Armada im Test

Dreamcast
Armada hat leider nie den Sprung über den großen Teich geschafft und blieb uns Europäern daher immer verwehrt. Werft nun mit uns einen Blick auf diese Dreamcast-Kuriosität und erfahrt, warum sich ein US-Import durchaus lohnen könnte.

Wenn man eine Sache über SEGAs Dreamcast sagen kann, dann wohl, dass er das Heim für einige der innovativsten und gleichzeitig skurrilsten Videospiele aller Zeiten war. Spiele wie Shenmue, REZ, Jet Set Radio, Cosmic Smash, Space Channel 5, Seaman, Samba De Amigo, Phantasy Star Online oder auch SEGA Bass Fishing gehören zu den prominentesten Vertretern dieser Zunft. Allen gemein ist, dass sie von SEGA selbst entwickelt wurden. Doch auch einige Dritthersteller wagten sich seinerzeit an neue, unverbrauchte Konzepte. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Meistens jedoch erreichten diese Games nie die Popularität der SEGA-eigenen Produktionen. Und so erging es auch Metro3Ds Genre-Mix Armada.

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Armada konnte zwar eine loyale Fanbase hinter sich versammeln, aber an der großen Masse der Dreamcast-Spieler ging es dennoch einfach vorbei. Zumal der Titel auch nur in den USA veröffentlicht wurde. Doch was für eine Art Spiel ist Armada denn nun eigentlich? Kurz gefasst könnte man Armada als Asteroids mit RPG-Elementen bezeichnen. Das Weltall-Setting, die Steuerung und das eigentliche Gameplay erinnern nämlich in der Tat frappierend an den Klassiker aus dem Hause Atari. Denn auch wenn die Grafik in dreamcast-gemäßer 3D-Optik daherkommt, so bleibt das Gameplay durchgehend zweidimensional. Doch wer aufgrund der „altmodischen“ Perspektive nun ein simples Low-Budget-Spiel erwartet, irrt sich gewaltig. Denn die angesprochenen RPG-Elemente sorgen dafür, dass Euch Armada stundenlang beschäftigen kann. Und wem langwieriges Aufleveln, Item-Sammeln und Gegner-Metzeln alleine irgendwann zu eintönig wird, kann mit bis zu drei Freunden gleichzeitig in die Schlacht ziehen und das Universum retten.

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Doch immer der Reihe nach: Wieder ein Spiel, in dem man das Universum retten muss? Zum x-ten Mal? Welche böse Macht bedroht denn nun schon wieder die Zivilisation? Nun, die Hintergrundgeschichte von Armada ist vielleicht nicht sonderlich originell, bildet jedoch einen adäquaten Rahmen für Story, Setting und Gameplay:

Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft beschließt die Menschheit, andere Welten zu kolonisieren und das Weltall zu erforschen. Nach 10.000 Jahren der Anpassung an die verschiedensten Umweltbedingungen entstanden so eine Vielzahl neuer Kulturen und Subspezies. Jahrtausende lang blieb die Menschheit dabei in dem Glauben, allein zu sein im Universum. Bis zu jenem Tag, an dem eine intelligente, biomechanische Spezies aus den Tiefen des Alls auftauchte und eine Kolonie nach der anderen angriff und vernichtete. Jeglicher Versuch einer Kontaktaufnahme scheiterte, und innerhalb weniger Jahrhunderte wurde die Menschheit vom (inzwischen als Armada bezeichneten) Feind an den Rand der Auslöschung getrieben. Lediglich sechs verschiedene menschliche Zivilisationen existieren zur Zeit noch. In ihrer Not beschlossen sie, ihre Differenzen beizulegen und sich gemeinsam auf die letzte Welt zurückzuziehen, die noch nicht der Armada zum Opfer gefallen ist. Von dort aus planen sie nun vereint den Widerstand. Soviel zur Ausgangssituation des Spiels.

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Zu Beginn wählt Ihr eine der sechs Rassen, von denen jede ihre eigenen unterschiedlichen Vor- und Nachteile mit sich bringt. So besitzen z.B. die Raumschiffe der Terraner als einzige zielsuchende Zwillingsraketen, eine erhöhte Feuerrate sowie eine verstärkte Panzerung, während die Eldred mit leistungsstärkeren Warp-Triebwerken, einem höheren Waffenenergie-Maximum und einem Erfahrungspunkte-Bonus für Abschüsse auftrumpfen können. Somit sollte für jeden Geschmack und Spielstil ein passender Charakter vorhanden sein.

Nun aber endlich auf ins Spiel! Ihr startet Euer Abenteuer auf der neuen Heimatwelt der menschlichen Allianz, die Euch fortan als Hauptquartier und Basis dient. Dort sprecht Ihr mit anderen Raumschiff-Kapitänen, heilt Euch, rüstet Euch aus und werdet mit Euren Hauptquests versorgt. Versteht das aber bitte nicht falsch. Es gibt keine Städte zum Erkunden, auch keine cineastisch inszenierten Dialog-Sequenzen. Ihr steuert zu jedem Zeitpunkt grundsätzlich nur Euer Raumschiff. Auf der Heimatwelt sieht das also so aus, dass Ihr Euer Schiff aus der Vogelperspektive über die Planetenoberfläche bewegt und mit anderen Schiffen kommuniziert, indem Ihr in unmittelbarer Nähe den Scanner einsetzt. Die Dialoge werden dabei von kleinen Charakterportraits begleitet und von kompetenten Sprechern vertont, wiederholen sich leider jedoch sehr schnell.

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Sobald Ihr nun alle Vorbereitungen getroffen und Euch mit der Steuerung vertraut gemacht habt, geht es auf ins All und somit unmittelbar hinein in die Action. Die Perspektive bleibt hierbei identisch. Ihr seht Euer Schiff nach wie vor von schräg oben und bewegt Euch auf einer zweidimensionalen Ebene horizontal und vertikal, wobei Sterne, Planeten und Raumbasen im Hintergrund dieser Ebene vorbeiziehen. Die Grafik wirkt dabei zwar nicht überragend, bietet aber einige nette Effekte und bleibt jederzeit flüssig, auch wenn sich hunderte Gegner und Projektile auf dem Bildschirm tummeln. Der Sound bleibt mit seinen leisen, orchestralen Klängen dabei jederzeit angenehm im Hintergrund, was bei stundenlangen Rundflügen durchs All glasklar von Vorteil ist.

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Wie Ihr Euer Abenteuer gestaltet, und ob Ihr mehr Wert auf Exploration oder das Erfüllen Eurer Hauptquest legt, bleibt Euch überlassen. Ein ruhiger Wochenendausflug wird Eure Reise jedoch nicht. Das gesamte All ist quasi nur so vollgestopft mit feindlichen Raumschiffen, welche immer stärker werden und zunehmend höhere Level aufweisen, je weiter man sich von der Heimatwelt entfernt. Ihr könnt zwar von Anfang an das komplette All durchkreuzen, aber empfehlenswert ist so ein Abstecher in unbekanntes Terrain zu Spielbeginn nicht wirklich. Daher ist das Aufleveln und Erfüllen von Missionen unbedingt notwendig, wenn man nicht bereits nach wenigen Minuten Flug schon auf unbesiegbare Gegner stoßen will. Jeder Gegner bringt Euch bei Abschuss daher eine gewisse Menge an Erfahrungspunkten ein und hinterlässt zudem ein paar Credits, die es mit dem Scanner aufzusammeln gilt.

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Credits lassen sich wiederum an Raumbasen in neue Waffensysteme, bessere Schilde und unzählige weitere Upgrades investieren. So rüstet Ihr Euer Schiff nach und nach zu einem übermächtigen Schlachtkreuzer auf. Besonders motivierend gestaltet sich die Jagd nach Erfahrungspunkten auch dadurch, dass Ihr bei jedem vierten Levelaufstieg mit einem neuen, verbesserten Schiff belohnt werdet. Neben dem freien Erforschen des Alls stehen dem erfahrenen Raumfahrer zusätzlich zahlreiche Haupt- und Nebenquests zur Verfügung. Hauptquests führen Euch meist auf einen der Planeten, wo dann ein besonders hartnäckiger Gegner auf seine Eliminierung wartet. Die Planeten fungieren somit als das Armada-Pendant zu den Dungeons klassischer RPGs. Nebenquests bestehen meist aus Eskortier-Missionen, Transport-Flügen zwischen den Raumbasen und dem Beseitigen spezieller Gegner.

Mit Hilfe Eures Radars behaltet Ihr dabei jederzeit den Überblick über Eure unmittelbare Umgebung: Anhand der Farbe, Form und Größe der dargestellten Objekte erkennt Ihr sofort, ob es sich um feindliche bzw. alliierte Schiffe oder gar Missionsziele handelt. Ihr könnt einschätzen, wie groß ein gegnerisches Schiff ist oder ob es bei seiner Vernichtung ein Gesundheits-Power-Up hinterlassen wird (sehr hilfreich!). Ebenso werden potentielle Questgeber und rekrutierbare Flügelmänner, die bis zu ihrem Ableben an Eurer Seite kämpfen, kenntlich gemacht. Wer sein Radar zu nutzen weiß, kann sogar geschickt an feindlichen Flotten vorbeimanövrieren, ohne gesehen zu werden. Und falls man doch einmal in eine scheinbar ausweglose Situation geraten sollte, hat man immer noch einen Trumpf in der Hand (im Idealfall sogar drei). Sofern man sich nämlich auf der Heimatwelt entsprechend ausgerüstet hat, ist man stolzer Besitzer von maximal drei sogenannten Power Pods. Diese lassen sich auf Knopfdruck entweder kurzzeitig als Schutzschilde oder aber als bildschirmfüllende Smartbombs einsetzen. Egal für welche Option man sich entscheidet, klug eingesetzt sind die Power Pods exzellente Lebensretter.
Und solltet Ihr wider Erwarten doch einmal das Zeitliche segnen, macht Euch keine Sorgen. Ihr verliert weder Geld, Erfahrung noch sonst irgendetwas. Ihr werdet einfach an Ort und Stelle wieder respawnt. Dies jedoch nur maximal zweimal. Solltet Ihr alle drei Leben verbrauchen, werdet Ihr automatisch zurück zur Heimatwelt teleportiert. Ihr behaltet zwar auch dabei Euer komplettes Geld und Inventar, müsst Euch aber Wohl oder Übel wieder auf den (eventuell langen) Weg zum Einsatzziel machen.

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Apropos langer Weg: Die meisten Spieler werden wahrscheinlich nie die tatsächliche Grenze der Spielwelt zu Gesicht bekommen. Einerseits wegen der Entfernung, die einen mehrstündigen Flug voraussetzen würde, andererseits wegen der schier übermächtigen Gegner, die am Rande des erforschten Alls auf unvorsichtige Raumfahrer lauern. Um dem Spieler die Orientierung in so einem riesigen Areal zu vereinfachen, werden jederzeit die Koordinaten Eures momentanen Standorts eingeblendet. Die Heimatwelt befindet sich dabei mit den Koordinaten X:0 Y:0 im Zentrum. Wenn Ihr also einen neuen Planeten oder eine Raumbasis entdeckt, notiert Euch am besten die Koordinaten, sonst findet Ihr diesen Ort eventuell nie wieder. Ihr merkt schon: Armada zollt teilweise der alten RPG-Schule Tribut, als die Spieler noch auf kariertem Papier die Dungeons mitzeichneten.

Ganz so oldschool ist es hier nun doch nicht, aber man sollte sich zumindest nicht scheuen, sich auch einmal die einen oder anderen Koordinaten zu notieren. Und für den Fall, dass Euch das All irgendwann zu groß vorkommt und Ihr keine Lust auf ellenlange Flugwege mehr habt, nutzt einfach eines der schwarzen Löcher. Diese dienen als Teleporter-Verbindung zwischen den einzelnen Quadranten der Karte und verkürzen Eure Flüge drastisch. Doch auch hier gilt: Wer ein schwarzes Loch nutzen möchte, muss es erst einmal finden und sich die Koordinaten merken bzw. notieren. Glücklicherweise werden Euch einige wichtige Koordinaten auch im Laufe der Story in den Dialogen anvertraut. Ihr müsst also nicht alles völlig allein herausfinden.

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Doch wie eingangs bereits erwähnt entfaltet Armada erst im Multiplayer sein volles Potential! Hier darf man offline mit bis zu drei weiteren Freunden simultan das All erforschen und der Armada den Garaus machen. Und das löblicherweise sogar auf einem einzigen Bildschirm, also ohne Splitscreen! Hier merkt man auch, dass Armada anfangs als Online-Titel geplant war (was jedoch leider verworfen wurde, da SEGA die Server nicht rechtzeitig bereitstellen konnte). Erst im Multiplayer fallen die Stärken und Schwächen der einzelnen Rassen wirklich ins Gewicht. Man sollte also unbedingt darauf achten, dass man ein ausgewogenes Team bildet, in dem sich die Eigenschaften der einzelnen Mitglieder gegenseitig ergänzen. Startet man nun das Spiel, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, und der Spielspaß steigt exponentiell mit der Anzahl der Spieler. Denn nun könnt Ihr die Armada in Hinterhalte locken, Eure unterschiedlichen Waffensysteme und Smartbombs bei Bossgegnern geschickt kombinieren und angeschlagene Kameraden sicher aus der Gefahrenzone geleiten. Oder wollt Ihr Euren Freunden eventuell doch lieber die Credits vor der Nase wegschnappen und die Kills klauen? Auch das geht selbstverständlich. Das Tüpfelchen auf dem i ist jedoch die Möglichkeit, untereinander Handel zu betreiben und Items auszutauschen. So kann auch der unerfahrene Neuling schnell zu einem potenten Mitstreiter aufgerüstet werden. Und wer weiß, vielleicht besitzt ja einer Eurer Freunde genau das Item, das Ihr schon lange gesucht habt?

Einer der größten Pluspunkte des Spiels stellt wahrscheinlich das Speichersystem dar. Eure Charakterdaten (Rasse, Level, Items, Credits etc.) werden nämlich separat vom eigentlichen Story-Spielstand gespeichert. So könnt Ihr nicht nur jederzeit ein neues Spiel anfangen und dort Euren bereits hochgezüchteten Charakter übernehmen, nein, Ihr könnt sogar Eure Freunde in deren eigenen Spielständen besuchen und Ihnen dort bei schwierigen Missionen unter die Arme greifen. Alles, was Ihr dort ertauscht und erbeutet, wird in Eurer Charakterdatei abgespeichert und ist daher fortan auch mit jedem Eurer eigenen Spielstände nutzbar. Mit anderen Worten: Ihr könnt jeden erstellten Charakter mit jedem beliebigen Story-Spielstand kombinieren (seien es Eure eigenen Spielstände oder die Eurer Freunde), unabhängig von Rang und Story-Fortschritt. Diese Freiheit bieten selbst viele heutige Koop-Titel nicht.

Dominik meint:

Dominik

Dem Dreamcast mangelt es wahrlich nicht an gelungenen Multiplayer-Titeln. Im Gegenteil. Doch Spiele, in denen Ihr die Kampagne zusammen im Koop (und das sogar zu viert!) durchspielen könnt, sind auf SEGAs GD-Schleuder rar gesät. Und wenn ein Spiel dann auch noch derart motivierend daherkommt wie Armada, sollte eigentlich jedes Koop-Spieler-Herz höher schlagen. Armada bietet schlicht und ergreifend eine der besten Koop-Erfahrungen, die man auf dem Dreamcast finden kann. Zugegeben: Solisten werden nicht annähernd so lange Freude an dem Titel haben, da sich irgendwann unweigerlich Monotonie im Shoot’em Up Alltag einstellt und die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Level-Ups (also der Haupt-Motivationsquelle) im Singleplayer zu groß ausfallen. Man merkt einfach, dass Armada in erster Linie ein Multiplayer-Game sein soll. Und als ein solches gehört es ganz klar zu den Top-Titeln des Systems! Multiplayer-Fans können daher noch einen kompletten Punkt auf die Endwertung aufschlagen und Armada somit in die 9er-Region beamen.

Written by Dennis Riedel @ neXGam


Positiv

  • riesige Spielwelt / genialer Koop-Modus
  • Aufleveln extrem motivierend
  • Charakterdaten und Spielstände getrennt speicherbar und somit frei kombinierbar

Negativ

  • 08/15 Story
  • Singleplayer auf Dauer eintönig
  • kein Online-Koop
Userwertung
10 1 Stimmen
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Armada Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode NTSC
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit jetzt
Vermarkter Metro3D
Wertung 8.4
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