MotionSports im Test

Xbox 360

Wenn in ferner Zukunft ein Videospielhistoriker ein Buch über unsere Zeit schreibt, könnte der Titel durchaus “Die Epoche der Bewegungssteuerung und der Mini-Games“ lauten. Inzwischen ist es völlig egal, welche Konsole im heimischen Wohnzimmer steht, alle Systeme bieten die Möglichkeit, sich beim Zocken körperlich zu verausgaben. Mit der Veröffentlichung von Kinect erreicht dieser Trend einen neuen Höhepunkt. Neben den diversen Fitnessprogrammen stehen gleich mehrere Mini-Game-Sammlungen, die häufig einen Bezug zum Thema Sport haben, in den Händlerregalen und warten auf Kundschaft. Auch MotionSports von Ubisoft verspricht unkomplizierten Spaß für bewegungsfreudige Xbox-Besitzer.

MotionSports_2.jpgUnter den sechs enthaltenen Disziplinen sind einige durchaus ungewöhnliche Arten der Körperertüchtigung zu finden. Reiten oder Drachenfliegen sind in der Welt der Videospiele eher selten zu finden. Darum ist es grundsätzlich eine gute Sache, dass in MotionSports neben Fußball, Skifahren, Boxen und American Football auch diese beiden Nischenhobbys berücksichtigt werden. Auch wenn der Untertitel “play for real“ lautet, ist es nicht wirklich möglich, die kompletten Sportarten mit all ihren Feinheiten zu erleben. Insbesondere beim Fußball und beim American Football können lediglich kurze Mini-Games bestritten werden, in denen eine kurze Szene, wie beispielsweise das Elfmeterschießen, im Vordergrund steht.
 

MotionSports_3.jpgDie Steuerung ist nicht gerade komplex. Meistens stehen den Spielern lediglich eine Handvoll unterschiedlicher Aktionen zur Verfügung. Das allein wäre eigentlich kein Grund zum Meckern, wenn alles vernünftig funktionieren würde. Leider trifft das aber nicht zu. Beim Boxen, der einzigen vertretenen Sportart die körperlich fordernd ist, fühlt sich die Bewegungserkennung mehr als schwammig an. Schläge oder Ausweichbewegungen werden teilweise gar nicht wahrgenommen, falsch oder mit deutlicher Verzögerung ins Spiel übertragen. Besonders tragisch ist die Tatsache, dass jederzeit klar ist, dass die Prügelduelle aus der Ego-Perspektive richtig viel Spaß gemacht hätten, wenn die Kamera die Realität vernünftig einfangen würde. Wie so häufig ist das wilde Schwingen der Arme ohne jegliche Taktik die beste Methode, um die Gegner auf die Bretter zu schicken. Selbst im angestaubten Wii Sports sind die Boxkämpfe besser gelungen. Noch schlimmer trifft es einige der Mini-Games aus den Bereichen Fußball oder American Football. Sicherlich war es ambitioniert zu versuchen, Freistöße mit Unterstützung von Kinect zu simulieren. Allerdings ist es absolut unmöglich die Richtung des Balles zu bestimmen, wenn versucht wird, die tatsächlichen Bewegungen eines Fußballers nachzuahmen. Mit zwei bis drei sehr langsamen Schritten in Richtung des Balles und einem zaghaften Schuss geht es dann doch, aber das ist eben nicht das, was auf dem Cover von MotionSports versprochen wird.

 

Für das Mindestmaß an Abwechslung ist gesorgt. Wer fleißig spielt, kann im Laufe der Zeit neue Herausforderungen frei schalten, die teilweise auch andere Schwerpunkte setzen. So gibt es im Bereich American Football sowohl Mini-Games, bei denen das Schießen im Vordergrund steht als auch solche Missionen, bei denen schnell ausgewichen werden muss, um sich an den Verteidigern des gegnerischen Teams vorbeizumogeln. Beim Wintersport kann neben Slalom- und Abfahrtspisten auch die Skisprungschanze unsicher gemacht werden. Das alles bringt aber recht wenig, da der Großteil der kurzen Missionen weder interessant noch anspruchsvoll ist.

 

Es sind die Disziplinen, die sich grob dem Rennspielgenre zuordnen lassen, die MotionSports davor bewahren, noch weiter an das untere Ende der neXGam-Wertungsskala zu gelangen. Besonders Drachenfliegen und Reiten können zeitweise durchaus ein Lächeln auf das Gesicht zaubern, was in erster Linie an der ungewöhnlichen und realistischen Lenkung von Sportgerät und Tier liegt. Jedenfalls passt der Eindruck. Die Anzahl von Pferdebesitzen und Extremsportlern, die das wirklich beurteilen könnten, dürfte recht gering sein.
 

MotionSports_4.jpgEin paar Multiplayer-Funktionen sind vorhanden. Meistens darf in Kämpfen um die Highscore nacheinander angetreten werden, aber auch ein paar Splitscreen-Duelle für zwei menschliche Kontrahenten wurden integriert. Es ist ein altbekanntes Phänomen, dass es bei Games dieser Art manchmal lustiger ist zuzuschauen als selbst anzutreten. Neben dieser Tatsache tragen die Mehrspieleroptionen aber herzlich wenig zum Spielspaß bei. Xbox Live Duelle wurden komplett gestrichen. Stattdessen gibt es Bonus-Inhalte, die über Ubisofts neuen Service uplay bezogen werden können. Ob es eine gute Idee ist, den offiziellen Onlinedienst einer Konsole zu vernachlässigen und ein eigenes anmeldepflichtiges System zu etablieren, wird die Zukunft zeigen.

 

MotionSports_5.jpgSelbst ein mittelmäßiges Spiel kann durch eine nette Präsentation und ein paar gut platzierte freispielbare Extras motivierend gestaltet werden. In MotionSports geschieht leider das komplette Gegenteil und so verlieren selbst die wenigen interessanten Disziplinen innerhalb einer Stunde jeglichen Reiz. Die Ladezeiten sind eine Zumutung. Nach Abschluss eines Mini-Games vergehen oft mehr als zwei Minuten, bis erneut gespielt werden kann. Eine langweilige Auswertung, die unabhängig von der erbrachten Leistung oder der Sportart immer nahezu gleich abläuft, das gelegentliche Posieren für Siegerfotos und die Rückkehr ins Hauptmenü verschlingen wertvolle Lebenszeit. Wer glaubt, dass es heutzutage in jedem Spiel möglich ist, eine Runde nach einem Patzer abzubrechen und direkt wieder durchzustarten, hat die Rechnung ohne die Programmierer im Hause Ubisoft gemacht. Bei MotionSports wird alles neu geladen, inklusive der Frage nach der Spieleranzahl und einem Video das die Steuerung erklärt. Es ist bitter, aber da die meisten Herausforderungen nur ein paar Minuten dauern, sind die Menschen vor dem Kinect-Sensor tatsächlich mehr mit dem Auswählen von Optionen und dem Warten beschäftigt als mit dem Spielen. Um noch eins drauf zu setzen und das letzte bisschen Spaß im Keim zu ersticken, ist das System das dem Freischalten von neuen Missionen zugrunde liegt absolut nicht nachvollziehbar. Die Vermutung liegt nah, dass durch das Bezwingen eines Gegners im Boxen der nächste Faustkämpfer verfügbar wird. Dem ist aber nicht so. Welche Voraussetzungen im Detail erfüllt werden müssen, wird nie erklärt. Ab und zu erscheint nach einer guten Leistung die Meldung, dass eine weitere Herausforderung verfügbar ist, aber um was es sich handelt und wo gesucht werden muss, bleibt ein Geheimnis.

 

Die Grafik ist zweckmäßig ausgefallen und kann in einigen Bereichen durchaus lieblos genannt werden. Oft wird nur das Nötigste geboten, um die Sportarten in Szene zu setzen. Optische Leckerbissen, wie beispielsweise eine Kamerafahrt über ein verschneites Skigebiet oder einen Einmarsch zum Boxring samt Feuerwerk, gibt es hier nicht zu sehen. Die Animationen sind flüssig, aber alles andere als vielfältig. Ein paar Überraschungen im späteren Spielverlauf hätten hier viel bewirken können, aber immer wieder flimmern die gleichen Bilder über den Bildschirm. Was den Look der virtuellen Sportler angeht, wollten sich die Macher offensichtlich klar von den bunten Figuren distanzieren, die ähnliche Games meistens bevölkern. Spaßfreie und wenig detailreiche Charaktere sind das Resultat.
 

MotionSports_6.jpgEs gibt tatsächlich ein paar Leute, die sich nicht schämen müssen, an der Entwicklung von MotionSports beteiligt gewesen zu sein. Zu dieser erlesenen Gruppe gehört der deutsche Sprecher, der alle Sportarten mit enthusiastischen Kommentaren begleitet und es zumindest für eine Weile schafft, die Akteure vor dem Bildschirm zu motivieren. Von diesem kleinen Lichtblick abgesehen, gibt es zur akustischen Untermalung nicht viel zu sagen. Lediglich zwischen den Events ist Musik zu hören. Während der Mini-Games erklingen neben der Stimme des Sprechers ausschließlich Soundeffekte. Die Geräuschkulisse ist meistens recht realistisch, aber das darf heutzutage wohl auch erwartet werden.

 




Tim meint:

Tim

Ubisoft ist eines der letzten Aushängeschilder der europäischen Videospielindustrie und hat im Laufe der Jahre eine Menge wirklich guter Games auf den Markt gebracht. Das ist die volle Wahrheit und musste geschrieben werden, damit in diesem Fazit überhaupt ein paar nette Worte zu finden sind. Ein Produkt wie MotionSports hätte eigentlich nicht veröffentlicht werden dürfen, dafür müsste in einem internationalen Unternehmen die Qualitätssicherung sorgen. Die Steuerung ist nur bei der Hälfte der Games halbwegs gelungen, die grafische Darbietung kann nicht überzeugen und es fehlt ein roter Faden, der die einzelnen Herausforderungen logisch miteinander verknüpft. Das mit Abstand größte Manko sind aber die ständigen Warte- und Ladezeiten. Kinect Sports ist diesem Machwerk in allen Bereichen überlegen. Der Kauf von MotionSports kann eigentlich nur Masochisten empfohlen werden.

Positiv

  • Die Renndisziplinen sind okay
  • Wenigstens der Kommentator gab sich Mühe

Negativ

  • Lange Wartezeiten
  • Diverse oberflächliche Mini-Games
  • Schwammige Steuerung
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MotionSports Daten
Genre Sport
Spieleranzahl 1 - 2 (simultan), 1-4 abwechselnd
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 2010-11-10
Vermarkter Ubisoft
Wertung 3
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neXGam YouTube Channel
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