Midway Arcade Origins: Ein Theaterskript im Test

Ort der Handlung: Ein typisch deutsches Wohnzimmer, Mittelstand. Ikea-Möbel sind mit geerbten Sofas und Sperrmüllfundstücken kombiniert. Dominiert wird das Ensemble von einem großen Flachbildschirm-Fernseher. Das, was auf dem TV zu sehen ist, wird auch auf einer Leinwand neben der Bühne zu sehen sein. In der Nähe der Glotze ist eine Xbox 360 zu sehen. Davor liegt Midway Arcade Origins.

Auftritt: Der Junge. 18 bis 20 Jahre alt. Er geht etwas gelangweilt zum Sofa hin und schmeißt sich hinein. Er sitzt nicht ordentlich, sondern lässt ein Bein über die Lehne hängen und starrt vor sich hin. Es vergehen einige Minuten, ehe er seinen Blick wandern lässt. Jener fällt auf die 360 und auf das Spiel. Er setzt sich auf und sieht das Videospiel genauer an.

Junge: „Was…? Was hat denn der alte Mann nun schon wieder angeschafft? Midway Arcade Origins? Nie von gehört.“

Er steht auf, geht zur Konsole, schaltet sie an und legt das Spiel ins Laufwerk. Er fängt an zu zocken, hört jedoch nach wenigen Minuten wieder auf.

Junge: „Was für ein Schrott. Was soll denn das bitte sein? Kinderkram?“

Auftritt: Vater, 40 bis 50 Jahre alt. Er sieht seinen Sohn, wie er mit dem Controller vorm Fernseher hockt. Er kommt näher und sieht, dass eben jener gerade das Spiel zockt.

Vater: „Wie schön! Du hast also schon das Spiel entdeckt? Und, wie gefällt es dir? Herrlich, nicht wahr?“

Junge: „Ehrlich? So einen Schrott habe ich schon lange nicht mehr gezockt. Dagegen ist dieses Mega Man, was du so gerne spielst, ein Picasso. Und überhaupt, was sind das für Spiele? Gauntlet, Joust, Defender und wie sie nicht heißen. Ich habe noch nie was von denen gehört. Und ich wette, meine Kumpels auch noch nicht.“

Vater: „Das nennt man Vergangenheit! Als ich so alt war, wie du, waren dies die Spiele, die ich den lieben langen Tag spielte. Ohne diese Titel gäbe es heute keine 360 und kein Dark Ops 2, oder wie dieses Spiel auch immer heißt, welches du in der letzten Zeit so häufig spielst.“

Junge: „Erstens heißt es Black Ops 2 und zweitens übertreibst du. Mit solchem Müll hast du dir damals die Zeit vertrieben? Wieso hast du nicht Super Mario gespielt? Das sieht doch halbwegs besser aus."

Der Vater setzt sich ins Sofa gegenüber seinem Sohn. Er nimmt ihm dem Controller ab und beginnt etwas im Menü herumzuspielen. Im Gegensatz zu seinem Junior strahlt er förmlich vor Begeisterung.

Vater: „Deine Ignoranz möchte ich gerne haben. Die meisten Titel kamen zu einer Zeit heraus, als ich Super Mario noch gar nicht kannte. Damals war das höchste der Gefühle ein C64.“

Junge: „Dieser ‚Brotkasten‘, von dem du immer so schwärmst?“

Vater: „Genau. Super Mario kam erst später in meinen Haushalt. Ah, guck mal hier: Robotron 2084. Gott, was habe ich damals Geld investiert. Direkt nach der Schule ging es in die Arcade, um zu spielen. Nur schade, dass du keinen näheren Blick auf den Automaten werfen kannst. Das waren damals wahre Kunstwerke.“

Der Junge sieht seinen Vater zweifelnd an. Jener fängt an Robotron 2084 zu spielen. Der Junge verzieht verschreckt das Gesicht, und sucht verzweifelt nach der Fernbedienung. Er wühlt und wühlt, bis er sie endlich gefunden hat und damit den Ton ausschaltet. Erleichterung macht sich auf seinem Gesicht breit.

Junge: „Meine Fresse, da bluten einem ja die Ohren. Wie kannst du dieses Gefiepe überhaupt aushalten?“

Vater: „Genauso gut könnte ich dich fragen, wie du diesen ‚Tip Top‘ aushältst! So war das damals. Orchestrale Musik kam erst später auf. Was sagst du denn zu der Grafik?“

Junge: „Mensch Papa, du wirfst schon wieder alles durcheinander. Es heißt ‚Hip Hop‘ und ist eine echt coole Musik. Und die Grafik? Grässlich! Sind alle Spiele so müllig?“

Der Vater schüttelt lächelnd den Kopf.

Vater: „Keinen Respekt vor der Vergangenheit. Genauso wie ich einst. Mal sehen, was kann ich dir noch zeigen. Oh, sie haben sogar Pitfighter drauf?“

Der Vater wählt Pitfighter aus und fängt es an zu spielen, während der Junge irritiert zuguckt.

Vater: „Willst du nicht mit….?“

Der Junge schüttelt den Kopf.

Vater: „Schade. Dir entgeht etwas. Da werden Erinnerungen wach. Nur zu schade, dass die keine weiteren Infos über die einzelnen Spiele mit eingepackt haben. Diese Kurzinfos, die immer am unteren Bildschirmrand zu sehen sind, sind mir zu wenig. Ich möchte mehr Fakten, mehr Hintergrundwissen.“

Der Junge verdreht genervt die Augen.

Junge: „Du klingst wie mein Lehrer. Der will auch Fakten, Fakten, Fakten. Wen kümmert‘s? Das ist offensichtlich nichts für mich. Ich dampf ab.“

Junge will aufstehen, doch der Vater hält ihn zurück.

Vater: „Bleib doch noch bisschen. Hier gibt es so viel zu entdecken, da findet sich bestimmt etwas, was auch dir gefällt.“

Der Junge bleibt bockig sitzen.

Junge: „Solange es nicht so geile Effekte wie Specs Ops bietet, kannst du das knicken. Da mache ich nicht mit.“

Vater: „Schade, da entgeht dir etwas. Das ist Vergangenheit, das ist Geschichte. Videospielgeschichte! Okay, die Präsentation lässt zu wünschen übrig, ebenso die Extras. Aber… Bei mir kommen Erinnerungen hoch. Bei dir nicht?“

Junge: „Ja, und zwar dass ich jetzt abdampfen muss. Bin gleich mit einigen Kumpels zum Skaten verabredet. Wir sehen uns heute Abend.“

Der Junge steht auf und geht betont langsam und lässig von der Bühne runter.

Vater: „Schade. Aber verständlich. Wer weiß, wie wird es ihm gehen, wenn er so alt sein wird wie ich, und er mit seinem Kind die ‚Greyrarch‘-Origins zeigt. Wahrscheinlich wird es genauso ablaufen. Oh, da ist ja auch Spy Hunter mit drauf. Und Rampart? Die haben wirklich viele Klassiker auf der Disk. Mal gleich weiterspielen.“

Während der Vater weiterzockt, fällt der Vorhang.

Ende!