

Die Story ist kein besonderer Grund, warum sich das Spiel von anderen Japano-Rollenspielen abhebt. Das rundenbasierte Kampfsystem kommt eher mit einer absoluten Neuerung daher. So bekommen wir es in den Zufallskämpfen mit dem Judgement Ring zu tun. Du wählst eine Attacke des Charakters aus und bevor dieser die Attacke ausführt, muss man eingefärbte Flächen auf dem Judgment Ring passend treffen um die Angriffskraft zu steigern. Wer alle „Hit Areas“ verpasst, verliert den Angriff. In jedem Judgement Ring ist ein kritischer Bereich, der, wenn man ihn trifft, zu einer viel stärkeren Attacke führt. Da Shadow Hearts an sich kein wirklich schweres Spiel ist, ist das zwar nicht zwingend notwendig, aber es verkürzt die Kämpfe erheblich und es macht einfach Spaß seine Reaktionen zu trainieren. Bei jedem Charakter ist die Hit Area anders. Man muss sich also zu jeder Runde umstellen. Bei manchen Charakteren dreht sich die rotierende Nadel in der Mitte des Rings schneller als bei anderen. Dafür haben diese oftmals größere Hit Areas. In Läden kann man zudem massig Items kaufen, die einem Vorteile verschaffen, weil sie entweder für eine kürzere Zeit die Attribute des Judgement Rings verbessern oder aber man kauft direkt eine Ausrüstung, die die Statuswerte des Charakters pushen. Obwohl Shadow Hearts nur etwas mehr als 20 Stunden Spielzeit bietet, findet man wirklich viel Ausrüstung für die Charaktere und wechselt sie ständig gegen eine neue, bessere Rüstung aus. Außerdem kann man in den Städten Lotto spielen und tolle neue Gegenstände gewinnen.


Normalerweise kämpfen die Charaktere mit ihren Waffen, die ebenfalls austauschbar sind. So kämpft zum Beispiel Alice mit einem speziellen Buch, mit dem sie zwar auch zuschlagen kann, aber durch Magie wesentlich größere Kräfte entfalten kann. Yuri hingegen hat neben seinen Fäusten eine Spezialfähigkeit. Er kann sich in Dämonen verwandeln und die Kräfte dieser Dämonen für den Kampf nutzen. Wie in vielen anderen Rollenspielen verlieren die Spielcharaktere während der Kämpfe HP (Hit Points) und MP (Magic Points). Neu sind allerdings SP (Sanity Points) eingeführt worden. Während jeder Kampfrunde verlierst du diese SP und sobald sie gen Null tendieren, wird dein Charakter wahnsinnig und unkontrollierbar. Items zum neuen Auffüllen der SP kann man zum Glück in Läden kaufen und werden in Shadow Hearts vermehrt gebraucht. Während längerer Kämpfe hat man kaum eine Chance den Gegner zu besiegen, wenn die Charaktere immer wieder unkontrollierbar werden und anfangen den Gegner zu heilen oder einen Schlag gegen die eigenen Reihen planen. Die eine Partei der Rollenspieler reagiert auf dieses Feature genervt, andere meinen es verleiht dem Kampfsystem mehr Tiefe. Egal auf wessen Seite man steht, der Schwierigkeitsgrad ist jederzeit relativ niedrig angesiedelt, Frust bleibt bis auf absolute Ausnahmen aus. Längere Levelsessions muss man nicht einplanen, zumal es nur wenige längere Dungeons in Shadow Hearts gibt. Stattdessen sollte man seine Zeit den Nebenquests widmen. Shadow Hearts bietet dir zwei verschiedene Endings und den richtigen Reiz in der Story macht ohnehin die Geschichte um Yuris Eltern und seine Ängste aus. Der großkotzige Yuri ist nämlich in Wirklichkeit eine hausgemachte Heulsuse. Aber… seht selbst. Es lohnt sich.

Bislang konnte Shadow Hearts eigentlich gut unterhalten und wirkt vom Gameplay wesentlich ausgereifter als das Prequel. Optisch kann es allerdings gar nicht überzeugen. Die Rendersequenz, die dich in das Spiel bringt, sieht schon arg angestaubt aus und liegt ungefähr auf Final Fantasy 8-Niveau. Dabei wirken die Animationen noch steifer und können einem nicht beweisen, dass sie auf der PlayStation 2 laufen. Zugegeben, ein Budget wie bei dem fast zeitgleich erschienenen Final Fantasy 10 hatte das Studio Sacnoth bestimmt nicht. Aber Shadow Hearts kommt auch im Spiel selbst eher wie ein PSone-Game daher. Die Hintergründe sind in 2D vorgerendert und die Spielfigur selbst sieht nach nichts Halbem und Ganzem aus. Im Kampfbildschirm fallen die tristen Hintergründe und einfallslos designten Gegnertypen auf. Ein Effektfeuerwerk wird eher selten losgelassen. Auf Englisch synchronisiert sind nur Rendersequenzen, während die restlichen Szenen mit deutschen Textboxen auskommen müssen. Die deutsche Übersetzung ist hundsmiserabel. Man kann es sich einfach nicht schönreden, wenn Yuri Sprüche wie „Ey, du Furz!“ vom Stapel lässt. In dieser Hinsicht war aber auch die US-Version schon wirklich abgestraft gewesen. Wieso muss man diese unglückliche Übersetzung aus dem Englischen wortwörtlich übernehmen? Klar, Yuri ist Anfangs ein kleiner kampfgeiler Mistkerl, aber in manchen Situationen ist die Übersetzung nur unpassend.


Shadow Hearts hat damals nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient hätte. Erst als Shadow Hearts 2 auf den Markt kam und dieses Spiel ein Knaller zu sein schien, wurden Erinnerungen an einen vorangegangen Teil wach. Und das, wo Teil 2 mit Shadow Hearts so eng verknüpft ist! Mittlerweile bekommt man die Pal-Version von Shadow Hearts kaum mehr zu einem günstigen Preis, dabei lohnt sich die Anschaffung. Einige Magazine haben das Spiel 2002 runtergeredet, konnte es doch gegen Final Fantasy 10 nicht anstinken. Von der arg veralteten Grafik und miesen Übersetzung mal abgesehen, hat der Titel viel Charme. Das neue Kampfsystem kommt hier immerhin das erste Mal zum Einsatz und die Geschichte sollte man sich für Shadow Hearts 2 nicht entgehen lassen.