„Wo ist dabei eigentlich das Problem? Wer hat denn heute noch kein Internet?“, argumentieren Fans diverser Online-Vertriebssysteme, und: „Optische Medien gehören der Vergangenheit an“, heißt es weiter. Zugegeben bietet die digitale Distribution viele Möglichkeiten und den Fortschritt kann man bekanntlich nicht aufhalten. Doch ist diese Zukunft für uns Spieler der beste Deal? Ist es lohnenswert die physikalische Kopie in den Ruhestand zu versetzen?
Diese Fragen lassen sich nicht mit einem simplen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Vielfältige Faktoren spielen eine Rolle. Ich möchte mit diesem Artikel einige dieser Faktoren erläutern, verschiedene Ansprüche und Ansichtsweisen aufzeigen und wie diese durch die derzeitige Entwicklung beeinflusst werden.
Das Internet gehört für die meisten Menschen in den Industrieländern zum täglichen Leben. Herrschen bei älteren Generationen zwar noch Ängste vor dem unbekannten, digitalen Riesen vor, fühlen sich jüngere Semester im weltweiten Netzwerk schon zuhause. Sie treten mit Freunden über Facebook in Kontakt, schauen sich Videos auf Youtube an und statt eine riesige Sammlung Lexika zu kaufen, wird kurzerhand Wikipedia als Bookmark gesetzt. Auch auf Videospiele nimmt das Internet starken Einfluss.
Mitte der 90er Jahren besaßen viele Spiele wie Command & Conquer, Duke Nukem 3D, Descent und Warcraft bereits Multiplayer Modi, die auf das von Novell geschaffene Protokoll IPX aufsetzten. Dieses wies jedoch einen Nachteil auf: Es funktionierte nur in lokalen Netzwerken (LAN). 1995 wurde der kostenpflichtige Service KALI geboren, welcher heute noch existiert. Er besteht aus einem Chat-System und einem IPX- zu TCP/IP-Wrapper. Simpel gesprochen: Er leitet IPX Pakete an andere Nutzer weiter. So wurden schlagartig viele Spiele online-fähig. Nachdem Blizzard ein Jahr später mit dem Battle.net eine hauseigene Lösung für Multiplayer-Partien über das Internet einführte, erfasste dieses Lauffeuer bald die gesamte Industrie. Ein jeder konnte nun per Klick Mitstreiter aus aller Welt rekrutieren.
Auch in anderen Bereichen sah man weitreichende Möglichkeiten. Ist keine fehlerhafte Hardware involviert, arbeiten Computer an sich weitgehend fehlerfrei. Und dennoch müssen wir Nutzer uns oftmals mit Problemen herumschlagen. Der Grund dafür liegt meistens in der Software. Diese wird von Menschenhand geschaffen und Menschen begehen Fehler. Die Lösung: eine Reparatur - in Form eines Patches oder „Bugfixes“. Es ist schwer vorzustellen, doch bevor das Internet zum täglichen Gegenstand wurde, speicherten Softwarehersteller Updates ihrer Produkte auf Disketten und lieferten sie per Post an ihre Kunden aus. Durch das weltweite Netzwerk konnte man diese Komplikation aus der Welt schaffen. Nutzer luden Updates und Patches - sofern nicht zu umfangreich - bequem online herunter. Für die Anbieter löste sich damit ein großes logistisches und finanzielles Problem und die digitale Distribution ward geboren.
Digitale Distribution - die Welt der virtuellen Möglichkeiten
Digitale Distribution oder digitales Publishing ist, im einfachsten Sinne, der Vertrieb einer Software via Internet. Der Begriff kann, für sich genommen, natürlich ein wenig irreführend sein, da auch DVDs, Spielmodule und vergleichbare Datenträger enthalten digitale Daten. Man spricht hier also auf von Form der Publikation: über das weltweite Netz.
Wie schon angesprochen ist diese Weise des Vertriebs für viele Publisher ein Segen: Sie sparen damit Kosten ein. Bei einem Videospiel reicht das vom Drucken der Anleitung hin zur Umverpackung, der Erstellung des Datenträgers bis hin zur Auslieferung an den Kunden. Speziell für kleine Entwicklerstudios bzw. Independent-Studios ein interessanter Aspekt. Diese können sich mit ihren recht bescheidenen Mitteln selten einen Publisher leisten und haben auf dem traditionellen Weg wenige bis gar keine Möglichkeiten, ihr Produkt an den Mann zu bringen. Was könnte es da Schöneres geben, als seine Kreation einfach online, zum Herunterladen anzubieten?
Doch haben wir bisher nur an der Oberfläche gekratzt. Die eingangs angesprochenen Patches lassen sich natürlich ebenso einfach verteilen und mit Plattformen wie Steam unkompliziert installieren. Auch auf Konsolensystemen wie der Playstation 3 werden Updates zu Spieletiteln via digitaler Distribution vertrieben. Alles, was der Nutzer tun muss ist, die Installation mit Druck auf die X-Taste bestätigen. Patches werden in diesem Falle auf die interne Festplatte der Konsole gespeichert. So bleibt es dem Hersteller erspart, eine hoffnungslos fehlerbehaftete Software auszutauschen. Firmen wie Bethesda könnten sich andernfalls kein Engagement im Konsolensektor leisten.
Da die Aktualisierung nun so simpel wurde, liegt der nächste logische Schritt, die Erweiterung, nahe. Downloadable Content (DLC) heißt das Zauberwort - zu Deutsch: Herunterladbarer Inhalt. Das Prinzip an sich ist nicht neu: Früher nannte man das „AddOn“. Dabei handelte es sich oft um zusätzliche Kapitel bzw. Spiellevel. Für die Spieler ist das natürlich etwas Tolles: Sie können ihren liebsten Titel kostengünstig mit weiteren Elementen zu ergänzen. Auch für die Hersteller ist dies ökonomisch: Sie bauen auf der bestehenden Software auf, müssen keine gänzlich neue Engine bzw. einen Nachfolger aus dem Boden stampfen. In der Vergangenheit gab es ein kleines Problem: Das AddOn musste umfangreich genug sein, um die Produktion eines Datenträgers und alle logistische Aspekte zu rechtfertigen. Der Preis sollte jedoch so gering ausfallen, dass Kunden zur Erweiterung griffen, statt ein völlig anderes Spiel in Betracht zu ziehen. Dank der digitalen Distribution ist das kein Thema mehr. Oft gibt es schon gleich eine Woche nach Verkaufsstart des neusten Ego-Shooters ein DLC mit ganzen 3 neuen Multiplayer Level für nur 5 Euro. Kauft der Spieler diese Ramschprodukte nicht, entsteht im Vergleich zur Produktion einer AddOn-Disc, kein nennenswerter finanzieller Aufwand.
Natürlich wollen wir hier nicht zu negativ klingen. Es gibt jene DLCs, die für wenig Geld das Hauptspiel um viele Stunden Spielspaß verlängern oder fast eine Fortsetzung daraus machen. Und auch wenn diese großen Erweiterungen ihren Preis haben, stellen sie für Fans eine perfekte Möglichkeit dar, ihr Lieblingsspiel nach ihren Wünschen zu erweitern. Manche Titel bleiben so Monate, manchmal gar Jahre, nach dem ursprünglichen Release noch attraktiv. Doch wird diese Entwicklung leider auch häufig ausgenutzt, um die Schmerzgrenze der Spieler gnadenlos auszuloten.