Psychonauts im Test

PlayStation2
„Benutze Pirat mit Grog“ – Wer erinnert sich nicht gerne an die gute alte Zeit der Point´n´Click Adventures. Auch wenn dieses Genre heute ausgestorben scheint, so sind seine Schöpfer des Schaffens noch lange nicht müde. Tim Schäfer, bekannt durch große Titel wie Day of the Tentacle oder Grim Fandango, präsentiert mit dem Action-Adventure Psychonauts das erste Spiel seiner eigenen Softwareschmiede Double Fine Productions. Doch wie schlägt

Ihr schlüpft in die Rolle von Raz, einen jungen Zirkus-Artisten mit außergewöhnlichen PSI-Kräften, der vor seinem Vater flieht und dabei im idyllischen „Whispering Rock“ Sommercamp für Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten landet. Doch irgendetwas ist faul. Mehr und mehr Kinder verschwinden und tauchen als willen- und hirnlose Zombies wieder auf. Somit ist es an euch, das Geheimnis zu lüften und das Sommercamp, die Beziehung zu eurem Vater und nebenbei die Welt zuretten. Ihr hüpft und kämpft euch dabei durch eine Vielzahl von Levels, die allesamt durch eine Oberwelt verbunden werden. Dabei kauft ihr euch ständig neue Ausrüstung und erweitert eure PSI-Fähigkeiten um immer mehr und mehr Spielabschnitte zu entdecken und neue Rätsel zu lösen. Das klingt zunächst nach typischer Action-Adventure Standartkost und könnte konventioneller nicht sein. Doch weit gefehlt! Psychonauts punktet nämlich mit der aus den alten Tagen bekannten und beliebten LucasArts- Adventure Formel – je skurriler desto besser. Das Feuerwerk an Kreativität, Witz und Charm, welches Tim Schäfer und sein Team hier an den Tag legen sucht so wohl auch genreübergreifend seinesgleichen.


Selten hat sich eine altbewährte Formel so frisch und neu angefühlt wie hier. So sammelt ihr keine Münzen sondern sucht mit einer Wünschelrute nach alten indianischen Pfeilspitzen oder löst kniffellige Sprungpassagen um an PSI-Cards zu gelangen um mit ihrer Hilfe dann neue Fähigkeiten zu erlangen. Das Spektrum erstreckt sich dabei von der Pyrokinese über einen mentalen Schild bis hin zur Telekinese. Wobei die außergewöhnlichste Fähigkeit wohl der Blick aus der Sicht der Anderen ist. Wer wollte nicht schon immer wissen, wie eure Spielfigur und die Spielwelt von einem Hydranten wahrgenommen werden? Gleichermaßen Schräg ist auch der Levelaufbau. Während das Sommercamp als Oberwelt fungiert befinden sich die restlichen Welten in den Köpfen und Gedanken der Charaktere. Hier gibt es immer ein Hauptaufgabe, welche sich vornehmlich aus Rätseln, Kämpfen und Jump´n´Run Passagen zusammensetzt, wobei die Anforderung an die einzelnen Elemente je nach Level variieren.



Abseits davon laden eine Vielzahl von Nebenaufgaben zur Erkundung der Levels ein. Dabei sammelt ihr Gedankenfragmente, welche sich von Kopf zu Kopf anders gestalten, entfernt Spinnfäden aus den Köpfen um die Erinnerung in Gang zu bringen, öffnet Tresore um verstecke Erinnerungen freizulegen und bringt heulendes Reisegepäck und ihre Anhänger zusammen. Das macht nicht nur Spaß und bringt Abwechslung in die Levels, sonder Motiviert mit der Freischaltung von Zusatzmaterial wie Artworks oder in schrulligen Bildern erzählte Hintergrundgeschichten ungemein. Jeder Level widmet sich einem anderen Thema, welche sich von einem Stierkampf mit TRON-Atmosphäre oder den 2.Weltkrieg über ein 70er Jahre Disco-Revival hin zu einer Godzillawelt strecken. Diese bestreitet ihr in bester 50er Jahre Manier als das Monster während die Monster die fliehende Bevölkerung mimen - das ganze findet übrigens im Kopf eines riesigen mutierten Lungenfisches statt.


Unbestreitbarer Höhepunkt ist allerdings die Milchmann Verschwörung, in welcher ihr herausfinden müsst, wer und warum er den Milchmann umgebracht hat. Selten war ein Level so charmant und abgedreht. Abgedreht trifft im Übrigen auch die Levelarchitektur ganz gut. In einigen Level ist sogar der Untergrund so verdreht, dass es oftmals kein klares unten und oben mehr gibt. Stellt euch einfach vor, Tim Burton trifft Super Mario Galaxy und ihr wisst ungefähr, was euch erwartet, auch wenn dabei frustige Stellen nicht ausbleiben. Vor allem der letzte Level wird es euch schwer machen, das Pad nicht wutentbrannt gegen die Wand zu werfen. Dennoch, solch schräges Leveldesign seht ihr so schnell nicht wieder. Wen wundert es da, dass ihr auch einer Irrenanstalt einen Besuch abstattet? Gekrönt wird die Spielwelt jedoch von den Charakteren, die sie bevölkern.


Sie sind zweifelsohne die Stars des Spiels und machen den Großteil des unverwechselbaren Charms aus. Wirklich jeder Charakter ist eine ausgearbeitete Persönlichkeit. Das fängt mit dem sympathischen Helden Raz an. Er ist ein Träumer, ein Macher, ein Abenteurer der alten Schule, ein kleiner Tollpatsch und dazu furchtbar naiv oder kurzum, man muss ihn einfach gern haben. Aber auch die anderen Campteilnehmer sind weitaus mehr als einfaches Beiwerk. Da wäre zum Beispiel Dogen, der sich einen Helm aus Alufolie bastelt aus Angst, er könnte die Köpfe der anderen zum Platzen bringen oder der vorher erwähnte mutierte Lungenfisch oder Agent Sasha, der an einem tristgrauen Ordnungsfimmel leidet um so seine Kindheit begraben will oder ein schizophrener Nachfahre Napoleons, der ein Brettspiel gegen sich selber Spielt oder eine Diva, die sich ein Publikum aus Blumentöpfen zurechtgebastelt hat oder oder oder. Die Kreativität und Liebe der Entwickler für ihre Charaktere schien wirklich keine Grenzen zu kennen. Vielleicht ist nicht jeder Charakter gleich stark präsent aber sie sind doch allesamt skurril, witzig, charmant und liebenswürdig.



Auch euren Gegenspielern hat man dieselbe Hingabe gewidmet. Auf eurer Reise begegnen euch telekinetisch begabte Bären, Fleischwolfhasen, Pyrokinese-Tiger und Gedankenzensoren. Dabei wartet genretypisch am Ende eines Jeden Levels ein dicker Endboss auf euch. Wann wurdet ihr zuletzt von einem übergewichtigen Kritiker in seiner fliegenden Loge mit schlechten Kritiken beschossen oder musstet gegen Napoleon in einer riesigen Holzspinne kämpfen? Unterstrichen wird das Sammelsurium an abgedrehten und grotesken Charakteren durch ihr eigenwilliges Design. Auch hier haben die Entwickler ein gutes Gespür für den unverwechselbaren Charme des Charme bewiesen und so fügen sich die Charaktere, so abgedreht sie auch sind, nahtlos ins Gesamtbild ein. Leider kann Psychonauts vor allem auf der PS2 technisch nicht ganz überzeugen. Die Animationen sind zwar weich und stecken voller Details aber viele arg verwaschene Texturen und einige doch eher triste Levelabschnitte sowie ein häufig auftretendes Geruckel zehren dann doch etwas an dem ansonsten positiven Gesamtbild.


Soundtechnisch sieht die Sache schon wieder anders. Vor allem im englischen Originalton hauchen die sehr guten Sprecher den Figuren noch einmal zusätzliches Leben ein. Aber auch die deutsche Sprachausgabe braucht sich davor nicht zu verstecken. Viel Witz und Esprit der englischen Dialoge haben es so fast unbeschadet auch in die deutsche Lokalisierung geschafft, welche ebenso mit guten bis sehr guten Sprechern aufwarten kann. Raz wird zum Beispiel von Sandra Schwittau verton, welche die meisten von euch als Stimme von Bart Simpson kennen werden. Das verdient viel Lob und vor allem viele Nachahmer. Musikalisch gibt sich Psychonauts auch keine Blöße. Die Stücke passen zur jeweiligen Spielwelt und geben der ohnehin schon mitreißenden Atmosphäre noch mal etwas mehr Tiefe ohne zu aufdringlich zu werden oder jemals zu langweilen.

Mario meint:

Mario

Manche Entwickler loben sich für eine gute Idee in ihrem Spiel, Psychonauts hat unzählige. Hier über jeden kreativen Einfall der Entwickler zu schreiben würde den Rahmen eines jeden Reviews sprengen. Da stört es auch wenig, dass vor allem gegen Ende einige Stellen schlichtweg unfair geraten sind und die PS2 Version grafisch nur Mittelmaß bietet. Psychonauts explodiert vor Charme und bietet vor allem bei seinen abgefahrenen Charakteren jene Kreativität, welche die Adventures von damals so unvergesslich gemacht haben und welche die großen Spieleschmieden schon lange vermissen lassen. Ein Pflichtkauf vor allem für Freunde der alten LucasArts Adventures, zumal der Preis von 10 Euro für die PS2 Version mehr als günstig ist.

written by Mario Schmidt, © nexgam.de
 

Positiv

  • Abgefahrene Spielwelt und skurrile Charaktere
  • Spaßige und innovative PSI-Fähigkeiten
  • Deutsche Synchro, die der englischen in Sachen Witz kaum nachsteht

Negativ

  • Teils unfaire Stellen
  • Auf der PS2 technisch nur Mittelmaß
  • Lange Ladezeiten
Userwertung
10 2 Stimmen
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Psychonauts Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 10.02.2006
Vermarkter Majesco
Wertung 9.2
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