Besonders hervorzuheben ist zudem das Charakterdesign, bei dem – ähnlich wie in L.A. Noire – durch bloße Gesichtszüge und der Mimik verschiedenste Charaktereigenschaften erkannt werden können. Ganz großes Kino! Dasselbe kann man leider nicht von der Synchronisation behaupten. Einige Charaktere klingen absolut hervorragend, beispielsweise der typisch sarkastische und arrogante Sherlock höchstpersönlich, andere wiederum klingen sehr hölzern und amateurhaft. Bei einem Videospiel, in dem so viel mit verschiedensten Menschen interagiert werden muss, leider ein No-Go.
Euer bloßes Auge wird euch allerdings nicht immer helfen können. Für solche Momente bedient sich unser Alter Ego seines sechsten Sinns, der automatisch mehrere Kleinigkeiten erkennt und zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Ebenso müssen Zeugen durch verschiedene Dialogmöglichkeiten befragt werden.
Auch hier schlägt abermals das Genie von Sherlock Holmes zu, denn durch genaue Untersuchung des Gegenübers lassen sich beispielsweise durch Kleidung, Narben oder anderen Merkmalen neue Befragungen freischalten. Zusammengetragen werden alle Informationen in Sherlocks Notizbuch, was zu jederzeit, selbst während Ladezeiten, ausgepackt werden kann, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Ist die Arbeit erst einmal erledigt, folgt das Vergnügen. Im Gegensatz zu anderen Ablegern des Genres, bei denen strikt dem »Drehbuch« gefolgt wird, kann der Spieler nun selbst Indizien kombinieren und entscheiden, wie der Fall gelöst werden soll.
Dabei entstehen moralische Konflikte, wie man sie aus Telltales Walking Dead kennt. Folgen wir dem Pfad der Gerechtigkeit oder entwickeln wir Sympat hie für den Täter und helfen ihm aus seiner möglichen Todesstrafe? Ein wirklich hervorragend umgesetzter Aspekt des Spiels, der nicht nur für Spannung, sondern auch für Wiederspielwert sorgt.
Nach knapp 18 Stunden wurden alle Fälle gelöst und London hoffentlich zu einem vorerst sicheren Ort gemacht. Hauptsächlich werden natürlich Morde aufgedeckt, doch gibt es auch erfreuliche Abwechslung wie das Rätsel eines verschwundenen Zuges.
Auch bieten die Investigation selbst die ein oder andere Überraschung, sodass gelegentliche Minispiele den grauen Detektivalltag etwas auffrischen. Leider sind diese relativ konfus ausgefallen. Beispielsweise müssen verschiedene Chemikalien verbunden werden, um an einen Hinweis zu kommen. Leider gibt es dabei nur wenig Rückmeldung, ob wir mit der wilden Mixerei auf der richtigen Fährte oder nicht sind. Noch konfuser selbst ist die Tatsache, dass solche Minispiele per Knopfdruck übersprungen werden können, ohne damit den Ausgang des Falls zu verändern.
Das hilft zwar den frustrierten Minispiel-Hasser, macht allerdings den Eindruck, als wüssten die Entwickler selbst, dass diese Nebenbeschäftigungen nicht gut in das Spiel integriert wurden. Abseits davon zeigt sich die Steuerung und Menüführung im ganzen Spiel arg schwammig und unnötig verschachtelt. Wie so oft ist das Gewöhnungssache, jedoch hätte man dies, ebenso wie die Minispiele, eleganter lösen können.
Sherlock Holmes: Crimes & Punishments sticht mit clever und charmant geschriebenen Geschichten und einer für das Genre beeindruckende Optik aus der Masse heraus. Das eigentliche Highlight stellt für mich aber die Möglichkeit dar, die Fälle zu lösen, wie ich es möchte. Der hierbei entstehende moralische Aspekt wurde sehr gut getroffen und tröstet über nervige Kleinigkeiten, wie die konfusen Minispiele und der Steuerung, hinweg. Wer für die kommenden langen Winternächte etwas Spannendes zum Rätseln sucht, kann hier gerne zuschlagen!