr nur schwer die Gegner trefft. Apropos Gegnertreffer: Wieso die Entwickler kein Lock-On Feature einbauten, bleibt mir ein Rätsel. Ohne dieses schlagt ihr öfters mal ins Leere, was ärgerlich ist.

Durch diese Patzer kann Pandora‘s Tower gameplay-technisch leider nicht ganz mit anderen Genrevertretern mithalten. Bei mir war es ein Wechselbad der Gefühle. Zum Glück empfand ich den Großteil des Spiels wirklich gelungen. Ähnlich sieht das Ganze in Sachen Technik aus. Die Charaktere sind schön gestaltet und überzeugen mit vielen Details. Das Artdesign sticht zudem sehr gut heraus. Die verwinkelten Türme sind natürlich das Highlight in Pandora‘s Tower, ebenso wie die Bestienmeister. Im Kampf gegen diese erweckt das Spiel leichte Anleihen an Shadow of the Colossus, ohne aber die Ausmaße des PS2 Hits zu erreichen. Das Charakter- und Artdesign wird leider von einer pixeligen Grafik und matschigen Texturen getrübt. Selbst für Wii-Verhältnisse und nach den letzten beiden RPGs sieht das Action-Adventure zwar recht nett aus, hätte aber weitaus schöner aussehen können. So bewegt sich das Spiel »nur« auf gutem Gamecube Niveau.
 

Dafür kommt der Soundtrack sehr gut rüber. Atmosphärische Melodien von Verdi oder Tschaikowski passen sich den jeweiligen Spielsituationen an. Leider ähneln sich viele der Musikstücke. Ich hätte mir mehr Abwechslung in den Arrangements gewünscht. Die englische Sprachausgabe ist ebenfalls gut gelungen und kommt mit deutschen Untertiteln daher. Diese sind unverständlicherweise ein wenig abgeändert worden. Helena heißt im Englischen Elena und Mavda wurde mit Mawda ins Deutsche übersetzt.




Andrej meint:

Andrej

Als Action-RPG würde ich Pandora's Tower nicht bezeichnen. Wer sich auf ein Rollenspiel freut, wird bitter enttäuscht werden. Findet ihr euch jedoch mit dem Begriff Action-Adventure ab, bekommt ihr einen guten Dungeon Crawler mit RPG-Anleihen spendiert. Leider kann das Zeitfeature (man liebt oder hasst es) in Kombination mit Schwierigkeitsgrad und Kamera schnell Frustmomente erzeugen. Wer darüber hinweg sieht und die Zähne zusammenbeißt, erlebt 20 spannende Stunden. Nur grafisch hätte ich weitaus mehr erwartet.

Positiv

  • Lange Spielzeit + 6 versch. Enden
  • Fokus auf Kämpfen + Erforschen
  • Tolles Artdesign + Soundtrack

Negativ

  • Zeitfeature nicht für Jedermann
  • Kameraprobleme
  • Grafik sogar für Wii nicht zeitgemäß
Userwertung
8.775 8 Stimmen
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Forum
  • von Slainte:

    hab eben mal mit nem Kumpel das Spiel mal eingelegt und muss sagen sind mehr als Positiv überrascht.Die Grafik sieht für Wii Verhältnisse super aus ,die Story wirkt sehr interessant und die Steuerung (mit Classic Contoller)ist gut zugängig.Wird demnächst mal angefangen ...

  • von Darkshine:

    Backtracking hat mich schon bei Zelda: Phantom Hourglass und Metroid Prime Hunters extrem gestört.

  • von ONOX2:

    Finde ich leider auch. SO toll das Game an sich auch ist, vorallem die Story. Das dämliche Bachtracking bricht immer wieder Löcher in den Spielfluss.

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Pandora's Tower Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 2012-04-13
Vermarkter Nintendo
Wertung 7.6
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