

Schnell sprießen die ersten Pflanzen aus dem Boden. Nun lässt auch das hart verdiente Geld nicht mehr lange auf sich warten.
Auch das neue Harvest Moon ist im Grunde ein Aufbauspiel mit einigen Anleihen aus dem RPG-Genre. Wirklich komplex wird es nur selten und dank der vielen ausführlichen Erklärungen kommt auch bei jüngeren DS-Besitzern keine Verwirrung auf. Innerhalb weniger Minuten sind die ersten Felder gepflügt, mit Samen bestückt und bewässert. Was folgt ist das harte virtuelle Bauernleben. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang läuft die Zeit sehr schnell und vieles muss erledigt werden.
Während in dem ein oder anderen Vorgänger Mini-Spiele einen erheblichen Anteil am Gameplay hatten, besinnt sich der neueste Spross der Harvest Moon Familie wieder stärker auf alte Tugenden. Melken, streicheln und scheren können zwar auch diesmal mit Hilfe des Stylus absolviert werden, wirklich wichtig für das Vorankommen sind die kleinen Geschicklichkeitstests aber nicht. So kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren und an einem guten Zeitmanagement arbeiten. Zu tun gibt es nämlich mehr als genug. Wer zu schnell hoch hinaus will, wird feststellen, dass nach der Pflege der Felder nur wenige Augenblicke Zeit bleiben, um andere wichtige Aufgaben zu erledigen. Im Gegensatz zur Realität sorgen Regentage in der virtuellen Bauernwelt für große Freude, da sie das aufwändige Wässern der Pflanzen überflüssig machen. So hat man endlich die Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden oder im nahe gelegenen Dorf eine Shoppingtour zu starten. Der Kauf neuer Gerätschaften, der Ausbau von Gebäuden oder die Anschaffung von Tieren sind nicht der einzige Grund mit den computergesteuerten Charakteren in Kontakt zu treten. Freundschaften wollen geknüpft und mittels Geschenken gepflegt werden. Eines der Nebenziele des Games ist das Gründen einer Bauernfamilie, was wirklich nur gelingt, wenn die anvisierte Herzensdame mit viel Aufmerksamkeit bedacht wird.
Harvest Moon ist ein langsames Spiel, das nahezu ohne Actionelemente auskommt. Trotzdem kann es sehr motivierend sein, immer neue Einkommensquellen aufzuspüren oder die Arbeitsabläufe durch bessere Werkzeuge zu optimieren. Einen Multiplayer-Modus sucht man zwar vergeblich, doch da sich mit Hilfe der Wi-Fi-Verbindung und auch im lokalen Netzwerk jede Menge Statistiken vergleichen lassen, kommt trotzdem etwas Wettkampfstimmung auf. Über die integrierte Voice-Chat-Funktion lassen sich schlechte Leistungen von Freunden außerdem direkt kommentieren.


Wer sich in den Mini-Spielen besonders intensiv um das liebe Vieh kümmert, bekommt weichere Wolle und bessere Milch.
Es wird immer Zocker geben, die in Harvest Moon eine langweilige Zeitverschwendung sehen. Ob es gelingt, sich mit dem nahezu actionfreien Konzept und den endlosen Wiederholungen im Gameplay anzufreunden, ist tatsächlich reine Geschmackssache. Nach langer und harter Arbeit endlich ein paar Kartoffeln zu ernten oder durch aufopferungsvolle Pflege Milch von glücklichen Kühen zu erhalten, kann bei entspannten Zeitgenossen wahre Glücksgefühle auslösen. Keine Meinungsdifferenzen gibt es hingegen bei der Steuerung. Die ist diesmal nämlich ordentlich misslungen und macht das neueste Game der Serie zeitweise zur echten Tortur. Offensichtlich war es den Entwicklern wichtig, dass der Touchscreen möglichst oft genutzt wird. Darum wird der Protagonist auch ausschließlich mit Hilfe des Stylus bewegt, während vier beliebige Aktionen durch das Steuerkreuz oder die Knöpfe ausgelöst werden können. Wer sich nicht zu den Masochisten zählt, beginnt innerhalb weniger Minuten automatisch damit, die diversen Menüs nach einer alternativen Steuerung zu durchsuchen. Dummerweise fehlt genau diese Option und so ist man dazu verdammt, immer wieder kostbare Sekunden zu verschwenden, weil der Held in die falsche Richtung schaut, ein Gegenstand nicht perfekt angetippt wurde oder ein Axthieb daneben geht. Wenn es in einem Spiel hauptsächlich darum geht, die Zeit so effektiv wie möglich zu nutzen, grenzt es tatsächlich an Quälerei, wenn dem Zocker immer bewusst ist, dass die Einbeziehung des Touchscreens genau das verhindert. Der Verzicht auf eine klassische Steuerungsvariante ist somit nicht nur dumm und kaum nachvollziehbar, sondern tatsächlich gemein.


"Wow, it´s bigger than I thought..." Sowas hört der gestresste Bauer von seiner Herzensdame natürlich gern.
Die Grafik kommt recht zweckmäßig daher. Großköpfige Anime-Charaktere tummeln sich vor den bunten aber simpel konstruierten Kulissen. Im Gegensatz zum ersten DS-Spiel der Reihe ist zwar inzwischen auf den ersten Blick klar, dass man keine überarbeitete Game Boy Version vor sich hat, doch die Fähigkeiten der Hardware werden dennoch kaum zur Schau gestellt. Weder die Animationen noch die spärlichen Effekte können im Vergleich mit dem Konkurrenzprodukt Rune Factory bestehen. Auch eine Zoom-Funktion sucht man vergeblich, was ärgerlich ist, da immer nur ein recht kleiner Abschnitt der Landschaft zu sehen ist und die grobe Karte auf dem zweiten Bildschirm einfach nicht ausreicht, um alles im Blick zu behalten. Aber es gibt nicht nur Grund zum Meckern. Besonders Kinder werden das Design der Tiere lieben und ihren Spaß an der Aufzucht und Pflege haben. Die inzwischen legendär niedlichen (und reichlich übergewichtigen) Kühe, Hühner, Hunde und Schafe bringen selbst in unterkühlte Gamerherzen ein wenig Sonne.


Für die Navigation durch die vielen Menüs eignet sich der Stylus perfekt. Leider ist das bei der Steuerung des Protagonisten nicht der Fall...
Belanglos aber ohne die Nerven zu strapazieren dudelt die Musik aus den Mini-Lautsprechern. Selbstverständlich sind die Melodien wieder fröhlich, simpel und austauschbar. Gleiches gilt auch für die Soundeffekte, bei denen es sich um reine Fließbandware handelt. Die akustische Untermalung passt zwar zur friedlichen Stimmung, wirkt aber nach einer Weile etwas einschläfernd. Besonders Veteranen der Serie werden ganz genau hinhören müssen, um überhaupt einen Unterschied zu früheren Harvest Moon Teilen festzustellen.
Eigentlich sollte jeder ernsthafte Zocker mindestens ein Harvest Moon im Schrank haben. Wenn wieder mal ein Endgegner den längeren Atem hatte oder man auf der Zielgeraden den Sieg verschenkt hat, gibt es kaum eine bessere Therapie als ein paar Stündchen mit der Farmsimulation. Das beruhigt die Nerven und bringt neue Energie für actionlastigere Herausforderungen. Echte Verbesserungen muss man bei Mein Inselparadies mit der Lupe suchen, aber wenigstens sind durch die Zurückhaltung der Macher viele der alten Tugenden intakt geblieben. Das neue Harvest Moon ist entspannend, charmant und umfangreich genug, um echte Fans für einige Wochen zu unterhalten. Die verkorkste Steuerung und die mittelmäßige Optik sorgen allerdings dafür, dass Neulinge einen weiten Bogen um das Modul machen sollten. Sowohl der direkte Vorgänger als auch die GBA-Teile spielen sich deutlich angenehmer. Wer in den Genuss einer konsequenten Weiterentwicklung des leicht angestaubten Gameplays kommen will, muss auf den lange verzögerten Deutschland-Release von Rune Factory warten.