Neverwinter Nights im Test

PC Windows
Im September 2000 erschien die langerwartete Fortsetzung des Genrekönigs Baldur’s Gate für den PC. Bald wurden Unkenrufe laut, dass die alte 2D-Engine nach all den Titeln (Baldur’s Gate 1 + Addon, Planescape: Torment, Icewind Dale + Addon) nicht mehr zeitgemäß sei und dass Bioware die Zeichen der Zeit verschlafen hätte. 2 Jahre lang war Ruhe, doch dann erschien 2002 ein neues Rollenspiel basierend auf den damals aktuellen Regeln der 3. Edition von AD&D und läutete das 3D-Zeitalter der Bioware-Rollenspiele ein. Aber kann der neue Look das Spielgefühl genauso rüberbringen wie die liebevoll gezeichneten Hintergründe der Infinity-Engine? Und ist Neverwinter Nights ein würdiger Nachfolger der Legende Baldur’s Gate?

NWN ist in jeder Hinsicht ein klassisches Rollenspiel. Das Setting ist eine Fantasy-Welt, bevölkert von allen Rassen die man aus den Regelwerken von AD&D kennt und die schon in den vorhergehenden RPGs aufgetaucht sind. Hier erwarten uns keine großen Überraschungen sondern solide Standardkost. Auch die Story ist eher klassisch gehalten: Die namensgebende Stadt Niewinter (engl.: Neverwinter ,,,) ) wird von einer schrecklichen Pest heimgesucht, welche von der Bevölkerung als „Heulender Tod“ genannt wird und steht seitdem unter Quarantäne.

Die Fürstin Aribeth hat, um der Seuche ein Ende zu setzen, die Bürger aufgerufen sich freiwillig zur Militärausbildung zu melden und in der Akademie zum zukünftigen Helden und Erlöser ausgebildet zu werden. Wie man sich sicher schon denken kann, kommt hier der Spielercharakter zum Einsatz. Man überlebt als Einziger einen Angriff mysteriöser Feinde auf die Akademie und steht nun vor der Aufgabe, die Stadt zu erlösen und die finsteren Mächte zur Strecke zu bringen, die der Stadt die Pest an den Hals gejagt haben. RPG-typisch lässt einem NWN große Freiheiten im Erledigen der Aufträge, so schlendert man auf dem Weg zum nächsten Hauptziel gerne noch durch die ein oder andere Höhle, erlöst den armen Bauern von seinen Problemen mit einem Wolfsrudel oder besiegt den wahnsinnigen Zauberer, der zwar ein Portal in die Unterwelt geöffnet hat, aber jetzt nicht mehr weiß wohin damit. Leider ist die Story eher 08/15 Fantasykost und stellt nicht gerade das innovativste Nonplusultra in Sachen Geschichtenerzählung dar, bleibt aber trotzdem halbwegs spannend.


Die Kamera lässt sich stufenlos rauszoomen für mehr Übersicht

Bevor man jedoch anfangen kann die Welt zu retten, gilt es im umfangreichen Charaktereditor erstmal seinen Protagonisten zu erstellen. Zur Wahl stehen etliche Rassen, von denen jede wiederrum ihre bevorzugten Berufe hat, von denen es dann auch noch reichlich gibt. So kann man als Halb-Elf Hexenmeister mit beschworenen Kreaturen und Feuerbällen durch die Gegner pflügen, als Halb-Ork Barbar kräftig mit der Axt um sich schlagen oder als gnomischer Schurke auf Zehenspitzen durch die Dungeons schleichen, Leute ausrauben und Goblins unbemerkt von hinten abmurksen. Je nach Lust und Laune lässt das Spiel getreu den Möglichkeiten von AD&D sehr viele Freiheiten bei der Charaktererstellung. Als große Verbesserung für diejenigen, die sich bei Baldur’s Gate hoffnungslos überfordert fanden, erlaubt das Spiel jetzt per Schaltfläche „Empfohlen“ die Fähigkeiten und Attributspunkte automatisch verteilen zu lassen, so dass immer die für die gewählte Rasse und Klasse optimale Einstellung vorgenommen wird, ohne dass man viel grübeln muss ob der Kämpfer lieber einen Punkt mehr Stärke oder Konstitution braucht.
Für die ganz Faulen sind auch vorgefertigte Charaktere vorhanden mit denen direkt gestartet werden kann.

An der Umstellung zur 3D Grafik scheiden sich die Geister. Ob es dem Einzelnen nun besser oder schlechter zusagt, sei mal dahingestellt. Von der technischen Seite war die Grafik Anno 2002 ziemlich gut, lief damals vor 4 Jahren auch nur auf den etwas stärkeren PCs gut. Auch heute noch ist die Optik meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung. Zauber werden mit schönen Lichteffekten begleitet, Wasseranimationen sind hübsch anzusehen, ebenso die Kampfanimationen. Allgemein greift hier aber wieder meine oberste, persönliche Maxime: wer RPGs wegen der Grafik spielt, hat das Prinzip nicht kapiert.
Was jedoch etwas sauer aufstößt ist die sterile Gestaltung der Menüs im Spiel. Statt auf gezeichnete, gestaltete Oberflächen zurückzugreifen, wie es bei den früheren Titeln der Fall war, will man in NWN mit schlichten, transparenten und schnörkellosen Fenstern wohl für mehr Übersicht schaffen. Meiner Meinung nach passen die neuen Menüs nicht in das Fantasysetting des Spiels, da sie einfach zu modern aussehen, aber vielleicht sieht das jeder anders.

Der akustische Teil des Spieles ist gut gelungen. Man hört auf den Streifzügen für die Gerechtigkeit viele Hintergrundgeräusche wie zum Beispiel das Klagen der Bürger in der Stadt oder Gemurmel der Gasthausbesucher. Das schafft tatsächlich Atmosphäre und wurde gut eingesetzt. Ein weiterer positiver Punkt ist die anpassungsfähige Musikuntermalung, die sich den Situationen im Spiel angleicht. Läuft man einfach nur eine Straße entlang, so hört man meist nur etwas Wind und allgemeine „Naturgeräusche“, trifft man hinter der Ecke aber auf eine Horde Trolle, so setzt orchestrales Getöse ein, um den Kampf passend zu untermalen.


[Links]Im Magierturm bewachen riesige Schildwächtergolems die bösen Zauberer[Rechts]Die transparenten Menüs sind kompakt, sehen aber relativ steril aus

Gesteuert wird NWN bequem mit der Maus. Als Innovation wurde ein Ringmenü eingeführt, welches sich mit der rechten Maustaste anzeigen lässt, hier findet man, mehr oder weniger schnell, die gewünschte Aktion oder den gewünschten Zauberspruch um ihn zum Beispiel im Kampf einzusetzen. Leider funktioniert dies nicht immer perfekt und man verheddert sich etwas in den Untermenüs. Daher besteht auch noch die Möglichkeit bis zu 36 Slots mit Zaubern zu belegen, die sich dann per F-Tasten und Kombinationen mit Shift und Strg leicht als Hotkey einsetzen lassen. Für alle, denen es trotzdem zu hektisch wird, besteht die Möglichkeit das Spiel mit einem beherzten Druck auf die Leertaste zu pausieren und alle Aktionen ruhig zu planen.

Anders als in Baldur’s Gate oder vergleichbaren RPGs steuert man diesmal keine ganze Party, sondern nur den eigenen Charakter wie es z.B. aus Diablo bekannt ist. Das Spiel erlaubt es einem einen NPC mitzunehmen, der jedoch nur groben Befehlen wie „Folgen“, „Beschützen“ oder „nächstes Ziel angreifen“ gehorcht. Dennoch sind die NPCs dringend notwendig, um die begrenzten Fähigkeiten des eigenen Helden zu ergänzen. So ist es sinnvoll sich als Kämpfer oder Magier einen Schurken mitzunehmen, der sich um Fallen und verschlossene Truhen kümmern kann.

Das Hauptspiel besteht aus vier umfangreichen Kapiteln. Die Spielzeit variiert je nachdem wie lange man sich mit Nebenquests vom Handlungsstrang ablenken lässt, aber selbst wenn man stur durch die Geschichte durchgaloppieren will, wird man schon etwas beschäftigt sein.


Auf ins Gemetzel!

Für Multiplayerhelden besteht die schöne Möglichkeit das gesamte Spiel zusammen mit anderen tapferen Recken zu bestreiten. Dazu stehen einem alle Wege offen, sei es im Lan oder Online, was dem Spiel etwas vom guten alten Pen&Paper Flair zurückgibt.

Zum Schluss muss noch auf den Editor eingegangen werden. Das Spiel kommt, ähnlich wie Unreal Tournament zum Beispiel, mit einem kompletten Toolset zum Erstellen eigener Welten und ermöglicht somit der Community von Spielern weitere Abenteuer und Geschichten zu schaffen. Dadurch wird das Spiel selbst zu einer Art Spielwiese auf der sich jedermann austoben kann. Online stehen zahlreiche Module kostenlos zum Download zur Verfügung, die Abenteuer von bis zu 40 Stunden Länge umfassen und somit die Halbwertszeit von NWN drastisch erhöhen.

Christian meint:

Christian

NWN ist ein gutes RPG. Ein sehr gutes RPG bräuchte eine überzeugendere Story, leider ist diese wie schon erwähnt ein kleiner Schwachpunkt. Die Kraft des Spiels liegt in den vielen Nebenquests die sehr vielfältig und vielseitig gestaltet sind und für stetige Motivation sorgen.
Die Präsentation des Spiels ist vollkommen in Ordnung und zweckmäßig, die Spieldauer reicht auch aus damit man den Kauf nicht bereut. Da man heutzutage für 10 Euro schon das Hauptspiel mit beiden Addons bekommt, macht man mit dem Kauf garantiert nichts falsch. Für RPG-Fans ein schönes Spiel, für RPG-Skeptiker wahrscheinlich nicht überzeugend. Eben gut, aber keine Sensation.

written by Bartosz Zarzycki, © nexgam
 

Positiv

  • RPG mit AD&D 3.0 Regelwerk
  • Stimmige Fantasy-Spielwelt
  • Editor mitgeliefert

Negativ

  • Story etwas 08/15
  • wenig überzeugende Innovationen
  • dt. Synchro oft ungewollt komisch
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Neverwinter Nights Daten
Genre -
Spieleranzahl Multiplayer
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 18. Juni 2002
Vermarkter Atari
Wertung Keine Wertung
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