Kingdom Come Deliverance - Skyrim im realistischen Mittelalter? im Test

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Ja, die Überschrift ist absichtlich provokant gewählt, bezieht sich mit meiner persönlichen Gamingvergangenheit betrachtet jedoch nicht unbedingt auf die hohen Meinungen der Presse und Community, sondern vielmehr auf Entscheidungen in Sachen Gameplay und Gamedesign.

kingdom_come_nexgam_01Ich muss mich also outen. Ja, ich bin kein Riesenfan von Bethesdas Rollenspielmeisterwerk. Ich scheiterte bei vielen kläglichen Versuchen, mich auf das Rollenspiel einzulassen, immer nach spätestens 5-6 Stunden. Man könnte jetzt sagen, gut, bin ich eben kein Fan von langen RPGs. Spielzeiten in Games wie The Witcher 3 und Gothic widerlegen dies jedoch. Nein, ich habe ein anderes großes Problem: Ich werde mit der Spielmechanik bei Skyrim einfach nicht warm, welches klar auf First-Person-Gameplay ausgelegt ist. Man mag mich deshalb steinigen wollen, aber auch gefallen mir persönlich die Spielwelt und die Charaktere und deren Erlebnisse eines Witchers wesentlich besser, als die Abenteuer und Geschichten, die ich in Himmelsrand erleben kann.

Nun bin ich trotz dieses Hintergrunds mit auf den aufgekommenen Hype-Train gesprungen, als ich die ersten Trailer zu Kingdom Come Deliverance sah. Verdammt, sah das gut und so realistisch aus. Auf der gamescom im letzten Jahr durfte ich den Titel bereits anspielen und von da an hemmte sich die Vorfreude ein wenig. Bei mir lief mein Questgeber schreiend vor mir weg, sodass ich die Aufgabe nicht abschließen konnte, bei meinem Sitznachbarn links funktionierte die Steuerung nicht wie gedacht und rechts daneben stürzte gar das gesamte Spiel ab. Lange Ladezeiten, eine etwas verwirrende Steuerung und ein anscheinend auf Zufall basierendes Quest System waren weitere Beispiele, die dafür sorgten, dass ich das Spiel bis zu seinem Release in diesem Jahr aus dem Fokus verlor. 


Okay, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, dachte ich und immerhin war noch etwas Zeit, um diese Kinderkrankheiten auszumerzen. Also startete ich das fertige Spiel, zockte die erste halbe Stunde und stellte dann erstmal fest: kein freies Speichersystem? »Hmmm okay« dachte ich, hatte ich bei Dark Souls ebenfalls nicht und das machte einen großen Reiz des Spiels aus. Bei Kingdome Come Deliverance ist das jedoch eine Traumvorstellung. Gepaart mit den teils sehr weiten Questwegen kann das mitunter verdammt frustrierend werden, wenn man einen gefühlt ewig langen Weg ein zweites, vielleicht sogar drittes Mal zurücklegen muss, weil Speichern zwischendurch nicht möglich ist. Das ist schlechtes Gamedesign.

kingdom_come_nexgam_07Gut, all die Bugs und nervigen Spieldesignentscheidungen wären noch nicht der Grund, wieso ich dieses Spiel für mich persönlich mit einem Skyrim vergleiche. Fangen wir doch mal mit der Story an. Skyrim spielt man nicht wegen seiner toll inszenierten Hauptgeschichte, sondern den vielen kleinen Geschichten jenseits des Hauptweges. Kingdom Come Deliverance geht einen ähnlichen Weg. Die Hauptstory zieht zu Beginn noch stark an, erweist sich aber recht schnell als Mittel zum Zweck. Wir begleiten den jungen Mann Heinrich, dessen Heimatdorf am Anfang des Spiels von einer Armee angegriffen wird und der den Tod seiner Eltern mit ansieht. Dieser muss sich nun, so wie wir, in dieser Welt zurecht und seinen Platz in ihr finden. Es sind hier ebenfalls die vielen kleinen Situationen und Dinge, die einem, in dieser sehr schön anmutenden Welt, passieren. Das Gefühl des Verlierens in die Gegenden, das kann Kingdom Come Deliverance, zumindest wenn man sich daran gewöhnt, dass hier eben nicht Drachen und Riesenspinnen lauern können.

Der Hauptheld Heinrich mustert sich vom harmlosen Bauern zum ritterhaften Krieger und das Spiel zeigt uns einen recht realistischen Schnitt durch die damalige Gesellschaft. Jedoch fehlt der Story die eine oder andere Wendung oder ein Aha-Effekt, um wirklich bis ans Ende motiviert bei der Stange gehalten zu werden. Man muss sich eben darauf einlassen und sich wie in einem trockenen Buch durch langatmige Passagen kämpfen. Eines muss man den Jungs von Warhorse Studios jedoch lassen. Die Welt ist wunderschön gestaltet und erzählt immer wieder kleinere Geschichten, die durch die gut vertonten Dialoge getragen werden. Egal ob die englische oder deutsche Tonspur, die Sprecher machen insgesamt einen guten Job und die Hintergrundmusik unterstützt die Immersion.

Kommen wir nun zu dem größten Manko für mich: das Gameplay. Kingdom Come Deliverance spielt sich aus der Ego-Perspektive. Anders als beispielsweise in Skyrim lässt sich diese auch nicht  auf Wunsch wechseln. Der Kampf mit Schwert und Schild ist relativ komplex und dadurch mitunter sehr fordernd. Wir können aus verschiedenen Richtungen blocken und schlagen, man sollte daher zu jeder Zeit ein Auge auf seinen Gegner haben und versuchen, dessen Bewegungsabläufe zu lesen und zu deuten. Und doch fühlen sich die Auseinandersetzungen vor allem gegen stärkere Gegner überfordernd an und scheinen großteils dem Glück und Zufall zu unterliegen. Das liegt an der recht trägen Steuerung, die, oftmals durch Verzögerungen bestimmt, einen Sieg immer unwahrscheinlicher werden lässt. Das drückt bei den weit auseinander liegenden Savepoints den Spielspaß ungemein. Wenn man eine Stunde Gameplay wiederholen darf, nur weil man von einer Wache überrascht wurde, ist das mehr als frustrierend. Auch mit mehreren Gegnern sollte man sich besser nicht anlegen, vor allem nicht, wenn es sich um eine Gruppe von Rittern handelt.

kingdom_come_nexgam_09Generell lässt sich sagen, ja, euer Charakter Heinrich ist kein Superheld in einer Fantasywelt und daher ist dieser Ansatz legitim. Hier drückt man jedoch auf Kosten des Realismus auf den Spielspaß. Wem das nichts ausmacht und sich an die Träge Steuerung gewöhnen kann, dem stehen packende Duelle bevor. Ein weiteres Problem des Realismus sind die “Survival”-Aspekte. Heinrich ist ein Mensch wie du und ich, er muss schlafen, essen und andere menschliche Bedürfnisse befriedigen. Dieses Mikromanagement erinnert schon fast ein bisschen an die Sims und ist nicht weniger nervig. Wer jetzt denkt, ist doch kein Problem, dann habe ich einfach immer genug Proviant dabei dem sei gesagt: Das wird nicht ausreichen. Nahrung kann wie im wahren Leben schlecht werden und verderben. Wer sein Brot oder seine Äpfel zu lange mit sich herumschleppt, fügt sich schnell eine Lebensmittelvergiftung zu, die wiederum auf die Lebensenergie schlägt. Man sollte seinen Vorrat also immer im Auge haben.

Wer viel Geduld mitbringt und sich auf diesen realistischen und daher sehr langatmigen Ansatz einlässt, der wird mit Kingdom Come Deliverance gewiss seine Freude haben. Kaum ein Game stellt das Mittelalter wohl so glaubwürdig und originalgetreu dar, jedoch gibt es weitaus bessere Rollenspiele. Der Vergleich mit Skyrim ist an der Stelle auch nicht ganz fair, für mich war es jedoch ein guter Vergleich, um zu zeigen, dass die Probleme, welche Kingdom Come Deliverance für mich hat, nicht auf jeden Spieler zutreffen müssen. Das Spiel macht vieles richtig, ist aber bedeutend langsamer und daher bodenständiger als ein Fantasy-Rollenspiel Epos. Was sich mit Gewissheit sagen lässt. Wer schon kein großer Fan von Bethesdas Meisterwerk ist aufgrund der aufgezeigten Elemente, der sollte definitiv die Finger von Kingdom Come Deliverance lassen!

 

 

 

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  • von Mistercinema:

    108 Sterne schrieb: Und das ist nichtmal nen eigenen Thread wert... Aber freut mich, Teil 1 war klasse. Das unbefriedigenste war tatsächlich, dass die Story kein richtiges Ende hatte. Umso mehr freue ich mich, sehen zu können wie es...

  • von Maniac555:

    Meeeeega. da überlege ich auch noch meinen resturlaub zu nehmen. Beste Ankündigung seit langem ...

  • von 108 Sterne:

    Und das ist nichtmal nen eigenen Thread wert... Aber freut mich, Teil 1 war klasse. Das unbefriedigenste war tatsächlich, dass die Story kein richtiges Ende hatte. Umso mehr freue ich mich, sehen zu können wie es weitergeht....

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