Max Payne: A Game Noir im Test

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*Updated Part 2* Wie metallener Regen trafen die Pistolenkugel auf den Schreibtisch, hinter dem ich mich verschanzte. Meine beiden Zeigefinger umklammerten jeweils den Abzug der 9mm, die ich bei mir trug. Meine einzige Lebensversicherung.  Ich war dort sicher… Noch…Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich erwischen würden. Aber ich blieb erstaunlich ruhig. Das einzige das mir wie Blitze durch die Synapsen schoss, war nur eine Frage: Wie bin ich verdammt noch mal hier her gelangt?

max_payne_game_noirWenn zum ersten Mal der Starbildschirm erscheint und die Hintergrundmusik anfängt zu erklingen, dann weiß man schon, dass das kein normales Game ist. Vom ersten Moment wird klar, dass die nächsten Stunden anders sein werden, als man es gewohnt ist. Es erwarten einen nicht der strahlende Held, der die Welt vor dem Bösen erretten wird und keine Prinzessin, die gerettet werden muss. Max Payne scheut nicht davor einem von Anfang an die melancholisch, depressive Stimmung, die man die nächsten Stunden erleben wird, aufzuzeigen. Das Spiel weist darauf hin, dass nichts in schwarz und weiß zu unterteilen ist. Die Welt ist grau. Grau von all den Menschen, die jenseits von Gut und Böse agieren, um ihre eigene Ziele zu verfolgen. Sei es nun für Macht, Geld oder Rache.

Frei von den gängigen Videospielen Klischees, wird hier eine einzigartige Story erzählt, die es so nur selten vorher und danach in Videospielform gab. Und gerade deswegen zähle ich, wie auch sicherlich viele andere, die Reihe zu meinen All-Time-Favorites und es erscheint mir gar wichtig die Entstehungsgeschichte – das Making-Off – hinter den Spielen im Folgenden aufzuschreiben.


Part 1: Max Payne - In a New York Minute





Es begann alles 1996 in Finnland, dem Land der tausend Seen. Genauer gesagt in Espoo – Sitz des Computerspieleentwickler Remedy Entertainment. Remedy- eine „Garage Band“ unter den Entwickler, bietet genügend Enthusiasmus, um zu Rockstars aufzusteigen. Nach dem Erstlingswerk Death Rally, einem Top-Down Racer, wagt man sich an etwas Großes. Die Geschichte eines Hard-Boiled Cops soll erzählt werden: die Geschichte von Max Payne.

YOU ARE IN A COMPUTER GAME, MAX

Inspiriert von John Woos Filmen, Graphic Novel und dem Film Noir beginnen die Arbeiten am nächsten Spiel. Unter dem Arbeitstitel Dark Justice wird an einem neuen Third-Person Shooter gewerkelt. Das Team wollte an etwas arbeiten, was es so noch nicht in Computerspieleform gegeben hat. In cineastischer Hinsicht soll das Spiel etwas Neues für den Computerspielemarkt bieten. Bilder und Motive aus Filmen und der Popkultur allgemein beeinflussten die Entwicklung maßgeblich.

max_payne_game_noir3Um die Schusswechsel spannender und einzigartiger zu machen wurde ein, im Bereich Computerspiele, neues Gameplayelement eingeführt – die Bullet-Time. Hauptsächlich durch die Matrix-Trilogie bekannt gemacht, ist Max Payne das erste Spiel, das grundsätzlich auf dieses Element aufbaut. Auf Knopfdruck ist es möglich die Zeit zu verlangsamen um somit, mit akrobatischen Einlagen, den Feuersalven der Gegner auszuweichen. Dabei kann der Spieler die Projektile rechtzeitig erkennen um diesen auszuweichen. Weiterhin können die feindlichen Gangster immer noch in Echtzeit anvisiert werden. Dadurch ist es möglich effektiv Räume von größeren Gegnermengen zu säubern. Die Bullet-Time wird auch stilistisch eingesetzt, wenn ein Gegner mit einem Kopfschuss erledigt wird. Dabei dreht sich die Kamera in Zeitlupe um den Gegner, wenn dieser getroffen wird oder auch beim Abschuss des Scharfschützengewehrs, bei dem die Flugbahn des Projektils verfolgt wird. Nachdem der erste Prototyp der Engine entwickelt wurde, fand man mit 3D Realms einen Publisher, der das Projekt unterstützte. Damit begannen dann die eigentlichen Arbeiten am Spiel.

Sam Lake, der bereits für Death Really das Skript schrieb, stieß wieder zum Team dazu um die Story für Max Payne zu schreiben. Paynes Geschichte ist die Geschichte eines Mannes, der alles verlor was ihm wichtig war und sich langsam in der New Yorker Nacht verliert. Dem Wahnsinn und den Schmerzmittel zugewandt, verwandelt sich Paynes Umwelt in eine durch Metaphern und Archetypen definierte Bizzaro-Welt. Geplagt von Albträumen versucht Payne die Mörder seiner Frau und seiner Tochter zu finden. Um diesen Art der Geschichte passend zu übertragen entwickelt Remedy den Protagonisten in Anlehnung an die großen Helden des Film-Noirs. Als Vorlage dient vor allem Bogart in seinen legendären Rollen als Sam Spade und Philip Marlowe: der zynische Privatdetektiv, der in einer Welt ohne Moral und Grundsätzen nach seinen eigenen Moralvorstellungen zu leben versucht.

max_payne_game_noir2Paynes Streifzug durch die Nacht wird auch von vielen Anspielungen auf die nordische Mythologie begleitet. Die Droge Valkyr ist nach den weiblichen Geisterwesen Walküren benannt, die die ehrenvoll Gefallenen Soldaten auf den Schlachtfeldern aufsammeln und nach Walhalla bringen. Der Nachtclub Ragna Rock spielt auf den Weltuntergang Ragnarok an, dem ein großer Schneesturm vorausgeht. Weitere Anspielungen findet man auch in der Namensgebung der einzelnen Personen und ihren Motiven wieder.

In einer Welt voller Drogenjunkies und ermordeter Familienmitglieder erwartet man normalerweise keinerlei Art von Humor. Doch gerade das war den Entwicklern ebenfalls wichtig ins Spiel einzubauen. Für den Spieler entstehen, fast schon automatisch, immer wieder komische Situationen beim Spielen. Damit man sich nicht in einer übertriebenen Ernsthaftigkeit verliert, sind bewusst komische Passagen in den Spielverlauf eingebaut. Dabei lohnt es sich immer etwas Zeit für die Dialoge der NPCs zu nehmen, die voller Zynismus und schwarzen Humor sind.

YOU ARE IN A GRAPHIC NOVEL

 Der erste Max Payne Teil konnte beim Erscheinen nicht nur mit dem Setting und dem innovativen Gameplay punkten, sondern auch mit der zur damaligen Zeit äußerst realistischen Grafik überzeugen. Um ein wirklichkeitsnahes New York zu erschaffen, besuchte das Art-Team von Remedy unter Begleitschutz die New Yorker Problemviertel. Im Laufe der Entwicklungsphase erkannte man jedoch, dass mit den damaligen technischen Beschränkungen das Spiel den graphischen Anforderungen nicht gerecht wurde. Man entschloss sich deshalb die beim New York Besuch geschossenen Fotos als Grundlage für die letztlich im Spiel verwendeten Texturen zu nehmen. Somit war es den Entwicklern möglich eine für damals realistisch aussehende Umgebung zu kreieren.

max_payne_game_noir5Ein weiteres Merkmal der Max Payne Spiele ist die Verwendung von Comic-Strips zum Erzählen der Story anstatt den üblichen Cutscenes. Ursprünglich nur als notdürftige Lösung gedacht, wurden die Vorteile nach und nach klarer. Waren die Zwischensequenzen zu der Zeit noch klobig und technisch beschränkt, konnte mit den Comic-Strips die Geschichte glaubwürdiger als zuvor übertragen werden. Ein weiterer und vermutlich größerer Vorteil sind die Produktionsprozesse, die mit dieser Technik, schneller und günstiger wurden. Bei Änderungen im Plot mussten nicht mehr eine Woche daran gearbeitet werden, es war jetzt möglich all das innerhalb von 1-2 Tagen durchzuführen.

Für die Comic-Strips stellten die Mitarbeiter die Szenen nach, die dann nachbearbeitet wurden um den Graphic Novel Effekt zu bekommen. Da das Team recht klein und das Budget beschränkt war, musste jeder mehrere Aufgaben übernehmen und so auch neben der normalen Tätigkeit Sprechrollen für das Spiel übernehmen oder als Modell für die im Spiel vorkommenden Charaktere zur Verfügung stehen. Deshalb fanden auch Familienangehörige und Freunde, sowie der Pizzalieferant oder auch nur jeder der sich in der Nähe des Entwicklerstudios befand, auf die ein oder andere Art und Weise den Weg in das Spiel. So hatte unter anderem Sam Lake nicht nur die Aufgabe die Story für das Spiel zu schreiben, sondern verkörperte auch gleichzeitig den Titelhelden.

Das erste Spiel der Max Payne Reihe wurde am 23. Juli 2001 nach einer viereinhalbjährigen Entwicklungszeit veröffentlicht. Mit einem Budget von gerade einmal drei Millionen Dollar konnte der Titel Kritiker und Spieler gleichermaßen überzeugen. Remedy hatte mit Max Payne einen großen Hit entwickelt, der einen Preis nach dem anderen absahnte. Allerdings wurde das Spiel aufgrund der stilisierten Gewalt und der Selbstjustiz-Handlung in Deutschland indiziert. Elf Jahre nach Erscheinen wurde im Februar 2012 die Indizierung aufgehoben und das Spiel von der Liste jugendgefährdender Medien gestrichen.
 

Part 2: Max Payne - The Journey through the Night continues




Max Payne schlug ein wie eine Bombe. Mit millionenfach verkauften Spielen gründete sich langsam eine starke Fanbase um den Hard-Boiled Detective aus New York. Der Wunsch nach einem Nachfolger war groß und sollte zeitnah erfüllt werden. Unter der Schirmherrschaft des Publishers Rockstars Games, wurde dem finnischen Entwicklerteam Remedy Entertainment ein deutlich höheres Budget zugesprochen, als es beim Vorgänger noch der Fall war. Angespornt durch den Erfolg von Max Payne und mit einem gewachsenen Team begannen bereits im Frühjahr 2002, nur knapp einem Dreiviertel Jahr nach Erscheinen des Erstlings, die Arbeiten an Max Payne 2: The Fall of Max Payne.

max_payne_game_noir11Mit einem höheren Budget konnten nun endlich professionelle Darsteller für die Motion-Capture Aufnahmen und den Graphic-Novels Einschüben verpflichtet werden. Das neue Gesicht von Max Payne wurde der amerikanische Schauspieler Timothy Gibbs, der damit die Nachfolge von Sam Lake – Creative Director bei Remedy Entertainment - antritt. Das war ein bedeutenderer Schritt, um dem Filmcharakter der Spiele gerechter zu werden. Wurden bei Max Payne noch die verschiedenen Rollen durch Familienangehörige und Freunde der Mitarbeiter amateurhaft besetzt, so geben die ausgebildeten Schauspieler den einzelnen Figuren eine ausgeprägte Persönlichkeit. In Verbindung mit der verbesserten Grafik und der neu implementierten Havok Physics Engine bemerkt man die qualitativen Verbesserungen merklich im Vergleich zu Max Payne 1.

Obwohl das Spiel auf derselben Game Engine wie der Vorgänger aufbaut, sind doch deutliche Unterschiede erkennbar. Grafisch wurde der neue Teil stark aufgewertet. So wurde zum Beispiel die Polygonanzahl erhöht und die Mimik der Figuren detaillierter ausgearbeitet. Infolgedessen haben die Charaktere eine größere Anzahl an Gesichtsausdrücken, die dem ganzen mehr Leben einhaucht. Doch das große Merkmal des Spiels dürfte die Havoc Physics Engine sein. Herumliegende Gegenstände fliegen beim Beschuss oder von der Explosionsdruckwelle einer Granate getroffen realistisch umher.

max_payne_game_noir12Verschanzt sich beispielsweise der Spieler hinter einem vermeintlichen Schutz, so können die Gegner diese Deckung gezielt zerstören. Vice versa kann man als Spieler natürlich auch selber diese Taktik verwenden, um die Gegner aus der sicheren Zone zu locken und zu erledigen. Dadurch entsteht eine neue taktische Möglichkeit und ein noch herausfordernderes Gameplay, dass es so in dieser Form ausgearbeitet noch nicht im ersten Spiel gab.

Nicht nur technisch wurde das Spiel aufgewertet. Ebenso wurde die mittlerweile legendäre Bullet-Time überarbeitet. Mit einer verlängerten Bullet-Time Dauer wird der Spieler noch mehr motiviert das offene Gefecht zu suchen und nicht sich hinter Mauern oder Kisten Schutz suchend zu verstecken, um Gegner letztendlich aus der sicheren Entfernung zu erledigen.

Optisch macht sich die neue Nachladeanimation bemerkbar, bei der sich Max um die eigene Achse dreht um den Kugeln auszuweichen und um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Dabei können kritische Situationen besser überschaut werden und gegebenenfalls vom Spieler angemessene Maßnahmen ergriffen werden. Das Gameplay wirkt dynamischer und vergleichbare Stellen die in Teil 1 noch nervig und mühselig waren, wurden dem Spielfluss fördernd damit entschärft.

Was nun? Wie soll die Geschichte eines Mannes weitergehen, dessen Welt vollkommen zerstört wurde? Paynes Leben kann sicherlich nicht mehr schlimmer werden, aber zumindest komplizierter.


max_payne_game_noir13War beim ersten Teil die Liebe schon das zentrale Motiv für den Rachefeldzug, so  benötigt Max nun auch wieder ein Grund um weiterzugehen und weiterzumachen. Jemanden um den er sich kümmern und sorgen kann, jemanden für den er etwas empfinden kann. Und dies findet er in der Auftragsmörderin Mona Sax. Die von Kathy Tong dargestellte Femme Fatale trat bereits im ersten Max Payne Game in das Leben von Max. Eigentlich nur in Form einer Nebenrolle sah das Originalskript damals vor Mona tödlich zu verwunden.

Erst durch den Protest einiger Remedy-Mitarbeiter wird das Skript insoweit umgeschrieben, dass Mona Sax ihre Verletzung überlebt. Nur dank dieser Entscheidung wurde die Figur der Mona Sax detaillierter ausgearbeitet, um eine wichtige Rolle in der folgenden Geschichte zu übernehmen. Das komplette Skript umfasste zum Ende hin etwas mehr als 600 Seiten. Damit erscheint das knapp 150 Seiten umfassende Skript für Max Payne 1 kurz. Die im Vergleich zum Vorgänger  komplexere Story sollte nicht nur das Spielerlebnis intensiver gestalten, sondern auch zum wiederholten Durchspielen anregen.

Remedy nahm sich vor, aus den Fehlern und Schwächen des ersten Teils zu lernen und diese auszubessern. Es scheint als sei dies mehr als gelungen. Nicht nur graphisch und technisch entwickelte sich das Spiel weiter, nein, auch im Bereich der Story wurden neue Wege eingeschlagen. Damit zeigte Remedy, wie man einen würdigen Nachfolger zu einem mehr als genialen Titel entwickeln kann.

Max Payne 2 erschien am 14. Oktober 2003 und wurde von der Kritikern mehr als hervorragend aufgenommen. Eine Topbewertung nach der anderen wurde ausgegeben. Zurzeit ist das Spiel auf Metacritics mit einer Bewertung von 86 Punkten und einem User-Score von 9.0 angegeben. Doch auch wenn die Bewertungen vielversprechend waren und auch sind, so war das Spiel jedoch finanziell gesehen im Vergleich zum Vorgänger enttäuschend. Die Verkaufszahlen konnten leider die Erwartungen nicht erreichen und Max Payne 2 wurde bei Rockstars Games intern als „Flop“ angesehen. Remedy Entertainment widmete sich nun einem anderen Projekt. Mit dem psychologischen Action Thriller Alan Wake hatte das finnische Entwicklerteam alle Hände voll zu tun und man entschloss sich Max Payne hinter sich zu lassen.

Doch Max Paynes Reise durch die Nacht wird weitergehen…

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Forum
  • von Flat Eric:

    Keine PS4-Fassung, oder? Dann fängt es jetzt damit an......

  • von bbstevieb:

    Gyaba schrieb: Sehr, sehr geil! Schade, dass die Programmierer nicht die UE5-Engine nutzen Aber wenn Remedy es endlich hinbekommen würde mit Northlight HDR hinzubekommen wäre das schon nett....

  • von cd32:

    Hoffentlich werden die nightmare Levels gestrichen.

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