Am Anfang stand der Untergang

Doch das war nicht das Ende, vielmehr ein beeindruckender Neuanfang. Jack Tramiel, der mit dem Zitat „Business is like war“ in die Geschichte einging, kaufte mit seinen Söhnen Ataris Heimcomputer und Videospiel Abteilung von Warner, und schaffte es mit einem gnadenlosen und radikalen Führungsstil tatsächlich die marode Firma wieder auf Gewinnkurs zu bringen. Jack Tramiel war ein knallharter Geschäftsmann und kein zweiter Nolan Bushnell. Das wurde den Atari Angestellten sehr schnell klar. Einer Legende zufolge soll der Pförtner über die Hausrufanlage "Die Sturmtruppen kommen" gerufen haben, als Leonard Tramiel das erste Mal das Atari Gebäude betrat.
Tramiel versuchte schließlich die finanziell angeschlagene Firma Amiga getreu seinem Motto endgültig zu übernehmen. Er wollte Amiga nicht nur einfach kaufen, man kann beinahe sagen, er wollte dass sie zu ihm gekrochen kamen. Ja er spielte regelrecht mit Amiga. Würden die Lorraine Rechte doch sowieso in seinen Besitz übergehen, wenn sie ihre Schulden nicht zahlen konnten. Doch er pokerte zu hoch. Kurz vor Ablauf der Frist, als J. Tramiel sich schon als Sieger sah, schlug Commodore zu und sicherte sich den Grundstein von dem, was später zu den legendären Amiga Heimcomputern werden sollte. Glaubt man den Mythen, soll Jack diese Nachricht mit einem beeindruckenden Wutanfall aufgenommen haben.
Im Januar 1985 auf der CES in den Varianten 130ST (Prototyp) und 520ST (Serie) vorgestellt, und ab Sommer 85 zu kaufen, überzeugte der neue Computer durch seine starke CPU, verschwenderischen 520KByte RAM, integrierte MIDI Schnittstellen und einem Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche. Doch vor allem der niedrige Preis von ca. 800$ ab 1986 sollte den ST zum Macintosh Killer machen. Was auch in aggressiven Werbespots zelebriert wurde, die einen Direktvergleich nicht scheuten. Das brachte dem ST schließlich auch den Spitznamen „Jackintosh“ ein.
„Power without the price“ und „Computer for the masses not for the Classes” waren die Slogans, mit denen Tramiel schon zuvor erfolgreich war. Vor allem im Office Bereich wollte man mit dem ST punkten. Doch nach anfänglicher Begeisterung folgte die Ernüchterung. Da der ST unter enormen Zeitdruck entstand, gab es etliche Fehler im System. Reihenweise mussten defekte ST Computer der ersten Serie ausgetauscht werden. Dies kostete Atari letztlich den professionellen Markt. Einige Branchenmagazine witzelten gar über den fehlerhaftesten Computer der jemals erschien.
Primärer Absatzmarkt war dabei Europa und besonders, man glaubt es kaum, Deutschland. Doch auch in Sachen Software und Zubehör war Deutschland ein wichtiger Markt. Viele der bekanntesten Anwendungen wurden hier von kleinen aber feinen Software Häusern geschrieben. Nicht selten auch von Studenten, die sich so eine kleine Einnahmequelle schufen. Keine riesigen anonymen globalen Unternehmen wie es Heute der Fall ist. Überhaupt gab es nur wenige „große“ Software Hersteller, welche auf dem Atari ST veröffentlichten. Vor allem Firmen haben davon jedoch profitiert. Bei einem Problem oder Sonderwunsch hat man mal eben in Heidelberg ( oder wo auch immer ) angerufen und nicht selten kam etwas später per Post die neue angepasste Software. Das soll man mal heute bei Microsoft probieren.
Und auch die Software zeichnete sich durch hohe Leistung für wenig Geld aus. Programme wie die DTP Software Calamus kosteten nur 1/4 ähnlicher Apple Programme, bei vergleichbarem Funktionsumfang. Calamus wird auch heute noch verwendet und existiert als TOS Version, ebenso wie für MacOS und Windows. Interessant dabei ist die Tatsache, dass Calamus über einen integrierten Atari Emulator unter Windows/MacOs läuft. Und das gut 15 Jahre nach dem Ende der Atari Homecomputer. Auch das Textverarbeitungsprogramm Papyrus hat bis heute als Office Suite überlebt. Übrigens, Microsoft Write wurde damals von Atari für den ST vertrieben. Später ging daraus das Word Pad für Windows hervor.
Insgesamt lief es für Atari also sehr gut. Nach dem anfänglichen radikalen Sparkurs konnte Atari nun anfangen seine ehemaligen Niederlassungen und Tochterfirmen wieder aufzubauen. Doch auch Commodore schlief nicht und schaffte schließlich 1987 mit dem Amiga 500 den Durchbruch. Durch seine überlegenen Grafik und Sound Fähigkeiten zog der Amiga in der Gunst der Spieler bald am Atari ST vorbei. Bei Atari ging man es trotz Commodores Erfolg indes gelassen an. Immerhin war 1987 auch das erfolgreichste Jahr des ST überhaupt. Ataris 16 Bit Computer verkauften sich so gut, dass man mit der Produktion nicht mehr hinterher kam. Erst 1989 versuchte Atari mit dem STE Modell zu kontern, welches den technischen Vorsprung des Amigas verringern sollte. Doch leider wurde dieser Rechner weder vom Kunden noch von den Programmierern groß angenommen. Was letztlich in einem Teufelskreis endete. Erst Jahre später, nach Ataris Rückzug, kam die STE Serie vor allem durch Heimentwicklungen zu ihrem verdienten Erfolg. Wenn auch nur unter Fans.
1988 brachte Atari endlich ein neues TOS auf den Markt. Version 1.04 beseitigte den alten 40 Ordner Bug, verbesserte die Festplatten Unterstützung und endlich konnte man Ordner umbenennen. Sogar ein CD Rom Laufwerk für den Atari ST wurde auf den Markt gebracht. Mit dem Transputer ATW800 sorgte man zudem für Aufsehen. Ebenfalls 1988 erschien der erste Atari Klon 190ST. IBP griff sich einen Mega ST und trimmte ihn auf Industrie Standard. Doch damit nicht genug. Mit Hardwaremodifikationen und Erweiterungskarten wurde auch die Leistung verbessert. Später erschien sogar eine Variante mit MC 68020 CPU. Etwas was Atari nie auf die Reihe bringen sollte. Es ist durchaus möglich, dass diese robusten Rechner noch immer in der ein oder anderen Fabrikanlage zu finden sind.
Doch jeder Höhenflug hat auch mal ein Ende. Commodore war, zumindest in der Gunst der Spieler, bald nicht mehr aufzuhalten. Neue verbesserte Modelle wie die STE Serie ( 1989 ) konnten den langsamen Niedergang ab Beginn der 90er nicht aufhalten. Versuche den professionellen Markt mit dem TT ( 1990 ) und ATW (1988) zu erreichen scheiterten genauso wie IBM kompatible Rechner (1987 bis 1991). Die portablen ST Systeme Stacy ( 1989 ) und ST Book ( 1991 ) waren nicht massentauglich. Der Mega STE (1991) erwies sich als am Markt vorbei entwickelt. Und Ataris letzte Großoffensive, der Falcon 030 ( 1992 ), scheiterte trotz innovativer Technik. Etliche Fehlentscheidungen in der Führungsetage und teilweise arrogantes Auftreten gegenüber der Presse und Vertriebspartner kosteten Atari immer mehr Marktanteile. Gleichzeitig wurden die IBM kompatiblen PCs immer stärker und begannen ihren Siegeszug bei den Heimanwendern. Die Ära der Heimcomputer neigte sich ab 1990 eindeutig ihrem Ende zu.
Doch die Raubkopien führten auch zu einer anderen Entwicklung. Die zahlreichen Hacker Gruppen wie z.B. Bladerunners prahlten damals gerne mit ihren „Erfolgen“, was sich in aufwändigen Intros manifestierte. Ja manche waren sogar so dreist Kontaktadressen anzugeben. Solche Intros wurden schließlich immer komplexer und es entstand ein regelrechter Wettbewerb darum, wer das künstlerisch wie technisch beste Stück Software ablieferte. Diese Entwicklung gilt allgemein als Ursprung der Demo Programmierer. Obwohl hier sicherlich auch Zweifel erlaubt sind. Denn man kann durchaus davon ausgehen, dass sich auch viele begabte Programmierer von Anfang an gezielt dem ausnutzen der Hardware gewidmet haben. The Exceptions ( TEX ) waren eine der bekanntesten Demo Gruppen für den ST. Ihre Demo Readme.PRG von 1987 gilt allgemein als Anfang der ST Demo Szene. Delta Force, Aggression, Oxygene, Equinox und andere Gruppierungen sollten folgen. Waren diese Demos anfangs noch simple meist starre Technik Demonstrationen, sollten spätere Demos wie z.B. Braindamage von Aggression mehr dem Charakter eines künstlerischen Videoclips nahekommen. Viele waren sogar wie kleine Spiele aufgebaut und präsentierten die neusten Grafikleistungen indem man eine Figur durch ein Level steuerte.
Für Spieler waren die frühen 90er dennoch keine gute Zeit. Konnte man in den 80ern noch sicher sein, dass sich Amiga und Atari in Sachen Software Veröffentlichungen nicht viel schenkten, musste man nun mit ansehen wie immer mehr Spiele nicht mehr umgesetzt wurden. Zahlreiche Klassiker der frühen 90er, wie z.B. Dune 2, blieben den ST Besitzern vorbehalten. Selbst die letzten Titel von Thalion Software erschienen nur noch für den Amiga.
Doch hinter dieser Fusion steckt weitaus mehr als man denken mag. Tatsächlich war es ein offenes Geheimnis das die Tramiels, und somit Atari, über beachtliche Finanzreserven verfügten. Nicht zuletzt auch wegen dem gerichtlichen Sieg über SEGA und dem Verkauf einiger Produktionsstätten, was etliche Millionen in Ataris Kriegskasse brachte. Das genaue Gegenteil hingegen bei JTS. Schon zuvor fand ein Treffen zwischen Jack Tramiel und Tom Mitchel (JTS Mitbegründer und ex Seagate/Connor) statt. JTS benötigte dringend eine Finanzspritze für die Entwicklung einer neuen 3 Zoll Festplatte für Notebooks. Und diese sollten sie auch bekommen. Einige Quellen sprechen von etwa 25 Millionen Dollar, die Atari vor der Fusion insgesamt in JTS investierte. Angesichts des schrumpfenden Heimcomputer Marktes verfolgten die Tramiels schon länger die Strategie, nicht mehr in Atari zu investieren. Da kam das Angebot von JTS gerade recht, was Jack Tramiel letztlich auch einen Sitz in deren Firmenleitung einbrachte.
Ataris extrem geschrumpfte Zahl Angestellter hatte in dieser letzten Zeit kein leichtes Leben. Die Angestellten durften wohl des Öfteren vor durch die Gegend fliegende Jaguar Konsolen in Deckung gegangen sein. Doch das ist eine andere Geschichte. Einen kleinen Ego Sieg konnte Atari zuletzt aber noch erringen - sie überlebten Commodore. Diese durften schon zuvor 1994 Konkurs anmelden. Die Gründe hierfür glichen denen von Atari sehr.