Alan Wake im Test

Xbox 360

Der Polarkreis ist bekannt für blonde Traumfrauen, überteuerten Alkohol, Elche im Straßenverkehr und? Genau, Remedy! Das finnische Entwickler-Studio zeigt sich für die Max Payne-Reihe verantwortlich und brachte schon mehrere äußerst erfolgreiche Titel an den Start. Mit dem spielbaren Mystery-Thriller Alan Wake kommt jetzt das neueste Produkt der ambitionierten Spieleschmiede in die Regale …

Alan_Wake_11Als Erfolgsautor steht Alan Wake unter großem Druck! Seit zwei Jahren leidet er unter einer akuten Schreibblockade. Abhilfe soll ein Urlaub im abgeschiedenen Örtchen Bright Falls bringen, gemeinsam mit Gattin Alice. Schon kurze Zeit später hängt der Haussegen schief! Sie rechnet fest damit, dass ihr Göttergatte endlich genug Inspiration findet, um einen neuen Bestseller zu verfassen. Und außerdem hörte sie von einem örtlichen Seelendoktor, der sich auf Künstler mit Schaffenskrise spezialisierte. Er ist davon natürlich alles andere als begeistert und stürmt nach einem Streit wütend hinaus. Doch dann wird sie vor den Augen des Autors entführt und er macht sich an die Verfolgung. Sieben Tage später findet er sich am Lenkrad eines verunglückten Wagens wieder, der kurz davor ist, in eine Schlucht zu stürzen. Benommen kleckert er aus dem Wrack und entdeckt ein Schriftstück, welches ihn verwirrt. Bei dem Manuskript handelt es sich nämlich um nichts Geringeres als eine Seite aus Alans neuem Buch. Doch er kann sich nicht daran erinnern, sie je geschrieben zu haben. Und so begibt er sich auf die Suche nach Alice und der Herkunft der mysteriösen Blätter, die wiederholt auftauchen. Sie erzählen die Geschichte von Alan Wake...

Bright Falls ist alles andere als die verschlafene Kleinstadt, die sie tagsüber vorgibt zu sein und schnell wird klar, dass hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Einige der Bewohner des kleinen Örtchens verhalten sich, selbst für so ländliche Gegenden äußerst merkwürdig. Und wenn erst einmal die Nacht hereinbricht, ist mit der Bevölkerung nicht gut Kirschen essen. Viele von ihnen scheinen von einer dämonischen Finsternis besessen zu sein, welche ihre Körper in ein unheimliches Dunkel hüllt und als mordhungrige Marionetten einsetzt. Auf die ersten albtraumhaften Begegnungen im Wald folgt die kaum überraschende Erkenntnis, dass die Polizei Alan nicht glaubt. Dem unter Schlafmangel leidenden Schriftsteller bleibt also nichts anderes übrig als selber aktiv zu werden.

Alan_Wake_2Die ineinander übergreifenden Episoden folgen zwar einem strikt linearen Muster. Dank Echtzeit-Erzählstruktur, kaum vorhandenen Ladepausen und der oftmals beeindruckenden Weitsicht fühlt es sich aber an, als würden wir uns frei durch Bright Falls und Umgebung bewegen. Dadurch kaschiert Remedy geschickt die Tatsache, dass wir im Grunde genommen doch nur stur durch die einzelnen Levels gelotst werden. Weiter schlimm ist das nicht. Alan Wake lebt von seiner dichten Atmosphäre und die würde in einer „offeneren“ Welt zu kurz kommen. Die meisten der Spielabschnitte sind ohnehin weitläufig ausgefallen und man fühlt sich zu keinem Zeitpunkt eingeengt oder in ein zu schmales Korsett geschnürt.

Das Missionsdesign besteht im Grunde genommen nur darin bestimmte Orte oder Gegenstände zu finden bzw. untersuchen und gegen Besessene zu kämpfen. Die Faszination des Spiels rührt in erster Linie von der packenden Geschichte und den schlichtweg wunderschönen, abwechslungsreichen Schauplätzen her. So besuchen wir unter anderem ein Holzwerk tief in den Wäldern oder natürlich Bright Falls selbst.

Alan_Wake_33Dazu gesellen sich ein Kurzausflug in einen typisch amerikanischen Trailerpark, ein nicht ganz freiwilliger Aufenthalt in einem malerisch gelegenen Sanatorium und einige Flashback-Sequenzen aus Alans Vergangenheit. Für Sammelnaturen sind überall in der Spielwelt Kaffee-Thermoskannen und die bereits erwähnten Manuskriptseiten versteckt. Auch Vorrats-Kisten mit kostbaren Inhalten wie Blendgranaten oder Signalpistolen sind überall verteilt. Wer durch die Levels hetzt und die Umgebung nicht untersucht, macht es sich also nur unnötig schwer. Munition ist nämlich Mangelware und eine unbewaffnete Auseinandersetzung mit den Besessenen endet in 99 % der Fälle mit dem Ingame-Tod. Flucht ist außerdem nicht immer eine Option. Die Angreifer sind verdammt flink, und wenn nicht zufällig eine Lichtquelle in der Nähe ist, wo wir Schutz finden, stehen die Chancen zu entkommen denkbar mies. Wie die meisten aktuellen Games setzt Alan Wake ebenfalls auf eine regenerative Gesundheitsanzeige. Befinden wir uns zusätzlich im Lichtkegel einer Lampe oder eines Scheinwerfers geht unsere Erholung wesentlich schneller vonstatten. Neben der Health-Anzeige am oberen linken Bildschirmrand befindet sich auch ein kleiner Kompass, der zum nächsten Missionsziel führt.

Wie zu erwarten, ist Alan alles andere als eine Kampfmaschine und schon wenige gegnerische Treffer reichen, um uns zurück zum letzten, fair verteilten, Checkpoint zu bugsieren. In der Nacht bekommen wir es unter anderem mit unterschiedlich starken, von der Dunkelheit infizierten Holz- und Minenarbeitern und vielen anderen, gefährlichen Bewohnern Bright Falls zu tun. Zwischenzeitlich trachten uns sogar ganze Vogelschwärme und besessene Gegenstände, Maschinen oder Baufahrzeuge - die sogenannten Poltergeister - nach dem Leben.

Alan_Wake_6Herr werden wir der Gegnerschar mit einem übersichtlichen Arsenal an Meinungsverstärkern. Bright Falls ist ein Mekka für Jäger, weshalb es kaum verwunderlich erscheint, dass wir des Öfteren unter anderem auf Jagdgewehre stoßen, die wir natürlich ebenso gern verwenden wie beispielsweise Leuchtpistolen. Die wichtigste „Waffe“ im Spiel ist aber eindeutig die Taschenlampe, die auch als etwas größere Stablampe und später sogar als handlicher Halogen-Strahler verfügbar ist. Während es bei besessenen Maschinen oder Gegenständen meist genügt mit ordentlich Licht draufzuhalten, um die Finsternis zu vertreiben, machen es uns die „menschlichen“ Feinde nicht so einfach. Erst nachdem wir ihre dunkle Schutzhülle durch ausreichende Bestrahlung via Lampe oder Scheinwerfer entfernten, lohnt sich der eigentliche Angriff.

Nur danach werden sie nämlich verwundbar und können durch mehrere Ladungen Blei ins Jenseits befördert werden. Anstelle von Blut-Effekten gibt es dabei ansehnlichen Funkenflug zu betrachten, was auch die USK 16 Freigabe von Alan Wake erklärt. Kommt uns ein Besessener zu Nahe, besteht die Möglichkeit auf Knopfdruck ein Ausweichmanöver zu starten oder schleunigst eine Leuchtfackel oder Blendgranate auf den Boden zu pfeffern. Nahkampfangriffe gibt es nicht! Ein Hieb mit der Taschenlampe oder dem Gewehrschaft wäre doch nicht zu viel verlangt gewesen. Zumal das „auf Abstand“-Halten der oft in Rudeln auftretenden Feinde, vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden, nicht so leicht fällt. Um den Besessenen die Finsternis schneller auszutreiben, empfiehlt sich die Sekundärfunktion unserer Taschenlampe! Wird der linke Trigger gedrückt verstärkt sich der Strahl für kurze Zeit und verursacht wesentlich mehr Schaden. Ähnlich wie die Health-Energie lädt sich diese Funktion ebenso selbstständig wieder auf. Allerdings ist oftmals nicht genug Zeit um zu warten, bis die Lampe wieder Saft hat. Deshalb ist es sinnvoll in kritischen Situationen einfach schnell die Batterien zu wechseln und den treuen Begleiter komplett neu aufzuladen.

Alan_Wake_9Gesteuert wird die Taschenlampe mit dem rechten Stick, dasselbe gilt auch für die aktuell ausgerüstete Waffe. Ein Zielkreuz gibt es nicht, Alan schießt immer an die Stelle, die der Lichtkegel erhellt. Das Ganze wirkt wie eine etwas vereinfachte Form des Zielsystems der letzten Resident Evil Spiele und funktioniert tadellos. Da unsere Gegner nicht schießen sondern stattdessen mit Äxten oder Metallrohren auf uns los gehen, haben wir meist genug Zeit, um die bösen Buben ins Visier zu nehmen.

Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Nicht selten fliegen diverse der Dunkelheit besessene Gegenstände wie Bänke oder ganze Zug-Waggons wie von Geisterhand geworfen durch die Luft. Schnelles Ausweichen ist hierbei das Maß aller Dinge! Gelegentlich lassen sich auf uns zusausende Objekte mit etwas Geschick in Richtung eines im Weg stehendes Gegnergrüppchens steuern. Manche Durchgänge sind ebenfalls von der Dunkelheit versperrt und dürfen erst betreten werden, nachdem wir die Hindernisse mit Licht aus dem Weg räumten. Reicht der Schein unserer Taschenlampe nicht, finden sich in der Nähe oft Generatoren, die durch ein Quick Time Event gestartet werden und beispielsweise einen kraftvollen Such-Scheinwerfer oder Deckenstrahler mit Energie versorgen. Um höher gelegene Punkte zu erreichen muss auch mal eine Leiter hinaufgeklettert oder über Plattformen gesprungen werden. Falls nötig kann Alan ebenso Kräne oder Lasten-Aufzüge bedienen.

Die kleineren Ingame-Denkspiele sind nicht sonderlich knifflig, lockern aber das Gameplay auf und wurden gut in den Spielverlauf integriert. Oberstes Spielziel ist es natürlich Alice zu finden und dem Mysterium Bright Falls auf den Grund zu gehen! Die meiste Zeit sind wir zwar solo unterwegs, bisweilen erhalten wir aber auch tatkräftige Unterstützung von unserem leicht trotteligen Agenten/PR-Manager Barry, der extra nach Bright Falls kam, um auf Alan „aufzupassen“.

Alan_Wake_7Im späteren Spielverlauf stellt sich ebenso noch der taffe weibliche Dorf-Sheriff auf unsere Seite. Dabei agieren unsere Spielabschnitts-Kollegen erfreulich selbstständig und auch am KI-Verhalten der Gegner gibt es nichts auszusetzen. Für beste Unterhaltung sorgen Highlights wie der Kampf gegen einen monströsen Mähdrescher, eine atemlose Hetzjagd durch den Wald oder die Verteidigung einer nordisch angehauchten Rock-Bühne gegen dutzende Angreifer.

Als krassen Gegensatz zu den Albtraum-Nächten erleben wir Bright Falls aber auch tagsüber, wo alles heile Welt zu sein scheint. Vögel zwitschern, die Sonne strahlt, der örtliche Radiomoderator philosophiert über das Leben und die Bewohner des Städtchens bereiten sich in freudiger Erwartung auf das bevorstehende Hirschfest vor. Diese Sequenzen strahlen eine merkwürdige Ruhe aus, die sich nur schwer beschreiben lässt.

Um längere Strecken zu überbrücken, stehen von Zeit zu Zeit Autos bereit, die uns nicht nur schneller machen, sondern dank Scheinwerfern und stabiler Bauweise auch hervorragend dazu geeignet sind, bei Nachtfahrten übermütige Besessene umzumähen. Doch Vorsicht, bei zu viel Blechschaden beginnen die Karren zu qualmen und wir müssen zu Fuß weiter. Die Steuerung der Vehikel ist simpel, störend ist nur die leicht zickige Perspektive bei schnellen Kamera-Richtungswechseln. Mit Ausnahme einer Sequenz gegen Ende des Spiels sind die Fahrzeug-Abschnitte zwar eine nette, gameplaytechnisch aber kaum relevante Dreingabe.

Alan_Wake_18Während viele meiner Kollegen die kurze Spielzeit bemängeln, kann ich diesen Kritikpunkt nur bedingt nachvollziehen. Mein erster Durchlauf beschäftigte mich - ohne Hektik - immerhin gute neun Stunden. Für ein Spiel mit derart spannend inszenierter Geschichte geht das absolut in Ordnung. Stellt euch vor, ihr würdet euch einen neunstündigen Mystery-Thriller im Kino ansehen, früher oder später muss doch auch Schluss sein. :-)

Was die Präsentation angeht, ist Alan Wake natürlich über jeden Zweifel erhaben. Wie nicht anders zu erwarten, liefert Remedy ein audiovisuelles Meisterwerk ab, das definitiv zu den schönsten Spielen der aktuellen Konsolengeneration gehört. Die Detailverliebtheit, die beim Design der Schauplätze und Orte an den Tag gelegt wurde, ist beeindruckend. Sieht man sich erst einmal an dem tollen Panorama der Natur um das Städtchen herum satt, stechen unzählige Kleinigkeiten ins Auge die eine vermeintlich lebendige Spielwelt erzeugen. Die optische Abwechslung ist enorm und hinterlässt trotz meist nur recht kurzer Besuche im jeweiligen Gebiet einen hervorragenden Eindruck. Licht- Schatten- und Partikel-Effekte sind ebenfalls vom Feinsten und der fließende Wechsel zwischen Tag und Nacht sorgt in Verbindung mit der oft kilometerweiten Sicht nicht selten für ungläubiges Staunen.

Da es aber bekanntermaßen kein Spiel ohne Makel gibt, sollte auch erwähnt werden, dass die Animationen von Alan etwas steif geraten sind und die Cut Scenes nicht immer ganz lippensynchron über den HD-Schirm flimmern. Bei schnellen Kamerawechseln kommt es zudem des Öfteren zum unschönen Tearing-Effekt. Unverständlicherweise scheint es in der „Jagdhochburg“ Bright Falls, mit Ausnahme eines Hundes, dem Pappmaché-Hirsch auf einem Festwagen und haufenweise Krähen, keinerlei tierisches Leben zu geben. Dafür überzeugen die menschlichen Charaktere sowohl mit Persönlichkeit als ebenfalls durch ihre Mimik und Gestik.

Alan_Wake_20So grandios die Atmosphäre dank interessanter Figuren und Schauplätze auch rüber kommt, richtig gruslig ist Alan Wake dann doch nicht! Die sporadisch eingestreuten und wohl dosierten Schockmomente sind nicht sonderlich furchteinflößend geraten und speziell der Wald - der große dunkle böse Wald sieht zwar Klasse aus, kommt aber ziemlich zahm daher. An der Vertonung und Synchronisation gibt es hingegen nicht viel auszusetzen, Musik-Untermalung und Soundeffekte klingen ausgezeichnet und auch die professionellen deutschen Sprecher leisten gute Arbeit. Im Vergleich zur ebenfalls auf der Disc enthaltenen, englischen Original-Sprachausgabe ist die Dialog-Abmischung der deutschen Version allerdings einen Tick zu leise ausgefallen und Alans Original-Stimme passt etwas besser zur Hauptfigur. Abseits davon bekommen wir noch informative Radio-Durchsagen und TV-Sendungen präsentiert, die wir uns durch das Einschalten der überall verteilten Geräte zu Gemüte führen dürfen.




Gregory meint:

Gregory

Die erwachsene Story ist hollywoodreif inszeniert, bietet ordentlich Mystery und sorgt über die gesamte Spielzeit hinweg für beste Unterhaltung. Die insgesamt hervorragende Präsentation sorgt für viel Atmosphäre, übermäßig viel Horror oder Schock-Momente solltet ihr allerdings nicht erwarten. Was den Langzeitspielspaß angeht… Nun ja, ein gewisser Wiederspielwert ist definitiv vorhanden, nach dem zweiten oder spätestens dritten Durchlauf hat man allerdings alles gesehen. Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass Alan Wake ein absolut gelungener, spielbarer Psycho-Thriller geworden ist, den ihr euch keinesfalls entgehen lassen solltet.

Positiv

  • Abwechslungsreiche Spielabschnitte
  • Gut funktionierendes Gameplay
  • Packende Story

Negativ

  • Etwas mehr „Horror“ hätte nicht geschadet
  • Keine Nahkampf-Attacke
  • Keine alternativen Entscheidungen oder Enden
Userwertung
8.83333 6 Stimmen
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Forum
  • von cd32:

    Ich hab das remaster auch. Spiele dennoch grad wieder das Original auf der 360. und die zweite disk mit den Video Extras gibt’s übrigens bei YouTube.

  • von Konatas_Diener:

    Hab jetzt auch wieder die normale 360 Version und kann bestätogen dass diese nur eine Disc hat. Warum nicht Remaster? Mir gefallen ein Paar grafische Änderungen im Remaster nicht. Dank BC auf One X sieht das Original auch noch top aus....

  • von cd32:

    Ich beantworte mal selbst, leider nicht. Die exklusive 2. disk enthält nur die spezial Edition.

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Alan Wake Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 2010-05-14
Vermarkter Microsoft Game Stud
Wertung 9
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