Erst 1996 revolutionierte Blizzard das Genre maßgeblich und nachhaltig. Diablo betrat die Bildfläche und ist nichts anderes, als ein modernes Gauntlet. Technisch auf der Höhe der Zeit, angereichert mit zahlreichen RPG Elementen. Neben Gold und Gegenständen gab es nun Erfahrungspunkte mit denen der eigene Held aufgelevelt werden konnte. Wie schon zu Zeiten des Midway Klassikers folgten auch hier Fortsetzungen und unzählige Klone. Statt vom Action RPG spricht man daher, der Einfachheit halber, meist gleich vom Diablo Klon.
Mit Victor Vran wurde just ein neuer Titel dieses Genres veröffentlicht. Eine unbekannte Stadt, ein Hilferuf eines guten Freundes. Klar macht sich unser Held auf den Weg, um zu helfen. Kaum angekommen findet er vor allem eins: Tod und Verderben. Die Bewohner sind wie vom Erdboden verschluckt, dafür wimmelt es von allerlei Dämonengesocks. Blut und vereinzelte Leichen zeugen von vergangener Greul.
Nichts Neues im Staate Dänemark! Angefangen vom Titelbildschirm über die Sounduntermalung bis hin zum Spielprinzip wirkt es nahezu 1 zu 1 von Diablo übernommen. Laien dürften den Unterschied nur am anderen Namen erkennen. Doch das will nichts schlechtes Heißen. Tatsächlich präsentiert sich Victor Vran sogar sehr gut. Technisch gibt es wenig zu meckern. Die Grafik ist detailliert und geht selten in die Knie, der Soundtrack eingängig und passend zur jeweiligen Situation. Auch die deutsche Synchronisation ist toll gelungen. So finden sich, unter anderem, die Stimmen von Vin Diesel und Angelina Jolie im Repertoire. Ist man in dieser Hinsicht quasi gleichauf mit dem großen Vorbild, so hinkt man in Sachen Storypräsentation leider hinterher. Statt fulminant inszenierten CGI Sequenzen in Kinoqualität wird diese hier lediglich durch Standbilder präsentiert. Dem Spielspaß tut das zum Glück keinen Abbruch.
Drei Charakterklassen stehen zur Verfügung. Zwar bleibt Victor immer Victor, jedoch unterscheiden sie sich in Optik und im grundlegenden Spielstil. Auch blieb alles beim alten. Nur nennt man es anderes. Am Ende läuft es auf Fern- und Nahkämpfer sowie Magier hinaus. Die erste Entscheidung ist aber nicht bindend. Im Spiel selbst könnt ihr immer wieder, z.B. durch das Anlegen neuer Outfits umentscheiden. Am Ende entscheidt ohnehin die Bewaffnung über den Spielstyle. Einen Skilltree oder ähnliches sucht ihr vergebens. Hitpoints erhöhen steigen beim Stufenaufstieg automatisch, Magiepunkte gibt es gleich gar nicht. Spezialattacken und dauerhafte Charakterverbesserungen (z.B. kraftsteigernde Auren etc. pp) erhaltet ihr durch Medaillons bzw. Karten welche erschlagene Gegner hinterlassen und ausgerüstet werden können. Zudem bringt jede Waffe zwei Spezialangriffe mit sich. Der Einsatz dieser benötigt jedoch „Overkill“, der durch Kämpfen aufgeladen wird.
Die „Droprate“ in Victor Vran ist moderat. Kein Vergleich zu Diablo 3, bei welchem ihr im Sekundentakt mit, meist überflüssigem, Plunder überhäuft werdet. So behält man problemlos den Überblick und muss keine Angst haben, alle paar Minuten überladen zum Basispunkt zurückkehren zu müssen. Was in Diablo 3 die Camps in jedem Abschnitt waren, ist hier das Schloss der ortsansässigen Königin. Dort findet ihr Waffen- sowie Magiehändler und eine Staukiste. Zudem gibt es den ein oder anderen Storyfetzen und Tipp zu erhaschen. Quests abseits der Story sind nicht vorhanden. Stattdessen erhaltet ihr beim Betreten eines neuen Bereichs, eine Aufgabenliste. Mal soll eine bestimmte Anzahl an Gegner erledigt werden, ein weiteres Mal muss dies unter Zeitdruck erfolgen. Oft gekoppelt an eine vorgegebene Waffenart. Zur Belohnung winken extra EXP, Gold oder bessere Waffen. Wichtigstes Feature ist jedoch die Karte. Denn von dort aus könnt ihr euch bequem an alle bisherigen Orte teleportieren und sofort loslegen. Nächster, für die Story relevanter, Anlaufpunkt ist ebenso markiert wie Dungeons mit Bossgegnern. Ein Verlaufen ist somit nahezu ausgeschlossen. Das Ganze dürft dann auch On- oder Offline mit bis zu drei anderen Spielern erleben. Doch auch das kennt man bereits von Diablo 3.
Was Victor Vran wohltuend vom Vorbild abhebt, ist der Humor. Schon früh im Spiel hört ihr eine Stimme. Diese quatscht immer mal wieder (in der Regel aber nicht sehr oft und ohne zu nerven) munter drauf los und kommentiert euer Handeln. Was es mit der Stimme auf sich hat, klärt sich im Laufe des Spiels. Der Humor ist wohl dosiert und nicht ständiger Begleiter wie zB. in Sacred 2. Neben Kalauern auf Kosten unseres Helden gibt es auch den ein oder anderen Seitenhieb auf moderne Literatur und Filme (was sich allerdings nur dem Kenner erschließt).
Alles in allem stellt Victor Vran mit die beste Alternative zu Diablo 3 da. Der Umfang ist groß, Areale und Gegner abwechslungsreich. Trotz der mehr als starken Anleihen bei Blizzards Top Titel bietet Victor Vran mehr als genug Eigenständigkeit, um zu überzeugen.
Ich liebe Diablo. Besonders den Erstling, aber auch Teil 2 und 3 wurden vielen Stunden gespielt. Kaum ein Spiel konnte mich, trotz oftmals identischer Abläufe und Technik, wirklich fesseln. Victor Vran hat mich jedoch gepackt. Der schwarze Humor ist genau mein Ding, das viktorianische (Wortspiel!) Gruselsetting ebenso. Wer das Vorbild kennt, ist sofort im Spielfluss drin ohne vom Loot erschlagen zu werden. Ein „verskillen“ ist nicht möglich. Im Gegensatz zu anderen Genrevertretern wie „Van Helsing“ verliert man hier auch nach längerer Spielpause nicht den Faden. Daher kann ich das Spiel bedenkenlos allen Fans von Blizzards Action RPG, aber auch all jenen denen Teil 3 zu überladen war, klar empfehlen!