Another World: 20th Anniversary Edition - Nostalgie im Test

Normalerweise ist es so: Ein Spiel trudelt ein, es wird einem Redakteur zugeteilt und er bespricht es. Dabei orientiert man sich an der eigenen Erfahrung, die auf dem basiert, was man von anderen vergleichbaren Titeln her kennt. Nostalgie kann zwar gerne aufkommen, sollte jedoch nicht das Urteil beeinflussen.

Doch das ist bei Another World einfach nicht möglich! Denn auch wenn The Digital Lounge das Spiel ans HD-Zeitalter angepasst haben, merkt man ihm trotzdem immer noch den Ursprung aus der Zeit der Pixelgrafik an. Denn im Prinzip wurde nur etwas Kantenglättung betrieben und die Farben wirken auf Grund der Auflösung kräftiger. Ebenso wurde der Sound in die neue Zeit übertragen. Wer allerdings wissen möchte, wie das Spiel damals aussah und klang: Man kann per Knopfdruck zwischen alter und neuer Darstellung umschalten. Und zwar egal, auf welcher Plattform man spielt. Denn der Titel ist auf jeder Konsole herausgekommen, selbst auf der Wii U und dem 3DS.

Das ursprüngliche Gameplay blieb allerdings unangetastet. Noch immer ist Another World hauptsächlich ein Trial and Error-Spiel und der Tod kommt schneller, als man es gewohnt ist. Es ist schier unglaublich, wie viele Todesanimationen das Spiel besitzt. Dennoch, irgendwie beißt man sich durch, da man trotz des häufigen Ablebens wissen möchte, wie es weitergeht.

Und jetzt steckt man als Spieleredakteur in einem Dilemma. Denn die Präsentation ist eindeutig veraltet. Und auch wenn Dark Souls den gehäuft auftretenden Tod erneut populär gemacht hat, ist man es als heutiger Spieler einfach nicht mehr gewohnt, so häufig ins Gras zu beißen. Deshalb könnte man das Game im Prinzip in Grund und Boden verdammen, weil es dem »modernen Zeitgeist« nicht entspricht.

Doch damit würde man einen Fehler begehen. Denn Another World ist trotz der 20th Anniversary-Ausgabe immer noch ein Spiel aus der 16-Bit-Zeit, nur eben minimal an die heutigen Konsolen angepasst. Und deshalb sollte, nein, man muss es sogar mit der Nostalgiebrille auf der Nase begutachten!

Ist das der Fall, kann man es genießen. Denn trotz aller durchaus vorhandenen Mängel lebt der Titel von der Atmosphäre. Und die ist einfach nur genial!

Èric Chahi, der leitende Entwickler der ersten Ausgabe, entwickelte ein für die damalige Zeit untypisches Spiel, das durch eine filmreife Atmosphäre glänzt. Lester Knight Chaykin, der Protagonist des Games, spricht nicht viel. Doch dafür bewegt er sich wie ein richtiger Schauspieler. Und Sequenzen wie die Flucht aus dem Gefängnis oder das hochdramatische Finale versöhnen einen mit Another World. Daran, wie der Titel trotz seines Alters einen in den Bann zieht, kann sich so manch aktuelles Spiel eine Scheibe abschneiden.

Da sieht man gerne über einige unfaire Passagen hinweg, wo man pixelgenau springen muss. Oder über die Steuerung, bei der das Laufen auf dem Aktionsknopf sitzt und man so erst schießt, ehe man sich bewegt. Es sind Fehler, die man vergisst, weil man letzten Endes sich doch wieder sagt: »Ich will noch einen Versuch wagen!«. Und aus diesem einen werden mehr und mehr. Für ein Spiel, welches eindeutig nicht dem modernen Standard entspricht, ist dass das höchste Lob überhaupt.