Die Cricket-Regeln werden auch in diesem Testbericht definitiv nicht erklärt! Schließlich ist auch unser Speicherplatz begrenzt. Glücklicherweise beinhaltet International Cricket 2010 ein ausführliches Tutorial, dass Neulinge unbedingt spielen sollten, bevor sie sich in ein Match wagen. Werfen, Schlagen und Fangen stehen im Mittelpunkt des Geschehens und die Verwandtschaft zum etwas bekannteren Baseball ist klar erkennbar. Soweit es von einem Laien beurteilt werden kann, ist das Gameplay durchaus gelungen. Sowohl die Batsmen (Schläger) als auch die Bowler (Werfer) können aus einem großen Repertoire unterschiedlicher Aktionen wählen, um ihre Gegner zu bezwingen. Doch egal, ob die Bälle gerade oder angeschnitten geworfen werden und egal, ob ein defensiver oder ein harter Schlag ausgeführt wird, gutes Timing ist die wichtigste aller Fähigkeiten. Geduld sollte unbedingt mitgebracht werden, denn bei International Cricket 2010 sind millisekundengenaue Reaktionen gefragt. Wer schnelle Erfolge braucht, um sich vor der Konsole wohl zu fühlen, kann also getrost einen weiten Bogen um das Game machen.
Neben dem Duell zwischen Bowler und Batsman (Nein, das ist nicht der der Typ im Feldermauskostüm!) ist das Feldspiel eine weitere wichtige Cricket-Komponente. Wird ein Ball getroffen, ist das gegnerische Team dafür zuständig, ihn schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen. Dummerweise offenbart das Game hier seine erste große Schwäche. Der Zocker hat kaum Einflussmöglichkeiten und ein Großteil der Aktionen läuft vollkommen automatisch. Lediglich wenn das runde Leder wirklich hoch in die Luft geprügelt wird, gibt es die Gelegenheit, es durch einen Knopfdruck im richtigen Moment zu fangen. Solche Momente sind aber selten und meistens darf nur entschieden werden, ob der Ball zur Homebase oder zur First Base (Ich bin mir sicher, dass diese Zonen beim Cricket anders heißen als beim Baseball, aber das ist mir ziemlich egal.) geworfen werden soll. Hier haben es sich die Entwickler leicht gemacht und Potential verspielt.
Eventuell gibt es unter den neXGam-Besuchern ja wirklich ein paar ernsthafte Cricket-Fans. Diesen Exoten sei gesagt, dass die aktuelle Codemasters-Simulation über Lizenzen von ECB und Cricket Australia verfügt. Allerdings hat die ICC kein Geld von Codemasters erhalten (Nein, das habe ich nicht sofort bemerkt, sondern nachgelesen.), was bedeutet, dass alle Mannschaften außer Großbritannien und Känguruland nicht mit ihren tatsächlichen Kadern auflaufen.Was die Modi angeht, wird alles geboten, was man von einer modernen Simulation erwartet. Vom Einzelmatch bis hin zum umfangreichen Turnier, gibt es jede Menge Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. Natürlich sind auch Multiplayer-Partien mit bis zu vier Zockern möglich und dank Xbox-Live können selbst Einzelgänger ein paar Gegner finden. 20 Overs ist die Standard-Variante der Sportart und ein einziges Match kann sehr zeitaufwendig sein, wenn es nach diesen Regeln gespielt wird. Glücklicherweise ist auch ein ODI (One Day International) verfügbar, bei dem sich die Overs auf 5, 10, 25 oder, für die völlig Verrückten, auf 50 festlegen lassen.
Vor einiger Zeit habe ich ein großartiges Zitat zum Thema Baseball gehört, dass sich aber problemlos anpassen lässt: “Cricket ist wie das Leben. Du wartest ewig darauf, dass etwas passiert und wenn endlich etwas passiert, hast du nicht richtig hingeguckt.“ Damit ist einer der großen Schwachpunkte dieser Simulation sehr treffend beschrieben. Cricket ist kein spannendes Spektakel voller Abwechslung, sondern ein langer zäher Kampf mit unendlichen Wiederholungen der immer gleichen Aktionen. Dafür können die Programmierer von Codemasters allerdings wenig, denn das Problem liegt tatsächlich in der Natur der Sache. Die Spielermodelle sind detailliert und die Animationen sehen trotz gelegentlicher kleiner Ruckler sehr realistisch aus. Mehr freundliche Worte lassen sich zur Grafik leider nicht finden. Die sterilen Stadien machen schnell depressiv, denn meistens bewegt sich im Hintergrund absolut nichts. Nur selten ist eine wabernde Grafikpampe, bei der es sich anscheinend um das Publikum handeln soll, in der Ferne zu sehen. Da kommt nur wenig Stimmung auf. Fast alles was es hier zu sehen gibt wäre mit minimalen Abstrichen auch auf der guten alten Playstation 2 möglich gewesen.
Ich will ganz ehrlich sein… Ich habe in meinem ganzen Leben niemals selbst Cricket gespielt und auch kein Match live oder auch nur auf dem Fernseher verfolgt. Selbst die Regeln waren mir bis vor wenigen Tagen gänzlich unbekannt. Bevor das Testmuster bei mir gelandet ist, war ich fest davon überzeugt, dass ich mich in diesem Leben auf keinen Fall mit dieser Sportart beschäftigen werde. Jedem echten Cricket-Fan kann ich darum eigentlich nur raten, sich einen Testbericht von britischen, indischen oder australischen Experten durchzulesen, bevor die Entscheidung für oder gegen den Kauf dieser Simulation gefällt wird. Das Game wurde zwar in England programmiert, könnte aber genau so gut aus einer fremden Dimension stammen, da es so fremdartig und verwirrend wirkt. Wenn das Spielprinzip und das Regelwerk endlich verinnerlicht wurden, sind durchaus ein paar spaßige Partien möglich. Besonders im Duell gegen menschliche Kontrahenten wird die Schadenfreude schnell zu einem wichtigen Faktor. Es gibt viele Möglichkeiten, den Gegner durch Wechsel der Taktik zu verwirren und auszutricksen. Auf die Dauer sinkt die Motivation allerdings rapide und es ist kaum vorstellbar, dass jemand tatsächlich ein komplettes Turnier durchsteht.
International Cricket 2010 kann in Sachen Spielspaß einfach nicht mit Games wie FIFA oder den unzähligen Simulationen der 2K-Reihe mithalten. Das liegt allerdings weniger an der Leistung der Programmierer sondern eher daran, dass Cricket kein sonderlich actionreiches Spiel ist. Aber was will man von einer Sportart bei der es offizielle Teepausen gibt auch erwarten? Die Chance, Konsolenbesitzer wenigstens durch technische Brillanz in Verzückung zu versetzen, wurde dummerweise auch noch verspielt.