Die Zelda Reihe hat sich in über 30 Jahren einen Platz ganz oben unter den beliebtesten Videospielreihen erobert. In Fantasywelten frei erkunden, Monster erledigen und die Welt retten. Im Prinzip hatten die Abenteuer, für die Shigeru Miyamoto einst den Grundstein legte, schon auf dem NES gewisse Elemente einer offenen Welt, aber nie in dem Maße, wie man es heute gewohnt ist. Nachdem bereits der Sprung in die dritte Dimension mit Ocarina of Time als Revolution gepriesen wurde, steht nun mit dem Sprung in die offene Welt eine weitere grundlegende Änderung an. Denn Nintendo hat aufzuholen. In den letzten 10 - 15 Jahren haben Spiele mit großer Freiheit Spielerherzen erobert und das Genre ist gewachsen. Nintendos Held mit den spitzen Ohren sträubte sich aber lange gegen den Schritt in diese Moderne, sicher auch, weil die Hardware häufig nicht die notwendige Power hatte.
Kann sich Link nun trotz Nachzüglerrolle an die Spitze setzen?
Die Geschichte von Breath of the Wild ist schnell erzählt. Immer wieder in der Geschichte Hyrules wird das Land von der Verheerung Ganon heimgesucht; einem Angriff des monströsen Bösewichts, der hier eher einer dämonischen Naturgewalt gleicht. Als vor hundert Jahren Prinzessin Zelda und Link sich auf die Wiederkehr des Erzfeindes vorbereiteten und mit der Hilfe aller Völker die Bedrohung abwehren und ein für alle Mal vernichten wollten, ging alles schief. Link scheiterte, die Recken wurden getötet, die aufgestellten antiken Waffen von Ganon übernommen und das Land in Schutt und Asche gelegt. Seitdem sind 100 Jahre vergangen und Ganon hat das Schloss noch immer unter seiner Kontrolle, und seine Schergen machen die Wildnis unsicher. Da erwacht Link, dem Tode Nahe in einen künstlichen Schlaf versetzt, und muss seine Kraft wiedererlangen, um seine Mission doch noch zu erfüllen.
Damit ist die Geschichte eigentlich auch schon erzählt. Nach dem Erwachen lernt der Elf in einem Startgebiet seine Fähigkeiten neu kennen (sprich: Tutorials für den Spieler), und danach ist bereits die ganze Welt offen. Ein Handlungsbogen wird nicht weiter gesponnen, wer möchte, kann sich sofort auf zum Schloss machen und Ganon konfrontieren. Das ist freilich zu diesem Zeitpunkt nicht ratsam, da Ausrüstung, Kondition und Lebensenergie nicht gerade üppig sind. Was die Story angeht, wird daher nur optional mehr erzählt. Man kann mehr darüber erfahren, was mit den Recken an Links Seite geschah und sich Vereinfachungen für den Showdown verdienen.
Dreh und Angelpunkt von Breath of the Wild ist aber keine Story, sondern der riesige Spielplatz, den Hyrule darstellt. Wie kein anderer Held ist Link kaum Grenzen unterworfen. Nahezu jede Mauer und jeder Berg ist erklimmbar, Distanzen lassen sich mit einem Paragleiter in Luftlinie zurücklegen, zu Pferde die Landschaft erkunden, und wer es nass mag, darf auch schwimmen. Einzige Hindernisse sind die Ausdauer des Helden, die vielleicht noch nicht ausreichend ausgebaut wurde, um die gewaltigsten Felswände zu erklimmen, oder mangelnder Schutz gegen Wind und Wetter.
Und genau das ist auch die Stärke von Breath of the Wild. Ganz so grenzenlos waren die Bewegungsmöglichkeiten bisher in vergleichbaren Spielen noch nicht. So wird allein das Erforschen abgelegener, hoher Bergspitzen in der Hoffnung auf versteckte Schätze für zig Stunden Spielzeit sorgen.
Eine weitere Besonderheit ist die Interaktivität des Helden mit der Welt und der Elemente untereinander. So bietet sich das Bergsteigen bspw. nicht an, wenn es gerade in Strömen regnet und alles glitschig ist. Anstatt Brandpfeile zu kaufen, genügt es auch mit einem Holfzpfeil an ein Lagerfeuer zu treten, um das Projektil zu entzünden; gleichermaßen werden Nahrungsmittel bei Feuerkontakt gebraten. Und wenn ein Gegner durchs hohe Gras stapft, lohnt es sich, eben dieses mit einem solchen Pfeil anzuzünden, anstatt Auge in Auge zu kämpfen. Monster auf metallenen Böden können ebenso mit Hilfe eines Elektropfeils gegrillt werden.
Bei all solchen Details punktet Zelda klar. Aber es gibt auch Dinge, die die Konkurrenz besser handhabt. So sind leider die Siedlungen Hyrules relativ klein und spärlich bevölkert. Quests sind vorhanden, aber vergleichsweise simpel aufgebaut und wenig originell. »Bring mir X Exemplare von Item Y«, »Töte die Monster, die da in Sichtweite rumreiten«, »berge die Schatztruhe aus dem Wasser vor mir«. Komplexe, aufeinander aufbauende Questlines sind Fehlanzeige, ebenso wie selten eine interessante Geschichte durch die Nebenaufgaben erzählt wird. In dieser Hinsicht bieten Spiele wie Witcher 3 oder Skyrim erheblich mehr.
Echte Dungeons sind auch kaum vorhanden. Die typischen Zelda-Puzzles, diesmal weitgehend basierend auf Physik, wurden in 120 kleine, auf der ganzen Welt versteckte Schreine verteilt. Diese bieten kleine Dungeon-Häppchen von 5 - 10 Minuten. Ein interessanter Ansatz, um die Rätseleinlagen besser zu verteilen, jedoch auf längere Sicht zu monoton. So schön die Aufgaben im einzelnen sind, so bestehen diese Schreine oft aus einem einzigen Raum und einem Puzzle. Oft gibt es keine Gegner, und alle diese Tempel haben ein identisches Dekor. Natürlich ist all das rein optional. Wer allerdings mehr Herzcontainer oder Ausdauer möchte, muss sich mit diesen Mikrodungeons beschäftigen. Denn die dort gewonnenen Auszeichnungen können gegen solche Upgrades eingetauscht werden. So gerät das Finden und Abklappern der Schreine doch zu einer Fleißaufgabe nach Schema F. Dem gegenüber stehen lediglich eine Hand voll vollwertige Dungeons im Spiel. Bei diesen brilliert Zelda, dort werden die Qualitäten der Rätsel in einem großen Ganzen kombiniert, mit Gegnern gespickt und in einem Bosskampf zu Ende geführt. Hier wären weniger Schreine und ein paar mehr Dungeons wünschenswert gewesen.
Wer Ubisoft-typische Sammelaufgaben liebt, der wird die Suche nach den 900 Krogs genießen oder sein Fotoalbum aller Items, Tiere und Gegner zu Vervollständigen versuchen.
Ein Streitpunkt ist die Waffenhaltbarkeit. Zwar auch in anderen Open World Abenteuern ist begrenzte Haltbarkeit der Prügel ein Problem, aber in keinem Spiel gehen die Tötungswerkzeuge so schnell zu Bruch wie im neuen Zelda. Hyrules Schmiede müssen wahrlich Stümper sein, wenn ein schickes Breitschwert nach einem Dutzend Hieben nicht nur Scharten hat, sondern wortwörtlich zerspringt. Neue Waffen zu finden ist zugegebenermaßen nicht schwer, jedes Monster lässt zumindest einen Knüppel fallen, aber ständiges Wechseln und Umsortieren ist gefragt. Positiv betrachtet führt das dazu, dass man alles mal ausprobiert. Ungeduldigere Naturen werden vom konstanten Überprüfen der Waffenwerte genervt sein, um zu entscheiden, was weggeworfen werden kann und was es wert ist, aufgehoben zu werden. Reperaturen gibt es nicht. Mit diesem Aspekt des Games muss man leben, ob man es mag oder nicht.
Audiovisuell ist Breath of the Wild ein zweischneidiges Schwert. Primär für die Wii U entwickelt, gleichen sich beide Fassungen nahezu wie ein Ei dem anderen. Wii U User haben am TV eine Auflösung von 720p, Switch User begnügen sich im Handheld Modus mit derselben Pixelzahl, genießen aber am Fernseher einen Boost zu 900p. Texturen, Details und Effekte sind identisch. Die Charaktere sind schön mit Cel Shading in Szene gesetzt. Manche Szenerien können je nach Tageszeit und Wetter absolut herrlich aussehen. Wenn das Licht auf die einzelnen, hohen Grashalme strahlt, sieht das schon toll aus. Andererseits ist die Landschaft verglichen mit manch anderem Open World Spiel eher weit und leer. Die Flora und Fauna ist spärlich, aber nicht so dass es störend ist. Wer jedoch dichte Wälder sucht, wird enttäuscht. Hier wurden eindeutig gewisse Kompromisse eingegangen. Kein Wunder, wenn man sich die mangelhafte Performance so mancher detaillierten Open World Spiele auf PlayStation 3 und Xbox 360 anschaut. Mit der Wii U als Lead Plattform orientierten sich Nintendos Programmierer an solcher last-gen-Technologie. Hierdurch ist das Spiel auch im vergleich mit eben diesen Titeln flüssiger, jedoch bei weitem nicht perfekt. Die maximal 30 fps sinken bei hoher Beanspruchung öfters auf konstante 20, sowohl auf Wii U als auch auf Switch. Es gibt allerdings selten Schwankungen, weil die Engine bei unter 30 fps direkt auf feste 20 runterdrosselt. Dadurch wirkt das Ganze sauberer als ein heftiges Schwanken, ist aber dennoch suboptimal. Die Framerate Einbußen treten auf der Wii U häufiger auf als bei der Switch, sind jedoch bei beiden bemerkbar. Die Musik bleibt dezent im Hintergrund, und dreht nur bei Kämpfen und wichtigen Szenen auf. Die meiste Zeit genießt man Ambient-Geräusche.
Ganz neu ist die Synchronisation. 2017 erhält auch Legend of Zelda endlich Sprachausgabe ... bis auf Held Link, der nach wie vor stumm ist. Die deutschen Sprecher sind dabei ganz hervorragend gewählt. Hier wurde absolut makellose Arbeit geleistet. Allerdings tritt die Sprachausgabe nur in wichtigen Szenen auf, NPCs geben höchstens Grunzer von sich.
Für mich ist Breath of the Wild das erste 3D-Zelda, das mich in seinen Bann gezogen hat. Selbst das vielgerühmte Ocarina of Time ließ mich kalt, aber mit Link Hyrule zu erkunden ist schon ein Erlebnis, bei dem man die Zeit vergessen kann. Allerdings fehlen mir noch die lebendigen Welten mit Bewohnern, die eigene kleine Geschichten zu erzählen haben, die Quests und die lebhaften Straßen von Städten, um wirklich in die Welt zu versinken. So bleibt das neue Zelda für mich ein sehr gutes Spiel, aber keines, bei dem ich die Welt um mich herum vergesse, wie es bei manchen Konkurrenten der Fall ist. Wenn man aber schon so stark ins Open World Geschäft einsteigt, bin ich umso gespannter, wie sehr man sich noch verbessern kann, wenn die Zeit für den nächsten Teil ansteht.