Kengo - Master of Bushido im Test

PlayStation2
Samurai – Ein Lehrberuf mit Aufstiegschancen
Vor einigen Jahren überraschte die unbekannte Spieleschmiede Lightweight die Playstation-Fans in aller Welt mit dem Samurai-Gemetzel Bushido Blade. Nie zuvor hatte es jemand gewagt, so konsequent mit allen Traditionen des Genres zu brechen, um ein Höchstmaß an Realitätsnähe zu gewährleisten. Die Lebensleiste am unteren Bildschirmrand wurde kurzerhand weggelassen und es war möglich, seinen Gegner mit einer einzigen Spezial-Attacke ins Reich des Jenseits zu befördern. Durch solche und ähnliche Maßnahmen wurden Bushido Blade und dessen direkter Nachfolger zu Spielen, die an Spannung kaum zu überbieten waren. Der Tod lag ständig in der Luft. Mit Kengo - Master of Bushido ist ein inoffizieller dritter Teil der legendären Serie für die PS2 erschienen.

Die Story des Games ist nicht nur reichlich dünn, sondern auch äußerst merkwürdig. Gleich zu Beginn wird dem Spieler erklärt, dass er sich im Japan der Genroku-Ära befindet. Es herrscht Frieden und eigentlich gibt es keinen Grund mehr, mit Schwertern aufeinander einzuhacken. Trotzdem sind immer noch viele junge Männer von der Kampfkunst fasziniert. Eine dämlichere Einleitung, als zu erklären, dass alle Duelle völlig grundlos stattfinden, kann es für ein Samurai-Kampfspiel wohl kaum geben. Aber Schwamm drüber, schließlich ist es ja bei Vertretern dieses Genres eher das Gameplay, das interessiert.


Von außen betrachtet wirkt die Samurai-Schule friedlich. Hinter den Mauern herrschen allerdings rauhe Sitten.


Auf den ersten Blick wirkt das Angebot an verschiedenen Modi etwas gering. Natürlich gibt es die Möglichkeit, direkt in ein Turnier einzusteigen, indem man einen der elf Charaktere wählt und versucht, eine Vielzahl von Gegnern niederzustrecken. Man kann selbstverständlich auch gegen einen zweiten menschlichen Spieler antreten. Im Laufe der Zeit können übrigens noch elf weitere Samurai freigeschaltet werden, womit die Auswahlmöglichkeit auf ein angemessenes Maß steigt.

Wer alles kennen lernen will, was Kengo zu bieten hat, der kommt um den Einzelspieler-Modus nicht herum. Dieser bietet immerhin genug Abwechslung, um für das Fehlen weiterer Spielvarianten zu entschädigen. Die Aufgabe des Zockers ist es hier, einen von drei jungen Schwertkämpfern durch hartes Training und unzählige Duelle zu einem echten Samurai zu machen. Nachdem man sich aus dem recht mickrigen Angebot seinen Favoriten gewählt hat, kann man sich aussuchen, auf welche Schule er gehen soll, um die hohe Kunst der Metzelei zu erlernen. Neun höhere Bildungsanstalten stehen zur Verfügung und jede lehrt verschiedene Techniken. Ein paar Probeläufe sind also unumgänglich, wenn man herausfinden will, welche Ausbildung am Besten zum jeweiligen Kämpfer passt. Die Duelle im eigenen Dojo werden mit Holzschwertern ausgetragen, um den zukünftigen Großmeister nicht schon während der Ausbildung zu verstümmeln. Nach einigen sehr simplen Runden, in denen hauptsächlich einzelne Aspekte des Kampfes behandelt werden, darf man schließlich richtige Übungsmatches bestreiten. Auch Spezial-Aufgaben wie das Besiegen mehrerer Gegner nacheinander müssen erfüllt werden. Die Fähigkeiten der eigenen Spielfigur erhöhen sich nicht nur durch Siege. Selbst eine Niederlage kann Auswirkungen auf bestimmte Bereiche haben.

Im Laufe der Zeit kann unser Held auch Techniken erlernen, die man selbstständig kombinieren kann. Jeweils drei Techniken ergeben eine Combo, die auf eine der R-Tasten gelegt werden kann. Ein Superkämpfer kann also während eines Kampfes über vier Schlagkombinationen verfügen. Geht eine Taktik nicht auf, ist es dem Spieler überlassen, ob er die Techniken neu formieren möchte. Hat man genügend Tests bestanden, gilt man als vollwertiges Mitglied seiner Schule und kann an Dojo-Turnieren teilnehmen, in denen die Ehre der eigenen Lehranstalt verteidigt werden muss. Einige unserer Leser werden solche Rituale kennen, obwohl hierzulande eher Schneeballschlachten oder Fußballturniere entscheiden, welche Schule besser ist. Unter bestimmten Umständen kann man in einem Dojo-Turnier ein besonderes Schwert gewinnen, mit dem ein geheimer Angriff ausgeführt werden kann. Es ist natürlich auch möglich, seinen Kämpfer im regulären Turnier einzusetzen. Mehr als ärgerlich ist die Tatsache, dass nur ein Charakter pro Memory-Karte gespeichert werden darf. Für ein Game, dass zum Experimentieren mit verschiedenen Techniken und Trainingsmethoden einlädt, ist so etwas ein unverzeihlicher Fehler.


Eine altes asiatisches Sprichwort lautet: das Schwert ist härter als der Kopf. Diese Erfahrung wird auch der Herr auf der rechten Seite in Kürze machen.


Ein interessanter Aspekt des Spiels sind die Mini-Games, die dafür sorgen, dass sich Kengo von der breiten Masse der 3D-Klopper abhebt. In diversen Trainingeinheiten kann der Spieler das Potential seines Charakters steigern. Während tatsächliche Verbesserungen in Bereichen wie Angriffsstärke, Beweglichkeit oder Geschwindigkeit nur durch Kämpfe erzielt werden können, wird durch das Training festgelegt, wie hoch die Werte für bestimmte Eigenschaften steigen können. So werden die Mini-Games zu einem wichtigen Bestandteil des Spiels. Insgesamt gibt es sechs verschieden Methoden, um den Körper und Geist seines Kämpfers zu stählen. Meistens ist dabei lediglich ein bisschen Timing gefragt. Bei der Zen Meditation, die sich positiv auf das Abwehrverhalten auswirken kann, kniet der Samurai im Dojo und versucht gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Die einzige Aufgabe des Spielers ist es, durch ausbalancieren eines Punktes auf einer Leiste dafür zu sorgen, dass sein Charakter nicht zur Seite fällt und einschläft. Sollte dies nämlich geschehen, wartet ein weiser Meister im Hintergrund nur darauf, dem Samurai-Azubi ein langes Bambus-Rohr auf den Schädel zu donnern, um ihn aus seinen Träumen zu reißen. Im Schlagtraining muss der Spieler einfach nur die eingeblendeten Tasten schnell drücken, um vor Ablauf der Zeit einen dünnen Baum zu Feuerholz zu verarbeiten. Zwar glänzt keines der Mini-Games mit spielerischer Tiefe, aber dennoch sind sie eine nette Abwechslung und sorgen dafür, dass Kengo nicht so schnell langweilig wird.


Seit Jahrhunderten verfeindet: Kerzen und Samurai. Wer wird diesmal den Sieg davon tragen?


Das Gameplay ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite glänzt es mit genialen Ideen, auf der anderen Seite wurden so grobe Fehler gemacht, dass man kaum fassen kann, das sie tatsächlich den Weg in ein fertiges Game gefunden haben. Kengo spielt sich völlig anders als der Großteil seiner Genre-Verwandtschaft. Es gibt einen Knopf zum Schlagen, einen zum Blocken und einen zum Ausweichen. Mit Hilfe der Richtungstasten können die Aktionen variiert werden. Special-Moves, die durch wilde Tastenkombinationen ausgelöst werden, sucht man vergebens. Timing heißt das Zauberwort. Man sollte sich nie zu schade sein, um in einer brenzligen Situation davonzulaufen und eine neue Strategie zu planen. Die Grundidee, keine automatische Anvisierung des Feindes zu integrieren, ist eigentlich genial, wird aber durch die seltsame Kameraführung und die daraus resultierenden Probleme mit der Steuerung zu einer echten Tortur. Es kommt immer wieder vor, dass man seinen Gegner umkreist und sich dann im richtigen Moment zu einer Attacke entschließt. Leider wechselt die Kamera grundlos ihre Position noch während das Spielerhirn den Befehl zum Angriff an die Hand sendet. Der eigene Samurai macht daraufhin ein paar Schritte in die völlig falsche Richtung und bearbeitet entweder die Luft mit Hieben oder wird von seinem Kontrahenten übelst zugerichtet. Auch gelegentliche Verzögerungen in der Reaktion der Spielfigur sorgen für unfaire Momente.


Das Fällen von Bäumen gelang im Mittelalter nur den besten Schwertkämpfern. Bis die Europäer die Axt erfanden...


Gelungen ist die Idee, dass man seinem Gegner eine schwere Wunde beibringen kann, die ihn während des Kampfes schwächt. So ist es möglich, einen verletzten Feind “ausbluten“ zu lassen. Schafft man es lange genug, sich von ihm fernzuhalten, fällt er nach einer Weile von allein um. Ein weiterer interessanter Aspekt des Spiels ist die Möglichkeit, die Lebens- und Schlagenergieleisten auszuschalten, wodurch die Kämpfe Einiges an Spannung und Dramatik gewinnen. Im Gegensatz zu Bushido Blade ist es zwar in Kengo nicht möglich, einen Feind mit einem einzigen Schlag zu erledigen, aber Kämpfe von wenigen Sekunden sind keine Seltenheit.

Grafisch kann das Spiel zumindest teilweise überzeugen. Die Kämpfer sind detailliert, bewegen sich meistens geschmeidig über den Bildschirm und führen auch ihre Aktionen schnell und flüssig aus. Lediglich wenn sich zwei Gegner umkreisen, scheint es manchmal so, als würde hier und da ein kleiner Schritt fehlen. Es gibt zwar eine Reihe von Hintergründen, aber die sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Fast alle Duelle finden in Dojos statt, was auf die Dauer wenig optische Abwechslung bringt, vor allem weil diese Kampfarenen meistens sehr spärlich eingerichtet sind. Ein Lichtblick sind die wenigen Räume, die Fenster haben und somit statt ein paar Wandteppichen mit Bäumen und blauem Himmel aufwarten können. Das Grunddesign des Games dürfte die Zockergemeinde in zwei Lager spalten. Auch hier wurde viel Wert auf Realismus gelegt. Das bedeutet, dass im ganzen Spiel kein einziger abgedrehter Charakter auftaucht. Alle Kämpfer sind ehrwürdige Samurai, die traditionell gekleidet sind. Viel Platz für Überraschungen bleibt da nicht. Die Farben wirken für ein Videospiel sehr trist, was offensichtlich für eine tiefgründige und leicht düstere Atmosphäre sorgen soll. Kengo würde von einem Kosmetikberater sicherlich als Herbsttyp eingestuft werden, denn Erdfarben dominieren eindeutig. Zocker, die ohnehin zu Depressionen neigen, sollten sich lieber ein buntes Spiel kaufen.

Kengo hat bei Weitem die “saftigsten“ Kampfgeräusche, die es seit langem in einem Videospiel zu hören gab. Macht ein Samurai mit der Klinge eines Gegners Bekanntschaft, hört es sich immer an, als würde man mit einem Hammer auf eine überreife Tomate schlagen. Allein dieser stark übertriebene Effekt, der sich im Sekundentakt wiederholt, sorgt dafür, dass die ernste und leicht düstere Atmosphäre des Spiels fast komplett aufgehoben wird. Lustig ist es aber auf jeden Fall, obwohl die Programmierer das wohl nicht beabsichtigt haben. Die Musik ist absolut gelungen, leider hört man sie aber viel zu selten. Die traditionell anmutenden Melodien mit stimmiger Trommeluntermalung erklingen nur in den Menüs. Die Kämpfe können zwar neben dem bereits angesprochenen Horrorfilmeffekt mit realistischen Geräuschen und guter japanischer Sprachausgabe glänzen, aber die fehlende Musik ist eine verpasste Gelegenheit, der man oft nachtrauert.


Vornehme Blässe galt in vielen Epochen als besonders schick: Kengo ist kein farbenfrohes Spiel.

Tim meint:

Tim

Kengo ist die Sorte Spiel, die man entweder liebt oder hasst. Dazwischen gibt es nichts. Wirklich jeder Aspekt des Games ist gewöhnungsbedürftig, sei es die leicht verwirrende Steuerung oder die etwas farbarme Grafik. Tekken-Fans sollten auf jeden Fall ein längeres Probespiel machen, bevor sie sich zum Kauf entschließen. Der Versuch, einen Vertreter des klassischen Beat-Em-Up-Genres mit neuen Ideen zu veredeln, ist zwar im Großen und Ganzen gelungen, dürfte aber auf viele Spieler abschreckend wirken. Einige derbe Schnitzer im Gameplay sorgen dafür, dass sich Kengo nur leicht vom Durchschnitt absetzen kann.

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Kengo - Master of Bushido Daten
Genre -
Spieleranzahl 1 - 2
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 29.03.2001
Vermarkter Ubisoft
Wertung 6.8
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neXGam YouTube Channel
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