Peter Parker hat es nicht leicht. Während er versucht, als Superheld kuriose Schurken ins Gefängnis zu bringen, die Stadt und J. Jonah Jameson davon zu überzeugen, dass er doch ein Netter ist, läuft es privat nicht ganz so rund. Seine Beziehung mit Mary Jane ist vor kurzem in die Brüche gegangen, geldtechnisch kann er sich gerade so über Wasser halten und der ehrenamtliche Posten im Obdachlosenzentrum F.E.A.S.T. sorgt nicht dafür, dass er vor lauter Freude an die Decke springt. Nur bei seiner schlecht bezahlten Arbeit mit Otto Octavius findet er seine Erfüllung. Der ambitionierte Doktor versucht nämlich mit intelligenten Armprothesen Menschen, denen Glieder fehlen, ein neues Leben zu ermöglichen. Doch oft muss das Privatleben des einstigen Fotografen pausieren, wenn die Verbrechen in New York die Oberhand übernehmen. Zu Anfang hat der Wandkrabbler es auch mit Wilson Fisk aka The Kingpin zu tun, muss aber nach diesem Gegner feststellen, dass die Stadt durch eine Superwaffe namens Teufelsatem bedroht wird.
Und diese Storyline nimmt so sehr Fahrt auf, dass das halbe Spider-Man-Universum mit seinem weltbekannten Figuren einen Platz darin findet und einen mitreißt. Quasi ein Kinofilm zum selber Spielen, mit verdammt gut geschriebenen Dialogen und das wichtigste überhaupt, nämlich die richtige Umsetzung des Comic-Stoffes so, wie es schon viel früher hätte sein müssen. Doch genug davon. Was das Gamedesign angeht, ist Marvel‘s Spider-Man ein Open World-Titel mit allerhand Nebenaktivitäten, die man von anderen großen Titeln her kennt. So gilt es Collectables einzusacken, Verbrechen zu vereiteln oder Passanten als Questgebern Gefallen zu tun. Wirken diese Nebenaufgaben anfangs noch recht unterhaltend, gleichen sie sich im späteren Verlauf zu sehr und mutieren oft zu verkrampfter Fleißarbeit. Ein bisschen aufgesetzt wirken unter anderem die Nebenmissionen von Harry Osborn, bei denen er uns öfters darum bittet, etwas gegen die Umweltverschmutzung in der Stadt zu tun.
Was wirklich von Anfang bis zum Ende begeistert, sind die Storymissionen. Diese sind so spannend aufgebaut, dass man ein stetiges Auf und Ab der Gefühle erlebt. Genau wie bei der Arkam-Serie rund um Batman ist Marvel‘s Spider-Man ein recht vielseitiges Spiel, mit einigen spielerischen Freiheiten. Böse Jungs mischt ihr am besten im Nahkampf auf, wo sich Insomniac Games vom Freeflow-Kampfsystem inspirieren lies. Doch die Ratchet & Clank-Macher geben diesem ihren eigenen Twist, indem ihr alle Möglichkeiten bekommt, die der Wandkrabbler anbietet. Mit fetten Kombos kloppt ihr die Gegner weich, dank erweiterbaren Inventar lassen sich verschiedene Netze im Kampf benutzen und ihr könnt die Umgebung mit in die Gefechte einbeziehen. Wenn ihr dieses Kampfsystem mal beherrscht, wirken die Keilereien wie ein choreografierter Tanz, den man sonst nur aus den Spider-Man Cartoons kennt. Obendrauf kommen noch die Spezialmanöver der unterschiedlichen Anzüge, die sowohl Vor- wie auch Nachteile bieten. Zum Glück lässt sich alles äußerst gut an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Ein anderer wichtiger Eckpfeiler von Marvel‘s Spider-Man ist das Netzschwingen in der offenen Spielwelt. Bedauerlicherweise dauerte es lange, bis ein Entwickler das Know-how hatte, um dies richtig zu bewerkstelligen. Unterm Strich kann ich nur sagen das Insomniac das Netzschwingen fantastisch umsetzte. Ist die leichte Steuerung mit ihren ganzen Möglichkeiten beherrscht, bewegt sich Spidey wie im Kinofilm umher. Zwar könnt ihr zu Fuß oder die Wände hinauflaufen bzw. krabbeln, aber von Flow und Geschwindigkeitsgefühl ist das Schwingen unvergleichlich. Grafisch ist das Spiel zudem eine Augenweide mit sehr stimmungsvollen Lichtern. Leider gibt es keinen wirklichen Tag- und Nacht-Wechsel, wie bei anderen Genre-Vertretern, doch daran gewöhnte man sich schnell. Auch das bunte Treiben der New Yorker-Innenstadt wurde mit ein paar Patches verbessert. So reagieren viele Passanten auf euch und es ist immer wieder unterhaltsam, das Fussvolk zu beobachten.
Apropro Beobachten: Bei Marvel‘s Spider-Man solltet ihr stets ein offenes Auge für die Easter Eggs haben. Diese sind zahlreich, wenn man weiß, wo man schauen muss. So findet ihr zum Beispiel bei Norman Osborn Bomben-Skizzen vom grünen Kobold, Peters Arbeitsplatz bei Otto Octavius platzt nur so von Aktionen, die Spider-Man in der Vergangenheit machte. Doch hier möchte ich nicht zuviel verraten, trotzdem will ich die Käufer von Marvel‘s Spider-Man dafür sensibilisieren, sich gut umzuschauen, da sie viele bekannte Dinge finden können.
Es ist schade, dass es so lange dauerte, bis Spidey endlich auch ein richtig gutes Spiel bekam. Allerdings muss ich Insomniac meinen Respekt dafür Zollen, das sie behutsam mit der Vorlage umgingen. Ein anderes Lob verdienen sie für ihre Arbeit im Spieldesign und dessen Ausarbeitung. Vom Spielgefühl, Action, Interaktionen her ist Marvel‘s Spider-Man das spielbare Comic qua excellence.