Xenogears im Test
Xenogears ist einfach ... gigantisch! Eine derart komplexes, umfangreiches und schönes RPG-Abenteuer fand sich seit Final Fantasy VII nicht mehr im CD-Laufwerk meiner betagten Playstation. Durchschnittliche Rollenspiele sind (Trotz aller Behauptungen sämtlicher Hersteller und Fachmagazine) locker in 30-40 Spielstunden zu schaffen. Selbst absolute Profis werden an diesem Werk jedoch mindestens 70+ Stunden sitzen, gerade der letzte Dungeon erfordert viel schweißtreibendes Training und Ausdauer. Die Story ist die vielleicht schönste, ganz sicher aber die komplexeste Geschichte überhaupt, die ich jeh in einem Nipponprodukt erlebt habe (Eine Liga mit Neon Genesis Evangelion).
Ein riesiger Raumkreuzer beladen mit Millionen von Kolonisten schwebt gemächlich durch die Weiten des Alls. Plötzlich übernimmt ein Virus die Kontrolle über sämtliche Funktionen des Schiffes, alle verzweifelten Versuche den Organismus einzudämmen scheitern. Schweren Herzens gibt der Kapitän den Befehl zur Evakuierung. Panisch flüchten sämtliche Zivilisten in die Rettungsgleiter- nur um auf ihren Weg in die Freiheit vom Sicherheitssystem des Schiffes abgeschossen zu werden. Gebrochen schaut der Kapitän ein letztes Mal auf das Foto seiner Familie, dann aktiviert er die Selbstzerstörung und das einst stolze Schlachtschiff verglüht in der Atmosphäre des nächsten Planeten. Am nächsten Morgen entsteigt eine nackte Schönheit den Trümmern und blickt verträumt in die Sonne ... 10.000 Jahre (!) später: Ihr schlüpft in die Rolle des 18 jährigen Jünglings Fei Fong Wong. Drei Jahre zuvor wurdet ihr schwerverletzt von einer vermummten Gestalt in ein verschlafenes Dörfchen names Lacan verschleppt.
Ihr habt keinerlei Erinnerungen an eure Vergangeheit und wurdet herzlich von den Dorfbewohnern aufgenommen. Eines Tages greift wie aus dem Nichts eine Gruppe 'Gears' an, riesige bemannte Kampfroboter, die ihren Verwandten aus Gundam verblüffend ähnlich sehen. Als Feis bester Freund samt seiner frisch vermählten Frau in dem unerbittlichen Feindfeuer blutig zusammenbrechen verliert Fei die Kontrolle. Er besetzt einen leerstehenden (?) Gear und vernichtet in einer gigantischen Explosion sämtliche Feinde- leider macht sein Flammenmeer auch vor dem Dorf, samt seinen Bwohnern, nicht halt. Aus dem Dorf verstoßen, macht sich Fei zusammen mit seinem Mentor Citan auf dem Weg nach Antworten. Unterwegs trifft er auf auf die langhaarige Schönheit Elly, einem hochrangigen Offizier der Truppen, die den Angriff auf Lacan durchführten ... Jeder Charakter des Spiels ist extrem komplex entwickelt. Jeder scheint eine zweite Seite zu haben, nichts ist so wie es scheint - aus Freunden werden Feinde und aus Feinden Freunde.
Das Gameplay macht einfach nur Spass. Das Kampfsystem von Xenogears ist innovativ und lässt sich nur schwer mit bestehenden Normen vergleichen. Zum Einen kämpft ihr entweder Mann gegen Mann, oder ihr tretet in euren haushohen Gears zu vernichtenden Gefechten an. Ihr habt jeweils die Wahl zwischen einem leichten, einen mittleren und einem schweren Schlag. Entscheidet ihr euch für ersteres, baut ihr eure Angriffskraft auf, die sich in gewaltigen 'Deathblows' entlädt. Diese löst ihr durch Kombinationen der drei varibalen Härtegrade aus, durch derartiges Combogeklicke kommt zeitweise echtes Beat'em Up Feeling auf - Magie und sonstige Abilities spielen nur eine untergeordnete Rolle. Zudem tauchen die erkundbaren Dörfer und Städte durch die Möglichkeit des Springens in eine dritte Dimension des Erforschens und stechen aus dem Einheitsbreih der Rollenspielmasse.
Die grafische Präsentation verblasst etwas im Vergleich zur Story/Gameplay-Combo. Anno 1998 waren die aussschließlich in Echtzeit berechneten Grafiken revolutionär, heute sorgen die wabernden Pixelwelten jedoch für Augenschmerzen. Zudem ruckelt das Geschehen bei besonders detaillierten Szenen leicht. Sämtliche Charaktere wurden als klassische Bitmaps auf die CDs gebrannt, durch Schattengebung auf den Gewändern und absolut flüssige Animationsphasen soll die Illusion eines Anime erschaffen werden. Leider gehen die ganzen Bewegungsframes auf Kosten der Auflösung: Grade bei (häufigen) Zooms mutieren eure Kontrahenten zu einem undefinierbaren Pixelauflauf (Solltet ihr eine US PS2 euer Eigen nennen, unbedingt die Grafik filtern!).
Entschädigend befinden sich dafür Portraits eures Counterfeits in den Textboxen, die absolut schön gezeichnet sind und vereinzelt Emotionen wiederspiegeln. Im Kampfbildschirm findet ihr die gleichen Bitmapmodelle wie in der gewöhnlichen Flora, hier beeindrucken hin und wieder Zeitraffereffekte die Combos besonders schnell und Deatchblows durch Matrix-Effekte besonders cool wirken lassen. Im Kontrast zur trüben Ingame-Optik stehen die zahlreichen Animesequenzen, die technisch absolut sauber teils handgezeichnet, teils gerendert (wie bei Blue Submarine Nr.06) auf die PlayStation portiert wurden. Als Bonbon bekommt ihr in den kurzen Filmchen sogar glasklare Sprachausgabe zu hören.
Der Soundtrack dieses Blockbusters lässt sich eigentlich nur durch ein Adjektiv gebührend würdigen - 'Wunderschön'. Für sich genommen weiß jeder Song zu gefallen, keinerlei mittelprächtige Füllstücke kontraktieren euer Gehör, zudem ist die Qualität der Synthie-Songs ein paar Klassen besser als gängiges Final Fantasy-Gedudel. Leider hat solche Qualität seinen Preis, die Stücke werden andauernd wiederholt. Die Soundeffekte unterstreichen die jeweilige Atmosphäre - In luftigen Höhen lauscht ihr vereinzelten Windböen, im Kampf vernehmt ihr erbittertes Kampfgeschrei und die Gears rocken mit viel Bass durch die Pampa.
Kai meint:
Userwertung
Insgesamt ist Xenogears für mich neben Final Fantasy VII das beste Rollenspiel aller Zeiten, ohne wenn und aber. Vergesst die schnöde Grafik, seht über den Mangel an Musictracks hinweg, in keinem Film/Buch/Rollenspiel bekommt ihr eine derart faszinierende Geschichte und glaubwürdigere Charaktere geboten und das ist es schließlich, was ein gutes RPG auszeichnet! Seit nunmehr 8 Jahren hat es kein vergleichbares Game geschafft Xenogears von seinem Thron zu stoßen.