Light Crusader im Test

Mega Drive

Wir schreiben das Jahr 1995. Eine Zeit, in der Männer noch echte Männer, Fernseher noch echte Fernseher und große, rote Backsteine noch große, rote Backsteine waren. Die Sonne schien fast jede Tag und auf den Schulhöfen war die Welt noch in Ordnung. Die Schülerschaft stand sich fröhlich in 2 feindlich gesinnten Gruppierungen gegenüber und die große Pause war jeden Tag aufs Neue der Startschuss für das Duell der Duelle: Seganer gegen Nintendo Fanboys. Das Leben wäre traumhaft für einen Seganer wie mich gewesen, wenn die Nintendofraktion nicht bei jedem Durchgang, gerade wenn sie durch ein „Sonic ist viel schneller!!“ gefährlich angeknockt war, lässig mit einem „wir haben aber Zelda“ gekontert hätte. Das war schlicht und einfach unfair. Und das schlimmste ist, es war wahr! Wir hatten kein Zelda. Wir hatten noch nicht mal etwas ähnliches ...

Light-Crusader-1Gut, es gab zwar LandStalker. Aber auf Grund der grottigen Steuerung wird SEGA wohl mehr an dem Ersatz für die vor Wut zertrümmerten Pads als an dem Spiel selbst verdient haben. Eine wirkliche Chance gegen das über-Action Adventure Nintendos hatte es nie. Doch 1995 sollte alles anders werden. Mit Light Crusader von Treasure, den Gunstar Heroes Machern, erschien endlich ein Action-Adventure welches das Potential haben könnte, den Links dieser Welt zu zeigen wo der Hammer hängt. Ob Light Crusader zu den Harten in den Garten gehört?

Sobald ihr das Modul in euer Mega Drive gesteckt und einen von 4 Speicherplätzen ausgewählt habt, wird ein langes, nicht abbrechbares Intro abgespult, um euch die Geschichte von Light Crusader nahe zu bringen. Ihr übernehmt die Rolle des Kai Lanker, eines Schwertfechters in Diensten König Frederiks von Whitewood. Nach etlichen Schlachten seid ihr des Kämpfens müde und euer König schickt euch auf Urlaub in das benachbarte Königreich Walburgia. Dort angekommen merkt ihr schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Es verschwinden jeden Tag spurlos Untertanen und hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass etwas altes und sehr Böses unter der Stadt begraben liegt. König Weeden von Walburgia bittet euch nun, die verschwundenen Menschen zu suchen und das Geheimnis um ihr Verschwinden zu lüften. Als echter Gutmensch wird der Urlaub natürlich sofort abgeblasen und ihr gelobt dem König zu helfen. Zugegebenermaßen keine besonders originelle Story. Mit fortschreitendem Spielverlauf gewinnt sie aber durchaus an Reiz.

Das Erste, was nach dem Ende des Intros ins Auge sticht, ist die isometrische Grafikperspektive. Viele Landstalker-Geschädigte werden schon in wilder Panik aufheulen und hinter ihren Sofas in Deckung gehen, es kann aber zumindest für den Spielanfang Entwarnung gegeben werden. Ohne Kampfhektik und Rätselgemeinheiten spielt sich das Spiel relativ angenehm und flüssig. Mit dem eigenen Schatten als Bezugspunkt sind auch weitere Sprünge mit etwas Übung gut zu meistern. Nach dem ersten Schreck also nix wie los und Erkundung betreiben. Spätestens in 15 Minuten (in Worten FÜNFZEHN!!!!) ist dann auch schon die gesamte Oberwelt erforscht, was der einfachen Tatsache geschuldet ist, dass sie lediglich aus dem Schloss und dem dazugehörigen Dorf nebst Friedhof besteht. Weite grüne Wälder und Wiesen, wie sie Zelda und auch LandStalker offerieren, sucht man hier vergebens.

Light-Crusader-2Nach einigen Gesprächen mit NPCs, die anscheinend alle einen auf Salzsäure machen und folglich so viel Eigenleben wie ein paar alter Schlappen entwickeln, kristallisiert sich heraus, dass die ganzen unheimlichen Geschehnisse etwas mit dem örtlichen Friedhof zu tun haben. Ist ja irgendwie auch logisch! Unheimlich -> Friedhof... klare Sache! Nach einiger Rumprobiererei gelingt es dort auch schnell, einen äußerst geheimen Eingang zu öffnen. Et voila, willkommen in der Unterwelt. Spätestens ab hier überkommen einen gewisse Reminiszenzen an Diablo.

Der Aufbau beider Spiele ähnelt sich zumindest äußerlich betrachtet sehr. Es existiert eine kleine Oberwelt, in der in Geschäften das sauer verdiente Gold ausgegeben werden kann, der eigentliche Teil des Spieles findet jedoch unterirdisch in den Dungeons statt. Bei Light Crusader existieren übrigens in jedem Stockwerk spezielle Teleporträume, die eine schnelle und stressfreie Reise zwischen der Oberwelt und den einzelnen Stockwerken des Dungeons ermöglichen. Das ewige Gerenne, falls man mal wieder im ersten Stock etwas vergessen hat, unpassenderweise aber gerade im 5. Stock weilt, entfällt somit.

In dem Dungeon stellen sich Kai auch die ersten Gegner in den Weg. In diesem Fall grüne Schleimklumpen. Also flugs das Schwert ausgepackt und ins Getümmel gestürzt. Das erste Gefecht schafft dann auch gleich eine wunderbare Gelegenheit, sich die Steuerung etwas besser zu Gemüt zu führen. Gesteuert wird Kai klassisch über das Digitalkreuz. Die A Taste lässt ihn zaubern, die B Taste ist zum Angriff mit dem Schwert gedacht und mit C wird gesprungen. Wenn in eine bestimmte Richtung gesprungen und noch in der Luft die Angriffstaste betätig wird, führt Kai außerdem einen Sprungangriff aus, der frappierend an einen Flachköpper mit Schwert in den Händen erinnert. Generell und auch gerade in Hinsicht auf LandStalker funktioniert die Steuerung während der Kämpfe recht gut. Manchmal ist es etwas hakelig, prinzipiell aber gut spielbar. Lediglich der Sprungangriff ist stellenweise schwer einzusetzen, weil die Distanz zu dem Gegner genau stimmen muss, um einen Treffer zu landen.

Nachdem die ersten Gegner mit Kais flinker Klinge bekannt gemacht wurden und ihr Leben jetzt eher aus einer fragmentarischen Perspektive betrachten, ist es an der Zeit den Fokus auf das Magiesystem zu lenken, das mit einigen Besonderheiten aufwartet. Kai stehen nämlich nicht nur einfach fertige Instantzauber nach dem Motto „ausgepackt, losgezaubert“ zur Verfügung, sondern es wurde eine Art Baukastensystem implementiert.

Um zaubern zu können benötigt Kai Elementkapseln, von denen vier verschiedene Ausführungen existieren. Jedes Element (Wasser, Erde, Feuer, Wind) hat seine eigene Kapselart, die frei mit anderen Elementkapseln kombiniert werden kann. Werden z.B Windkapseln und Feuerkapseln gleichzeitig ausgewählt, dann entfesselt Kai einen Feuersturm. Feuer- und Erde-Kapseln zusammen lassen einen Meteor auf die Feinde niedergehen, Wasser alleine heilt seine Wunden. Alle Kombinationen sind übrigens mit Erläuterungen in dem Handbuch aufgeführt. Insgesamt sind so 15 verschiedene und durchaus nützliche Sprüche möglich, was für die damalige Zeit in einem Action-Adventure durchaus nicht selbstverständlich war.

Light-Crusader-3Nach den ersten Gegnern begegnet einem auch ziemlich schnell das zweite und eigentlich auch etwas dominierende Element des Spieles: Das Puzzle. Das Grundprinzip ist dabei immer ähnlich und lässt sich mit: Bekomme in einem Raum irgendetwas, irgendwie, irgendwohin um irgendetwas zu bedienen/bestrahlen/zu sprengen um die nächste Tür zu öffnen, zusammenfassen. Stellenweise kommt man sich vor, wie ein Gefangener in einem isometrischen Albtraum eines Physikers. Die zu lösenden Aufgaben werden immer schwieriger, sind letztendlich aber alle fair und mit etwas Nachdenken auch stets zu lösen.

In dem ganzen Spiel ist mir lediglich ein einziges Rätsel begegnet, dass nicht logisch lösbar zu sein scheint, egal wie sehr ich darüber nachdenke. (Vielleicht raffe ich es aber auch einfach nicht) Wie dem auch sei ... wenn euch ein Schild mit der Aufschrift „Sterne verboten“ begegnet, macht euch auf etwas gefasst! Eure Qualen werden furchtbar sein! Die große Zahl an Rätselaufgaben ist in einem Action-Adventure zwar eher ungewöhnlich, schafft aber trotz allen Dingen einen nicht zu unterschätzenden Motivationsfaktor. Das Herumprobieren macht wirklich Spaß und letztlich will man dem Spiel einfach auch zeigen, wer das Superhirn im Ring ist.

Was die Steuerung während der Puzzleaufgaben angeht, muss allerdings noch ein Kritikpunkt angesprochen werden. Während sie beim normalen Herumlaufen durchaus angenehm wirkt und bei Kämpfen zumindest als brauchbar zu bezeichnen ist, wirkt die Steuerung bei den Puzzleaufgaben stellenweise schlichtweg furchtbar. Es passiert unheimlich oft, dass man einen Raum drei-, viermal wieder verlassen muss, um alles wieder auf Null zu stellen. Weil wegen der ungenauen Steuerung mal wieder das Fass, das über mehrere Plattformen zu der Tür geschoben werden muss, um diese aufzusprengen, so an der Rückwand gelandet ist, dass man es dort nicht mehr wegbekommt. Dazu gesellen sich noch stellenweise erstaunliche, anscheinend völlig neu entdeckte physikalische Gesetze. Beispielsweise neigt ein Fass, das auf einer drehbaren Brücke steht, permanent dazu, boshafterweise von besagter Brücke zu fallen ... ganz egal, wie langsam man dreht. Diese neuen Gesetze machen auch vor Kai nicht halt. So fliegt er gerne plötzlich von beweglichen Plattformen herunter, auf denen er vorher gemütlich minutenlang hin und her gefahren ist. Wohlweislich ohne ein Zutun des Spielers. Diese Macken sorgen für einigen Frust und einem erhöhten Verbrauch an Baldriantropfen.

Während seiner Reise findet Kai natürlich auch etliche Gegenstände, angefangen bei Obst, Fleisch und Tränken, die Lebenspunkte wieder herstellen bis hin zu neuen Waffen und Rüstungen. Die Fundsachen werden in einem übersichtlichen Inventar abgelegt, welches über das Startmenü aufgerufen wird und sogar über eine automatische Sortierfunktion verfügt. Als zusätzlicher Komfort kann über das Optionsmenü der Punkt „Auto-Item-Benutzung“ aktiviert werden. Wenn diese Option aktiviert wurde, heilt sich Kai selbstständig und ohne Zutun des Spielers. Der Bequemlichkeit nicht genug, befindet sich in dem Startmenü noch eine gut lesbare Automap, die auch selbstständig besondere Funktionsräume wie Teleporter oder Speicherräume markiert. Für die damalige Zeit ist das Spiel also äußerst komfortabel spielbar. Das Speichersystem wurde ebenfalls gut gelöst. In jedem Dungeonstockwerk befinden sich Speicherräume, in denen Kai sein Abenteuer sichern kann.

Light-Crusader-4Das Spiel setzt nun größtenteils das übliche Muster fort: Ab und zu ein paar Gegner besiegen, dann wieder ein paar Rätsel lösen, ein paar verschwundene Bürger befreien und von Zeit zu Zeit mal ein Bossmonster platt machen. Diese Bosskämpfe sind allerdings wenig phantasiereich umgesetzt und lassen sich eigentlich immer mit einfachem Draufgehaue für sich entscheiden. Spezielle Taktiken sind kaum bis nie erforderlich. In den unteren Level wartet allerdings noch eine Überraschung, die das Spiel durchaus interessanter macht und die monotone Rätsel-lösen-dann-Gegner-verhauen-dann-wieder-Rätsel-lösen-um-weiterzukommen Mechanik auflockert. Zu viel sei an dieser Stelle aber nicht verraten.

Generell fehlt es Light Crusader aber klar an Atmosphäre. Mit dazu beitragen wird wohl auch das schmerzliche Fehlen von Geheimverstecken, die den Forscherdrang beflügeln würden.

Von der technischen Seite betrachtet stellt Light Crusader wirklich einen sehr schönen Titel da. Man merkt, dass die Programmierer gegen Ende der Mega Drive Ära die Fähigkeit der Konsole voll ausreizen konnten. Die Animationen sind geschmeidig, die Charaktere schön gezeichnet und die Hintergründe sehr detailliert.

Der Grafikstil ist im Gegensatz zu LandStalker sehr erwachsen, was sich u.a dadurch äußert, dass man den grünhäutigen Ogern im Kampf auch mal den Kopf abschlagen kann. Wie dieses mit der damaligen Altersfreigabe ab 6 Jahren zu erklären ist, ist mir allerdings nicht ganz klar. Die Sounduntermalung ist ebenfalls bestens gelungen und hält manche Melodie mit Ohrwurmcharakter bereit. Allerdings geht einem die Hintergrundmusik der ersten 2 Stockwerke mit der Zeit etwas auf den Wecker.




Andreas meint:

Andreas

Light Crusader ist ein wirklich schönes Action-Adventure mit sehr guter Grafik und einer etwas ungewöhnlichen Puzzledichte. Mit einem Kaliber wie Zelda - A Link to the Past kann es jedoch, u.a. auch aufgrund der schwachen Story und geringen Abwechslung, nicht mithalten. Wegen der doch sehr überschaubaren Auswahl von Action-Adventures auf dem SEGA Mega Drive ist das Spiel trotzdem für jeden Freund des Genres einen Blick wert.

Positiv

  • schöne Grafik!
  • Spiel durchgehend in Deutsch
  • abwechslungsreiche Rätsel

Negativ

  • trotzdem nicht sehr atmosphärisch
  • wenig Geheimnisse zu entdecken
  • nur ein großer Dungeon
Userwertung
9.4 9 Stimmen
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Forum
  • von SolidSega:

    Ja klar, such mal nach Shove It (us) bzw. Shijou saidai no Soukoban (jap). ...

  • von cd32:

    Sokoban hab ich in den 80er am IBM PC gespielt und geliebt. Gibts das eigentlich für md ?

  • von CIT:

    Witzig, bin auch letztens an Light Crusader hängen geblieben. Ich mag den Fokus auf Dungeoncrawling und die visuelle Aufmachung. Die Steuerung finde ich aber auch etwas unpräzise, und ich mag nicht, dass es so viele Boxen-rumschieb-Rätsel gibt — da kann ich gleich Sokoban spielen. Unterm Strich...

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Light Crusader Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 Hz
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 1995
Vermarkter SEGA
Wertung 7.6
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